HateAid wirkt.
Unsere politischen Forderungen
Wir wollen, dass das Netz ein Raum wird, in dem sich Menschen austauschen und gerne auch in der Sache streiten dürfen. Was wir aber nicht akzeptieren, ist, dass hier das Recht der Stärkeren gilt. Dass die, die am lautesten schreien, dass die, die verleumden, bedrohen und diffamieren am Ende diejenigen sind, deren Stimmen übrigbleiben, weil sie alle anderen verdrängt haben. Im Netz müssen unser aller Stimmen Platz haben und dafür wollen wir die Rechte derer stärken, die sonst keine Stimme haben.
Unsere Ziele
Jeden Tag unterstützen wir Betroffene von Hass im Netz. Damit sich aber grundlegend etwas ändert, sind wir mit Politik, Strafverfolgungsbehörden und der Zivilgesellschaft im Gespräch. Dabei fordern wir:
1. Zugang zum Recht für Betroffene verbessern
Das Internet ist kein rechtsfreier, aber derzeit viel zu oft ein rechtsdurchsetzungsfreier Raum. Das muss sich ändern.
Mit einem Gesetz gegen digitale Gewalt Hürden für Betroffene abbauen
Es muss Betroffenen in der Zukunft realistisch möglich sein, die Identität der Täter*innen zu ermitteln, um gerichtlich gegen sie vorgehen zu können. Der Gesetzgeber muss dafür sorgen, dass Betroffene mit nur einem einzigen Verfahren – sowohl bei sozialen Netzwerken als auch bei Internetzugangsdiensten – an die notwendigen Daten gelangen können.
Wir fordern außerdem, die Kosten für diese Art der Verfahren zu senken. Sinnvoll wäre etwa, einen festen Gegenstandswert zu bestimmen. Betroffene sollen nicht länger aufgrund zu hoher Kosten davor zurückschrecken, ein solches Auskunftsverfahren anzustreben.
Klare Zuständigkeiten unter den Gerichten in der EU schaffen
Wir fordern, dass Nutzende ihre Rechte unter zumutbaren Bedingungen durchsetzen können. Gerichte dürfen Verfahren gegen Plattformen nicht einfach ins Ausland verweisen, wo weder die Erfolgsaussichten noch die Kosten für Betroffene berechenbar sind. Die gerichtliche Durchsetzung von Nutzer*innenrechten sollte am Wohnort möglich sein.
Ein Beispiel: Eine Politikerin nutzt ihren Facebook-Account für ihre politische Arbeit. Facebook sperrt den Account und die Politikerin möchte gerichtlich gegen die Sperrung vorgehen. Nach derzeitiger Gerichtspraxis und Anwendung europäischen Rechts (EuGVVO) würde sie wahrscheinlich an irische Gerichte verwiesen werden.
Die Kosten eines Verfahrens in Irland sind jedoch um ein Vielfaches höher als in Deutschland. Es müsste eine irische Anwaltskanzlei gefunden und mandatiert werden. Zusätzlich handelt es sich in Irland um eine vollkommen fremde Rechtsordnung.
Faktisch bedeutet dies für die Politikerin, dass sie nicht mehr auf Facebook aktiv sein und ihre Wähler*innen dort erreichen kann. Für Nutzer*innen von Berufsplattformen wie LinkedIn würde das bedeuten, dass für sie ein Rechtsschutz in Deutschland wahrscheinlich ausgeschlossen ist.
Hintergrund ist der europäische Verbraucherbegriff. Wer Online-Plattformen nutzt, verwendet diese unter Umständen zu verschiedenen Zwecken. Nach der derzeitigen Gerichtspraxis kann niemand mehr Verbraucher*in sein, der*die jemals seine berufliche, politische oder aktivistische Tätigkeit in sozialen Medien thematisiert.
All diese Menschen könnten soziale Netzwerke nur noch in Irland verklagen, um z.B. ihre Profile entsperren zu lassen. Das traut sich so gut wie niemand zu und gibt den Plattformen freie Hand.
2. Plattformen zur Verantwortung ziehen
EU-Digitalgesetzgebung konsequent durchsetzen und weiterentwickeln
Wir haben es auf EU-Ebene geschafft: Der Digital Services Act (DSA) gilt. Die Online-Plattformen sind nach dem EU-Digitalgesetz verpflichtet, Risiken für die Gesellschaft u. a. durch die Anpassung ihrer Algorithmen sowie durch die Moderation von Inhalten zu minimieren.
Jede*r Nutzer*in hat seit Einführung des DSA z. B. das Recht, rechtswidrige Inhalte mithilfe plattforminterner Meldewege zu melden und Beschwerde bei der Plattform einzulegen, sollte die Plattform den Inhalt nicht entfernen.
Die Plattformen sind in der Pflicht, die Risiken, die von ihnen und ihrer Funktionsweise ausgehen, einzuschätzen und darzulegen, wie sie diesen Risiken begegnen wollen.
Dabei kann es etwa darum gehen, wie Algorithmen und die Verbreitung von Inhalten sich auf Wahlprozesse oder die Ausübung von Grundrechten auswirken.
Jetzt kommt es auf die Umsetzung des DSA durch die Plattformen und die Europäische Kommission an. Hier hakt es insbesondere in der Umsetzung durch die Plattformen: beispielsweise haben viele der großen Plattformen Meldewege, die alles andere als benutzerfreundlich sind, was jedoch vom DSA vorgeschrieben wird.
Auch die ersten von den Plattformen veröffentlichten Risikoberichte lassen wichtige Fragen offen und stellen die für die Öffentlichkeit dringend notwendige Transparenz nicht her. Die Kommission hat gegen eine Vielzahl der großen Plattformen bereits Verfahren aufgrund von Verstößen gegen den DSA eingeleitet.
