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Freie Forschung in Gefahr

Der Datenanalyst Travis Brown erforscht, wie Social-Media-Plattformen funktionieren. In seinen Recherchen deckt er dabei auf, dass Rechtsextreme auf der Plattform X, ehemals Twitter, ungehindert Hass und Desinformation verbreiten. Statt konsequent dagegen vorzugehen, sperrt X wiederholt seinen Account. Der Vorwurf: unzulässige Datenerhebung. Deshalb ging HateAid gemeinsam mit Brown gegen X vor Gericht. Das Ziel: Der Analyst sollte seinen Account zurückbekommen und freie Forschung ermöglicht werden.

Das Urteil

Hürden vor Gericht

Das Gericht hat sich jedoch nicht mit der Frage des Datenzugangs befasst. Denn es hat seine Zuständigkeit in diesem Fall abgelehnt und erklärte, dass die Gerichte am Standort der Plattform zuständig seien. Wir gingen in die zweite Instanz, doch auch das Kammergericht Berlin wies die Zuständigkeit ab. Das bedeutet nun, dass Brown seinen Anspruch auf Entsperrung seines Accounts vor einem Gericht in Irland durchsetzen müsste. Auch für viele andere Nutzende, die juristisch gegen Plattformen vorgehen möchten, steht im Raum, dass sie das nur am Sitz des jeweiligen Unternehmens tun können.

Das Problem dabei sind die enormen Hürden. Zum Beispiel die Suche nach einer rechtlichen Vertretung im Ausland, Sprachbarrieren oder die hohen Kosten von 150.000 bis 300.000 Euro pro Klage. Für Travis Brown und viele andere Betroffene ist das nicht tragbar. Auch für eine Organisation wie unsere ist ein Verfahren vor irischen Gerichten kaum zu bewältigen. Aus diesem Grund werden wir keine Klage in Irland einreichen und können den Fall von Travis Brown leider nicht weiterführen.

Wie es weitergeht

Forderungen an die EU

Wir wenden uns mit einem Schreiben an die Europäische Kommission. Unsere Forderung: Nutzende müssen Social-Media-Plattformen an ihrem Wohnsitz verklagen können. Die EU muss sicherstellen, dass die Rechte von Nutzer*innen nicht nur auf dem Papier gelten, sondern unter zumutbaren Bedingungen von Betroffenen tatsächlich eingefordert werden können. Social-Media-Plattformen wie X haben ohnehin eine rechtliche Vertretung in Deutschland und somit die Mittel, Prozesse in den Gerichten vor Ort zu führen. Betroffene haben diese Ressourcen für eine Klage im Ausland oft nicht.

Foto vom Gebäude der Europäischen Kommission mit drei EU-Flaggen im Vordergrund.

Die EU-Kommission kann und muss jetzt handeln. Deswegen erhöhen wir den Druck auf die EU-Politiker*innen zur konsequenten Umsetzung des DSA, um die Forschungsfreiheit zu garantieren. Foto: Shutterstock/MDart10

Der Fall Travis Brown

Worum es geht

Im Juli 2023 hatte X den Account des Datenanalysten Travis Brown ohne Vorwarnung gesperrt. Brown erwirkte daraufhin gemeinsam mit HateAid eine einstweilige Verfügung gegen X. Sein Account wurde wieder freigeschaltet. Begründet wurde dies damit, dass Brown durch X nicht angehört wurde und die Account-Sperre ohne eine ausreichende Begründung erfolgt sei.

Im Oktober 2023 wurde Browns Account erneut gesperrt – dieses Mal mit Vorwarnung und der Nennung von angeblichen Verstößen gegen die Richtlinien der Plattform. Auch hiergegen reichte Brown mit der Unterstützung von HateAid einen Antrag auf einstweilige Verfügung ein. Mit überraschendem Ergebnis: Das Landgericht Berlin wies die Klage ab, da es sich für unzuständig hält. Dagegen legte Travis Brown Beschwerde ein. HateAid übernahm die Kosten des Verfahrens und der anwaltlichen Vertretung im Rahmen der Prozesskostenfinanzierung.

