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Stellungnahme zum Gesetzentwurf zur Änderung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes

Das NetzDG hat seit seiner Einführung am 01.09.2017 immer wieder für kontroverse Diskussionen gesorgt. Dabei ging und geht es vor allem weiterhin um die zentrale Frage, inwiefern die Meinungsfreiheit durch dieses Gesetz gewahrt oder beschnitten wird. Ziel des Gesetzes war zunächst die Entfernung von nach deutschem Recht rechtswidrigen Inhalten aus den Netzwerken. Um dies umzusetzen, wurden den sozialen Netzwerken Pflichten und bei Nichterfüllung Sanktionen auferlegt. Große Sorge gab es darüber, ob Netzwerke nun aus Angst vor Sanktionen übermäßig löschen würden und wie sich Nutzer*innen gegen eine unberechtigte Löschung wehren können.

Gleichzeitig gab es aufgrund der zunehmenden Instrumentalisierung der Netzwerke durch rechte und rechtsextremistische Propagandagruppen, die gezielt Menschen einschüchtern und aus dem öffentlichen Diskurs herausdrängen, großen Handlungsdruck. Denn diese massiv invasiven politischen Guerillataktiken zeigen in aktuellen Studien schon eine erhebliche Wirkung – und zwar auch auf die Meinungsfreiheit. Denn eine Mehrheit der Internetnutzer*innen begann sich selbst bei bestimmten Themen in den sozialen Netzwerken zu zensieren aus Angst selbst Opfer von digitaler Gewalt zu werden.

In diesem Spannungsfeld bewegt sich das NetzDG und der Ausgleich im Sinne der Meinungsfreiheit aller Nutzer*innen ist und bleibt die große Herausforderung des Gesetzesentwurfes. Klar ist, dass es Reformen geben musste, viele haben sich aus der Praxis ergeben. In dem jetzt vorliegenden Entwurf sind gute Ansätze zur Stärkung der Rechte von betroffenen Nutzer*innen zu erkennen, die es zum Ziel haben, den Nutzer*innen vermehrt Kontrolle über die Inhalte zu geben. Deswegen ist es umso bedauerlicher, dass die konkrete Ausgestaltung der Maßnahmen teilweise nur zaghaft, wenig aussagekräftig und mitunter auch nur oberflächlich erfolgte. Die Folge: Viele Regelungen sind zwar bedacht, werden aber in der Praxis ins Leere laufen, wenn der Gesetzgeber diese nicht noch einmal konkretisiert und mit der juristischen Praxis abgleicht. Dies gilt vor allem für die Effizienz der Rechtsdurchsetzung und die Nachvollziehbarkeit von Entscheidungen und Prozessen bei Netzwerken. Es betrifft aber auch maßgeblich die Transparenzberichte, die den Netzwerken weiterhin große Spielräume einräumen, um zu definieren was hineingelangt.

Zu begrüßen sind auch die Bemühungen, Regularien zur Überprüfung von Löschentscheidungen einzuführen. Diese müssen aber für Nutzer*innen eindeutig erkennbar und simpel anwendbar sein, anstatt ein Nebeneinander verschiedener Instrumente zu schaffen, die eher abschreckend, wirken könnten. Gleiches gilt für die Regelung zur Auskunft von Daten mutmaßlicher Täter*innen. Hier muss der Gesetzgeber sicherstellen, dass völlig klar ist, welche Daten Strafverfolgungsbehörden und Geschädigte bekommen, und dass diese Daten dann auch zur Identifikation von Täter*innen führen und nicht völlig wertlos sind. Weiterhin ist es elementar, dass sichergestellt wird, dass sich die Netzwerke dem NetzDG nicht durch Anwendung von Gemeinschaftsstandards oder den Verweis auf eine Datenspeicherung im Ausland entziehen können.

