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Forderungen zur Umsetzung des Digital Services Coordinators

Starke Plattformaufsicht für eine starke Demokratie

Offener Brief an die deutsche Bundesregierung

Sehr geehrte Mitglieder der deutschen Bundesregierung,
Sehr geehrte Mitglieder des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr,
Sehr geehrte Mitglieder des Digitalausschusses,
Sehr geehrte Mitglieder des Rechtsausschusses,

bisher haben sich Plattformen weitgehend selbst reguliert. Mit dem Gesetz über digitale Dienste (Digital Services Act, DSA) wurde ein gesetzlicher Rahmen dafür geschaffen, um unsere Rechte im digitalen Raum besser zu schützen und die Sorgfaltspflichten der Plattformen stärker zu kontrollieren.

In Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission sollen nun die sogenannten Digital Services Coordinators (DSC) der EU-Mitgliedsstaaten die Aufsicht übernehmen und den DSA durchsetzen. Um diese Chance zu nutzen und dafür zu sorgen, dass das Gesetz kein Papiertiger wird, muss die deutsche Regierung alles daransetzen, dass der DSC seine Aufgaben auch erfüllen kann. Die unterzeichnenden Organisationen dieses Briefes fordern
daher von der Bundesregierung:

  • Der deutsche Digital Services Coordinator muss von staatlichem Einfluss und – selbstverständlich – vom Einfluss der Plattformen und Wirtschaft unabhängig sein. Angesichts der Bedeutung seiner Aufgaben sollte er langfristig als eigenständige, unabhängige Behörde aufgebaut werden.
  • Er muss personell und finanziell so ausgestattet sein, dass er seiner immens wichtigen Aufgabe kompetent gerecht werden kann. Der DSC braucht ein angemessenes Budget, um zum einen die komplexen Risiken, die von Plattformen ausgehen, zu erforschen, und um Forschungsvorhaben von Zivilgesellschaft und Wissenschaft zu unterstützen.
  • Der DSC muss zentrale Anlaufstelle sein für alle Anfragen, die seine Aufgaben berühren: für Beschwerden von Betroffenen, Auskunftsersuchen von zivilgesellschaftlichen Organisationen und Wissenschaft, und Anfragen vom ersten Kontakt an bis zum endgültigen Ergebnis. Der DSC muss so ausgestattet und die Verfahren müssen so organisiert sein, dass die Belange zügig, kompetent und direkt bearbeitet werden können.
  • Die Zivilgesellschaft und Wissenschaft mit ihrer Expertise und als Interessenvertretung muss in den Entscheidungsprozessen des DSC konsultiert
    werden, um die Belange der Gesellschaft und Betroffener angemessen zuberücksichtigen. Die Beteiligung muss gesetzlich verankert werden. Im Dialog müssen wirkungsvolle Verfahren definiert und dauerhaft umgesetzt werden.
  • Der DSC sollte sich für einen umfassenden, praxisnahen und unbürokratischen Zugang zu Plattformdaten, für die demokratische Zivilgesellschaft und Wissenschaft, einsetzen.
  • Der DSC muss der öffentlichen Kontrolle unterliegen, um Vertrauen und Bewusstsein für seine Arbeit zu stärken. Dazu ist es zum einen essenziell, seine Wirkung und Arbeitsweise regelmäßig und unabhängig zu evaluieren und die Ergebnisse zu veröffentlichen. Zum anderen braucht es eine proaktive, umfassende und vielfältige Kommunikation seiner Aktivitäten und Ergebnisse sowie Aufklärung über den DSA und die daraus resultierenden Rechte für Verbraucher*innen.

Hintergrund

1. Einen unabhängigen und durchsetzungsstarken DSC aufbauen

Der Aufbau des DSC sollte als Chance begriffen werden, die Plattformaufsicht in Deutschland zukunftsweisend und wirkungsvoll aufzustellen, Zuständigkeiten zwischen den beteiligten Behörden und ihm klar gesetzlich zu verteilen und vorhandene Kompetenzen zu bündeln. Der DSC ist zentrale Beschwerdestelle für Nutzende der Plattformen und erste Anlaufstation für Wissenschaftler*innen, die zu sehr großen Plattformen forschen möchten.