Anna-Lena von Hodenberg, Geschäftsführerin HateAid

Foto: HateAid

„Es ist brandgefährlich, wenn unabhängige Forschung und Berichterstattung auf sozialen Netzwerken nicht mehr stattfinden können. Gerade vor wichtigen Wahlen sehen wir immer wieder, dass Rechtsradikale massiv in den sozialen Netzwerken mobilisieren und Desinformation verbreiten. Wir unterstützen Travis Brown stellvertretend für alle Forschenden, die öffentlich machen, wie es hinter den Kulissen auf den Plattformen zugeht. Denn nur wenn wir wissen, was dort passiert und wer wie agiert, können wir unsere Demokratien überhaupt davor schützen.”

Anna-Lena von Hodenberg, Geschäftsführerin bei HateAid

Unser Ziel

Dafür setzen wir uns ein

Wir wollen zeigen, dass Plattformen wie X unliebsame Personen nicht willkürlich sperren können. Damit wollen wir nachhaltig die Arbeit von Forschenden stärken. Die erhobenen Daten sind entscheidend, damit wir gegen Desinformation und Hass vorgehen können. Forschende müssen daher vor den Einschüchterungsversuchen der Plattformen geschützt werden.

Bisher ist ein Vorgehen gegen die Plattformen in diesen Fällen mit einem enormen Kostenrisiko verbunden, das viele Betroffene nicht tragen können. Deshalb muss die EU-Kommission dafür sorgen, dass Nutzende in der Lage sind, Social-Media-Plattformen an ihrem Wohnsitz zu verklagen. Andernfalls können sie sich aufgrund der hohen Hürden kaum gegen willkürliche Entscheidungen der Plattformen wehren.

Warum jetzt?

Kritische Stimmen werden ausgesperrt

Die Chefs der Social-Media-Plattformen gehen immer häufiger gegen Forschende vor. So klagt X etwa in den USA gegen die Nichtregierungsorganisation Center for Countering Digital Hate wegen der Veröffentlichung mehrerer Berichte, die eine Zunahme von Hassrede auf der Plattform aufzeigen.

Die Organisation AlgorithmWatch sah sich angesichts einer drohenden Klage sogar gezwungen, ein Projekt zu Metas Plattform Instagram einzustellen.

Die Gefahr: Aus Angst vor Einschüchterungsklagen mit teuren Anwält*innen, die sie in hunderten Seiten Schriftsätzen ersticken, könnten Forschende wichtige Informationen bald gar nicht mehr veröffentlichen.

Diese Erkenntnisse brauchen wir aber dringend, um Hass, Desinformation und Extremismus begegnen zu können.

Silke Muelherr, Co-CEO & Head of External Relations Alfred Landecker Stiftung

Foto: Wolf Lux / Alfred Landecker Foundation

„Social-Media-Plattformen sind Teil des öffentlichen Raums, in dem politische Meinungsbildung und Agenda Setting stattfinden. Darum erfüllen die Plattformen eine demokratische Funktion – und es kann und darf uns nicht egal sein, wenn Extremist*innen und Antisemit*innen dort ungehindert mobilisieren.”

Silke Mülherr, Co-CEO der Alfred Landecker Foundation

Alfred Landecker Foundation

Der Prozess wurde als Teil des Landecker Digital Justice Movement verwirklicht – einer Initiative von HateAid und der Alfred Landecker Foundation.

Logo der Alfred Landecker Foundation
Häufige Fragen zum Prozess

Travis Brown ist ein Software Developer und Datenanalyst aus den USA. Er ist seit 2007 auf X, ehemals Twitter, aktiv und lebt inzwischen in Berlin.

Zwischen 2014 und 2015 hat Brown selbst als Open Source Advocate bei X gearbeitet. Seit 2021 entwickelt Brown Open-Source-Programme, die Hassrede auf der Plattform verfolgen und anhand frei verfügbarer Daten Statistiken erheben.

Die Ergebnisse seiner Arbeit werden weltweit von großen Nachrichtensendern wie BBC oder CNN zitiert.

Browns Ziel ist es, anhand der erhobenen Daten zu untersuchen, inwieweit sich X zu einer Plattform der rechtsextremen Szene entwickelt hat.