Ein weiterer zentraler Punkt: Die großen zumeist US-amerikanischen Netzwerke haben mit ihren sogenannten Gemeinschaftsstandards, Algorithmen und Strukturen ein Parallelsystem zu unserem Rechtssystem geschaffen. An nationales Recht sehen sie sich weiterhin kaum gebunden. Das hat zur Folge, dass noch immer der weitaus größte Teil von Inhalten nicht etwa deshalb gelöscht wird, weil sie gegen deutsches Recht verstoßen. Die Content-Entscheidungen erfolgen vielmehr nach den Gemeinschaftsstandards. Die Prüfung aufgrund dieser plattforminternen Regelungen wird der Prüfung auf Grundlage des deutschen Rechtes nach NetzDG sogar in der Regel vorangestellt. Hinzu kommt, dass die Netzwerke selbst Inhalte mithilfe künstlicher Intelligenz (KI) herausfiltern, überprüfen und löschen. Welche Maßstäbe hier angelegt werden, ist der Öffentlichkeit kaum bekannt. Daher sollte unseres Erachtens ein Vorrang des NetzDG vor den Gemeinschaftsstandards der Netzwerke unmissverständlich im Gesetz artikuliert werden. Eine nachfolgende Prüfung nach Gemeinschaftsstandards ist den Netzwerken dabei unbenommen. Die Prüfung nach NetzDG – also nach deutschem Recht – sollte aber Priorität haben.

Hinzu kommt, dass für Telemedien zwingend das Marktortprinzip eingeführt werden sollte, denn nur so kann eine Identifikation von Täter*innen auch in Deutschland durch Auskunftsersuchen im Zivilprozess oder Strafverfahren sichergestellt werden. Denn bisher berufen sich die Netzwerke gegenüber Gerichten und Strafverfolgungsbehörden meist darauf, dass die begehrten Daten nicht in Deutschland, sondern in Irland oder den USA gespeichert seien und daher im Inland nicht beauskunftet werden könnten. Solange dies der Fall ist, droht jede nationale Verpflichtung zur Mitwirkung zwangsläufig ins Leere zu laufen. Die Netzwerke haben in der Vergangenheit gezeigt, dass ihnen nicht daran gelegen ist, an der Rechtsdurchsetzung mitzuwirken. Die Herausgabe von Daten erfolgt höchst selten und unsystematisch. Die angeblichen rechtlichen Risiken, die die Netzwerke in Bezug auf eine Datenherausgabe anführen, ließen sich aus unserer Sicht leicht ausräumen, z.B. durch eine Anpassung der Gemeinschaftsstandards. Dennoch wurden diesbezüglich keinerlei Anstrengungen unternommen. Nur durch die Einführung des Markortprinzips kann eine zuverlässige Rechtsdurchsetzung gewährleistet werden. Denn auf die Weise würden die sozialen Netzwerke verpflichtet, Daten der inländischen Geschäftstätigkeit im Inland vorzuhalten und somit auch aus Deutschland heraus zu beauskunften.

Schließlich sind noch einige Regelungslücken verblieben, die das Verhältnis zwischen Nutzer*innen und Netzwerken betreffen. Es empfiehlt sich hier, sich am Urheber- und im Datenschutzrecht zu orientieren. Einige Lösungsansätze, die z.B. im Urheberrecht für die Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche gefunden wurden, könnten als Blaupause auch für die Rechte der Nutzer*innen Sozialer Medien dienen.

Klar ist: Die Kontroverse um das NetzDG wird dieser neue Entwurf nicht auflösen können. Er kann aber dafür sorgen, dass viele Unklarheiten und Interpretationsmöglichkeiten beseitigt werden und die Rechte der Nutzer*innen – sowohl der Betroffenen von Digitaler Gewalt als auch derjenigen, deren Inhalte zu Unrecht entfernt wurden – gestärkt werden. Dafür braucht es aber konkrete Nachbesserungen mit Blick auf die Effekte und Durchsetzbarkeiten in der Praxis. Vorschläge dafür wollen wir in dieser Stellungnahme dank unserer Expertise aus der konkreten Arbeit mit Betroffenen und der Rechtsdurchsetzung im Zivilrecht ausführen.

Die gesamte Stellungnahme kann über den untenstehenden Button heruntergeladen werden.

Pressekontakt: presse@hateaid.org, Tel. 030 / 252 088 37

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