Darüber hinaus akkreditiert er vertrauenswürdige Hinweisgeber*innen („trusted flagger“), also zivilgesellschaftliche Organisationen, die Nutzenden helfen, sich im Dickicht der Inhaltemoderation zurechtzufinden. Nicht zuletzt ist er für die Aufsicht über Plattformen zuständig, die unter der VLOP-Schwelle (Very Large Online Platforms) liegen. Auf europäischer Ebene sollte sich der DSC, in der Zusammenarbeit mit der EU-Kommission und anderen Digital Services Coordinators, für eine effektive Aufsicht stark machen.

Um seiner bedeutsamen Rolle bei der Plattformaufsicht gerecht und als vertrauenswürdige Instanz wahrgenommen zu werden, muss der DSC sowohl von staatlichen Stellen als auch von wirtschaftlichen Akteuren, insbesondere Plattformen, unabhängig sein. Er darf nicht inhaltlicher bzw. fachlicher Weisung und Kontrolle unterliegen. Langfristig halten wir eine spezialisierte, eigenständige Behörde für sinnvoll. Bei vielen zukünftigen nationalen und europäischen Regeln zu Plattformen, KI und Datenökonomie wird sich die Frage stellen, wer die wachsenden Regelwerke durchsetzen kann. Eine dafür eigens eingerichtete Behörde, mit dem DSC als Grundstein, ist langfristig die beste Lösung.

Es ist essenziell, dass durch den Aufbau des DSC nicht noch mehr Bürokratie, Kompetenzgerangel und doppelte Arbeit entsteht. Im Gegenteil: Wenn der DSC als praxisnahe, gut vernetzte, unabhängige und ehrgeizige Agentur für Plattformaufsicht auftritt und er mit ausreichend Mitteln, Personal und der notwendigen Expertise ausgestattet wird, 3 kann er am besten dafür sorgen, dass der DSA tatsächlich für mehr Transparenz im Onlineumfeld sorgt und Rechte der Nutzer*innen stärkt.

Bereits 2023 sollte der Gesetzgeber dafür sorgen, benötigte Strukturen, Arbeitsweisen und Netzwerke für den DSC aufzubauen, um die Umsetzung des DSA ab Februar 2024 nicht unnötig zu verzögern. Finanzmittel sollten also noch in diesem Haushaltsjahr für den zügigen Aufbau bereitgestellt werden. Generell muss sichergestellt werden, dass der DSC finanziell und auch personell so ausgestattet wird, dass er seiner immens wichtigen Aufgaben kompetent gerecht werden kann. Auch die finanzielle Unterstützung von Forschungsvorhaben der Zivilgesellschaft und Wissenschaft sollte angemessen budgetiert werden.

2. Den DSC als zuverlässige Ansprechstelle für Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Verbraucher*innen etablieren

Zivilgesellschaftliche und wissenschaftliche Organisationen haben seit langer Zeit wichtige Beiträge zur Plattformaufsicht in Deutschland geleistet. Sie klären über Diskriminierung und Desinformation im Netz auf, forschen dazu, wie Grund- und Menschenrechte verletzt werden, legen undurchsichtige Werbepraktiken offen, begleiten Betroffene. Für die Umsetzung des Digital Services Act ist diese Expertise unersetzlich. Weitere Forschungsvorhaben sollten unterstützt werden, zumal der DSA an vielen Stellen ausdrücklich auf den Einbezug zivilgesellschaftlicher Organisationen setzt.

Der DSC wird nur erfolgreich und allseits akzeptiert sein, wenn er aktiv den Schulterschluss mit Wissenschaft und Zivilgesellschaft sucht. Für einen transparenten, strukturierten und dauerhaften Austausch mit externen Stellen sollten bedarfsorientierte Dialog- und Mitbestimmungsformate entwickelt und getestet werden. Regelmäßige Konsultationen mit Zivilgesellschaft und Wissenschaft unterstützen dabei, die vorhandene Expertise zielgerichtet aufzugreifen. Der DSC sollte ein inklusives, fachkundiges und diverses Netzwerk aus Expert*innen und Praktiker*innen aufbauen und in seine behördliche Arbeit integrieren. Eine Stabsstelle für den Netzwerkaufbau und die Beteiligung sollte beim DSC etabliert werden.