Bei einer einstweiligen Verfügung handelt es sich um eine vorläufige Entscheidung eines Gerichts in einem Eilverfahren. Damit sollen Ansprüche gesichert oder streitige Rechtsverhältnisse geregelt werden, bis das Gericht eine endgültige Entscheidung getroffen hat.

Eine einstweilige Verfügung kann in dringenden Fällen innerhalb weniger Tage oder Wochen ergehen.

In diesem Fall kommen drei Gerichtsstände in Betracht: Deutschland, Irland und die USA. Travis Brown lebt in Berlin, hat seinen Account bei X, ehemals Twitter, allerdings noch in den USA erstellt. Zudem sitzt die Twitter-Zentrale für den europäischen Raum in Dublin.

Für die Frage der Zuständigkeit ist relevant, wo der Erfüllungsort für den Vertrag zwischen Brown und X liegt und ob es sich bei Brown um einen Verbraucher im Sinne des europäischen Rechts handelt.

In beiden Fällen handelt es sich um sehr komplexe Rechtsfragen.

Was hier jedoch verwundert: Im ersten Verfügungsverfahren hat das Landgericht Berlin sich für zuständig erachtet. Der zweite Antrag wurde hingegen wegen Unzuständigkeit abgelehnt.

X argumentiert, dass Brown durch das Sammeln und Auswerten von Daten zur Nutzung und Funktion von X gegen die Richtlinien der Plattform verstoßen habe. Brown hat jedoch mit den von ihm entwickelten Open-Source-Programmen gar nicht auf die originären Datenbestände von X zurückgegriffen.

Stattdessen arbeitet Brown mit den Daten einer „WayBackMachine”. Dabei handelt es sich um ein Internet-Archiv, in dem verschiedene Versionen und Zustände von Webseiten der ganzen Welt gespeichert werden.

Die Forschungsarbeit von Brown unterliegt aus diesem Grund nicht den Regeln von X und kann deswegen nicht dagegen verstoßen.

Tatsächlich handelt es sich bei dem Vorgehen gegen Brown um einen klaren Einschüchterungsversuch. Forschende wie Brown sollen so von der Plattform vertrieben werden und ihre Arbeiten einstellen.

Der Digital Services Act ist eine neue Verordnung der Europäischen Union, die Online-Plattformen regulieren und die Verbreitung von Desinformationen und digitaler Gewalt reduzieren soll.

Online-Plattformen sind z. B. soziale Medien oder Suchmaschinen, die den Nutzenden die Verbreitung von eigenen Inhalten ermöglichen (z. B. Facebook, YouTube oder Google). Diese Plattformen müssen sich mit Inkrafttreten des DSA an neue Regeln halten, beispielsweise müssen sie das Melden von strafbaren Inhalten erleichtern und regelmäßige Transparenzberichte abgeben.

Zusätzlich muss jeder Mitgliedsstaat der EU eine eigene Koordinierungsstelle für digitale Dienste einrichten, die die Einhaltung der neuen Regularien überwacht. Der Digital Services Act gilt für alle Online-Plattformen seit Februar 2024. Unseren Guide zum DSA findest du hier.

Große Online-Plattformen haben einen immensen Einfluss auf unser Kommunikations- und Informationsverhalten. Allerdings fördern sie gleichzeitig die rasante Verbreitung von Hatespeech, Desinformationen und anderen Formen digitaler Gewalt.

Um diesen Gefahren begegnen zu können, braucht es belastbare Erkenntnisse über die Funktionsweise und Risiken von Online-Plattformen sowie deren algorithmischer Systeme. Forschenden wird der Zugang zu den relevanten Daten durch die Plattformen jedoch immer wieder verwehrt.

In Art. 40 Absatz 4 des DSA wird geregelt, dass die Plattformen es Forschenden unter bestimmten Voraussetzungen ermöglichen müssen, auf diese Daten zuzugreifen. So soll sichergestellt werden, dass Forschungsarbeiten zur Ermittlung systemischer Risiken tatsächlich durchgeführt werden können.

Diese Regelung ist jedoch sehr restriktiv und es bestehen noch viele Unklarheiten, etwa darüber, ab wann und auf welche Weise Forschende Datenzugang beantragen können.

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