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HateAid Hürdenlauf zum Gesetz gegen digitale Gewalt - Aktion vor dem Bundestag. Zu sehen ist im Hintergrund das Reichstagsgebäude sowie im Vordergrund ein Schild mit der Aufschrift "Mei, ist halt das Internet (Polizist, Bayern)"

Gesetz gegen digitale Gewalt: HateAid fordert Abbau rechtlicher Hürden für Betroffene

Ungewöhnliche Aktion: HateAid stellt heute einen begehbaren Hindernisparcours vor dem Deutschen Bundestag auf. Mit Sport hat das allerdings nichts zu tun. Die Menschenrechtsorganisation macht so vielmehr sichtbar, auf welche Hürden Betroffene von digitaler Gewalt bei der Durchsetzung ihrer Rechte stoßen. Zwar gibt es Möglichkeiten, sich gegen digitale Gewalt zu wehren, aber das Recht auch wirklich zu bekommen, ist für viele eine Mammutaufgabe. Doch das muss nicht so bleiben: Das Bundesministerium der Justiz will in Kürze einen Entwurf für ein Gesetz gegen digitale Gewalt vorlegen. Damit hat die Politik die historische Chance, die Situation von Millionen von digitalen Nutzer*innen zu verbessern. HateAid fordert daher jetzt mit der Aktion und einer Petition im Gesetzentwurf substanzielle Veränderung statt reiner Kosmetik.

In überdimensionaler Größe sind sie vor dem Parlament aufgebaut: eine mehr als zehn Meter lange Rechnung, ein enger Pfad und nicht funktionierende Briefkästen. Jede einzelne Installation steht für eine Hürde, die Betroffene davon abhält, juristisch gegen digitale Gewalt vorzugehen: ein hohes Kostenrisiko, langwierige Gerichtsverfahren, undurchsichtige und ineffektive Prozesse. Dass Geschädigte nur sehr schwer zu ihrem Recht kommen, hat massive Auswirkungen: Während Täter*innen in zu vielen Fällen straffrei bleiben und ihren Hass ungehindert im Netz verbreiten, ziehen sich diejenigen, die der Gewalt ausgesetzt sind, immer mehr aus digitalen Debatten zurück. Umfragen zeigen: Nur rund drei Prozent der Betroffenen in Europa gehen tatsächlich vor Gericht. Mit dem Gesetz gegen digitale Gewalt soll sich das künftig ändern. Das Bundesjustizministerium hat bereits im April ein entsprechendes Eckpunktepapier veröffentlicht. Für HateAid geht dieses jedoch noch nicht weit genug.

Dazu Josephine Ballon, Geschäftsführerin von HateAid:  
 
„Die Bedingungen, unter denen sich Betroffene digitaler Gewalt juristisch zur Wehr setzen können, sind unzumutbar. Gerichtsverfahren sind mit Kostenrisiken von mehreren tausend Euro und Wartezeiten von bis zu einem Jahr verbunden – und das bei höchst unsicheren Erfolgsaussichten. Zugang zum Recht gibt es so nur für diejenigen, die viel Geld und einen langen Atem haben. Auf diese Weise verkommt der Rechtsstaat im Internet zur Worthülse. Um das zu ändern, braucht es weit mehr als die bisherigen Pläne, die das neue Gesetz vorsieht.“    

In der an die heutige Aktion anschließenden Petition fordert HateAid daher vom Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags:

Auskunftsansprüche verbessern: Es muss einfacher werden, vor Gericht an die Identität der Täter*innen zu gelangen. HateAid befürwortet, dass künftig ein Auskunftsausspruch nicht nur gegen ein soziales Netzwerk, sondern auch gegen die Anbietenden von Internetzugangsdiensten bestehen soll. Die Auskunft sollte allerdings so ausgestaltet sein, dass Betroffene dafür nur ein Verfahren führen müssen. 

Erreichbarkeit der Online-Plattformen einfordern: YouTube, TikTok und Co. müssen auch in Deutschland erreichbar sein. Deswegen sind zustellungsbevollmächtigte Stellen der Plattformen im Inland unbedingt erforderlich.

Rechtliche Schritte für Betroffene erleichtern: Hohe Kosten und aufwendige Verfahren schrecken Betroffene ab. So sollte etwa die bisherige Kostenregelung dringend überarbeitet werden. Bislang kostete in allen von HateAid unterstützten Verfahren die Auskunft zur Identität von Täter*innen rund 1.000 Euro pro Äußerung. HateAid fordert daher eine Herabsenkung der Kosten und eine Klarstellung, dass die Anwaltskosten der jeweiligen Gegenseite nicht übernommen werden müssen.

Das Gesetz gegen digitale Gewalt soll die private Rechtsdurchsetzung in diesem Bereich verbessern. HateAid hatte sich in einer Stellungnahme bereits intensiv mit den bisherigen Vorschlägen des Bundesjustizministeriums befasst. Für die gemeinnützige Organisation gehen die bisherigen Pläne der Bundesregierung in die richtige Richtung, bedürfen jedoch weiterer Konkretisierung und schöpfen nicht alle Möglichkeiten aus. Im nächsten Schritt des Gesetzgebungsprozesses kommt es dabei auf die Abgeordneten des Deutschen Bundestags und insbesondere den für das Thema zuständigen Rechtsausschuss an. Diese wie auch Mitglieder des Deutschen Bundestags und Passant*innen sind eingeladen, den Hürdenlauf selbst zu beschreiten, um sich ein eigenes Bild zu machen.

Zu den Erstunterzeichner*innen der Petition zählen unter anderem die Politikerin Sawsan Chebli, die Content-Creator Elevator Boys, die Moderatorinnen Ruth Moschner und Mareile Höppner, Aktivistin Luisa Neubauer, Rechtsanwalt Chan-jo Jun, Autor Jakob Springfeld, die Alfred Landecker Foundation, die Amadeu Antonio Stiftung und der Deutsche Juristinnenbund.

Fotos von der heutigen Aktion vor dem Deutschen Bundestag sind ab ca. 16 Uhr hier abrufbar.

Die Aktion wird pro bono von der Agentur Panorama3000 unterstützt.

HateAid gGmbH

Die gemeinnützige Organisation HateAid wurde 2018 gegründet und hat ihren Hauptsitz in Berlin. Sie setzt sich für Menschenrechte im digitalen Raum ein und engagiert sich auf gesellschaftlicher wie politischer Ebene gegen digitale Gewalt und ihre Folgen. HateAid unterstützt Betroffene von digitaler Gewalt konkret durch Beratung und Prozesskostenfinanzierung. Geschäftsführerinnen sind Anna-Lena von Hodenberg und Josephine Ballon. 

HateAid ist Trägerin der Theodor-Heuss-Medaille 2023.  

Im Rahmen des Landecker Digital Justice Movements finanziert HateAid Grundsatzprozesse gegen Online-Plattformen, um grundlegende Nutzer*innenrechte gerichtlich klären zu lassen.

Pressekontakt: presse@hateaid.org, Tel. +49 (0)30 25208837

Pressematerial


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