Der DSC wird ebenso eine einflussreiche Rolle einnehmen, wenn es darum geht, Forschenden den im DSA zugesprochenen Zugang zu Daten sehr großer Plattformen zu ermöglichen. Sofern Forschungsanfragen nach Datenzugang weitergeleitet werden müssen – etwa nach Irland – müssen die Anfragen fundiert für die Weiterverarbeitung eingeordnet werden. Zugleich sollte sich der DSC für einen umfassenden, praxisnahen und unbürokratischen Zugang zu Plattformdaten, für die demokratische Zivilgesellschaft und Wissenschaft, einsetzen. Grenzüberschreitende Forschung zu fördern, ist relevant. Die deutsche Bundesregierung sollte sich auf europäischer Ebene dafür einsetzen, dass vertrauenswürdige Forschende außerhalb der EU, die mit Forschenden in der EU kooperieren, Datenzugang erhalten können.

Der DSC sollte als eine zentrale Stelle aufgebaut werden, um die Einhaltung des DSA zu überwachen und durchzusetzen. Er sollte die Beschwerden und Anfragen der Nutzenden und 4 verschiedener Stakeholder*innen vom ersten Kontakt an bis zum finalen Ergebnis begleiten. Der DSC muss so ausgestattet und die Verfahren müssen so organisiert sein, dass die Belange zügig, kompetent und direkt bearbeitet werden können. Nur so können die Rechte und Bedürfnisse von Verbraucher*innen, Zivilgesellschaft und Wissenschaft angemessen adressiert und die Legitimität des DSC gestärkt werden.

3. Eine transparente Arbeitsweise und vielfältige, proaktive Kommunikation nach außen sicherstellen

Dadurch dass der DSC eine besondere Rolle für die Durchsetzung der Rechte von Verbraucher*innen spielen und die systemischen Risiken von Plattformen aus gesellschaftlicher Perspektive betrachten wird, sollte er Verbraucher*innen im speziellen und die Öffentlichkeit im Allgemeinen umfassend und proaktiv über seine Arbeit informieren. Die Arbeitsweise muss umfassend, transparent und nachvollziehbar nach außen kommuniziert werden – dazu gehört auch eine unabhängige, wiederkehrende Evaluation der Wirksamkeit des DSC, die in einem Bericht veröffentlicht werden muss. Daraus sollten Schlussfolgerungen für die Praxis abgeleitet werden, um die Arbeit des DSC mit Bezug zu den Anforderungen aus der Praxis und im Einklang mit den technischen Entwicklungen der Plattformen stetig weiterzuentwickeln.

Über die Prozesse, Ergebnisse und Erkenntnisse seiner Arbeit sollte der DSC neben dem im DSA geforderten Transparenzbericht hinaus vielfältig aufklären: Die Öffentlichkeit, Medien und Politik sollten durch verschiedene Instrumente wie Veranstaltungen, Vorträge, Kampagnen und regelmäßige Publikationen für unterschiedliche Zielgruppen eingebunden werden. Dadurch kann ein Bewusstsein für die Bedeutung des DSA und die Entwicklungen im Bereich der Plattformregulierung entstehen.

Weitere Informationen

Pressekontakt: kontakt@hateaid.org, Tel. 030 252 088 37

HateAid zeichnet diesen Brief zusammen mit Algorithm Watch, Amadeu Antonio Stiftung, Digitale Gesellschaft, Democracy Reporting International, D64 – Zentrum für Digitalen Fortschritt e. V., Institute for Strategic Dialogue, Lobby Control, Mozilla, Open Knowlege Foundation DE, Reporter ohne Grenzen, Stiftung Neue Verantwortung und Wikimedia.

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