Hier bleibt abzuwarten, ob die Instrumente des DSA zur Durchsetzung ausreichen und ob womöglich auch empfindliche Bußgelder verhängt werden. Der DSA ist ein guter Anfang, aber für ein sicheres und freies Internet wird es mehr brauchen als den bisher vorliegenden Gesetzestext.
3. Schutzlücken im Strafrecht schließen
Eigenständigen Straftatbestand schaffen, der die Herstellung von nicht-einvernehmlich erstellten sexualisierten Deepfakes erfasst
Mit wenigen Klicks lassen sich KI-generierte, täuschend echt wirkende Missbrauchsbilder und -videos (sog. nicht einvernehmliche sexualisierte Deepfakes) erstellen – oft mit frei zugänglichen „Nudification Apps“.
Gesetzlich ist dieser Missbrauch bisher kaum erfasst: § 201a StGB greift selten, § 33 KunstUrG nur als Auffangtatbestand. Die Verbreitung gefälschter Nacktaufnahmen darf nicht länger als Bagatelldelikt behandelt werden, sondern der Gesetzgeber muss einen eigenen Straftatbestand dafür schaffen, der auch die Herstellung von nicht einvernehmlich erstellten missbräuchlichen Deepfakes erfasst. Die Folgen für Betroffene sind zu gravierend.
4. Justiz und Strafverfolgungsbehörden gut ausstatten
Schwerpunktstaatsanwaltschaften und spezialisierte Abteilungen bei der Kriminalpolizei im Bereich digitale Gewalt schaffen und eine konsequente Strafverfolgung sicherstellen
Gerade im Bereich der Strafverfolgung braucht es ausgewiesene Expertise, um den diversen Formen digitaler Gewalt angemessen begegnen zu können. Bereits in der Ausbildung und in Fortbildungsangeboten bedarf es verpflichtender Module, um diese Expertise auszubauen.
In einigen Bundesländern wurde hier in den vergangenen Jahren schon viel erreicht. Es sollte aber nicht vom Wohnort der Betroffenen abhängen, ob sie an eine Strafverfolgungsbehörde geraten, die sensibilisiert und ausgestattet ist, um auch Formen von digitaler Gewalt strafrechtlich zu verfolgen.
Darüber hinaus brauchen wir bundesweit einheitliche Anzeigeformulare für Fälle digitaler Gewalt, die u.a. den Upload von Screenshots und Eingabe von URLs zulassen, sowie eine Anzeige ohne Angabe der Privatanschrift ermöglichen.
Informationen über den Ausgang des Verfahrens bereitstellen
Betroffene digitaler Gewalt werden aktuell nur auf Antrag (§ 406d StPO) über den Ausgang eines gerichtlichen Strafverfahrens informiert.
Nach der Anzeige erhalten sie zwar Informationen über die Einstellung des Verfahrens, jedoch oft keine oder unzureichende Auskünfte über dessen weiteren Verlauf oder Abschluss. Das schafft eine erhebliche Informationsungleichheit, die negative Folgen hat: Viele Betroffene haben den Eindruck, dass Strafverfahren nach der Anzeige häufig eingestellt oder nicht konsequent weiterverfolgt werden.
Um dem entgegenzuwirken, sollten Betroffene digitaler Gewalt auch ohne Antrag gemäß § 406d StPO über den Ausgang des Verfahrens informiert werden – es sei denn, sie verzichten ausdrücklich auf eine solche Mitteilung.
Alternativ sollte zumindest ein verpflichtender Hinweis auf die Möglichkeit der Antragstellung nach § 406d StPO erfolgen.
5. Engagierte schützen und unterstützen
Beratungsstellen stärken
Wie wird ein rechtssicherer Screenshot gemacht? Wo beantrage ich eine Melderegistersperre? Ist ein Dickpic strafbar? Es braucht geschulte und sensibilisierte Anlaufstellen wie HateAid, die Betroffenen von digitaler Gewalt Unterstützung bieten, die sie dringend benötigen.
Bisherige Förderungen sind in der Regel zu eng befristet und über eine Verlängerung wird meist zu kurzfristig entschieden, was den Organisationen und ihren Mitarbeitenden keine Planungssicherheit bietet.
Damit Beratungsstellen den Unterstützungsbedürfnissen auch in Zukunft gerecht werden können, bedarf es einer soliden und nachhaltigen Finanzierung, die eine langfristige Planung ermöglicht.
Parteiinterne Anlaufstellen schaffen
Besonders häufig von digitaler Gewalt betroffen sind politisch engagierte Personen, von der Bundespolitikerin bis zum Kommunalpolitiker. Deshalb braucht es eine institutionalisierte, innerparteiliche Anlaufstelle für Betroffene von digitaler Gewalt.
Die bisherigen Ansprechpersonen werden von vielen nicht als ausreichend wahrgenommen. Diese Stelle muss mit ausreichenden Ressourcen ausgestattet sein, um z. B. Inhalte auf den Plattformen zu melden, Beweise zu sichern und bei Strafanzeigen zu unterstützen.
Diese Arbeit kann nicht den einzelnen Politiker*innen und ihren Mitarbeitenden aufgebürdet oder einzig von zivilgesellschaftlichen Organisationen geleistet werden.
Der Fall des Frankfurter Stadtabgeordneten Omar Sheharta
Warum unsere Arbeit nicht nur für die einzelnen Betroffenen, sondern für uns alle, für unsere Gesellschaft so wichtig ist, zeigt der Fall des Frankfurter Stadtabgeordneten Omar Sheharta:
Unsere Stellungnahmen und positionspolitischen Papiere auf einen Blick:
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