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Wichtiger Schritt der EU gegen digitale Gewalt: Das neue “Internetgrundgesetz“ kommt! 

Mit der heutigen Abstimmung im Europäischen Parlament wurde das neue “Internetgrundgesetz” der EU, der Digital Services Act, verabschiedet. Damit bringt die EU ein weitgreifendes Gesetzespaket auf den Weg. Es soll Social-Media-Plattformen mehr in die Verantwortung für den Schutz vor Hatespeech und anderen Formen von digitaler Gewalt nehmen. Die Betroffenenberatungsstelle HateAid fordert eine schnelle und konsequente Umsetzung des Gesetzes. Sie bemängelt außerdem, dass durch den übereilten Gesetzgebungsprozess viele Unklarheiten und Rechtsunsicherheiten geschaffen wurden und die Rechte von Frauen auf Porno-Plattformen nicht ausreichend geschützt werden.

HateAid begrüßt die Verabschiedung des Digital Services Act (DSA) als wichtigen Meilenstein im Kampf gegen Hass und Hetze im Netz und freut sich über die Stärkung der Rechte von Nutzenden auf den Social-Media-Plattformen. HateAid hatte in den vergangenen Monaten den Gesetzgebungsprozess kritisch begleitet und für effektiven Schutz vor digitaler Gewalt gekämpft.  

Dazu Anna-Lena von Hodenberg, Geschäftsführerin von HateAid:  
 

„Soziale Netzwerke haben der massenhaften Verbreitung von Hass und Hetze eine Plattform gegeben. Mit dem Digital Services Act haben wir erstmalig ein EU-weites Gesetz, das versucht, Facebook, Twitter und Co. die Stirn zu bieten. Wir werden ganz genau hinschauen, wie die sozialen Netzwerke die neuen Verpflichtungen umsetzen. Für uns ist klar: Sollten die Maßnahmen nicht fruchten, werden wir von der EU Nachschärfungen für einen effektiven Schutz vor digitaler Gewalt einfordern.“    

Wichtiger Erfolg: Plattformen müssen direkte Kontaktaufnahme ermöglichen 

Twitter oder Youtube eine Mail schreiben, um ein Problem zu lösen? Das war im ursprünglichen Entwurf des DSA nicht vorgesehen. Künftig müssen Social-Media-Plattformen direkte und schnelle Kontaktmöglichkeiten anbieten. Dafür hatten sich HateAid und weitere Organisationen intensiv eingesetzt. Allerdings gilt diese Verpflichtung nur für elektronische Kommunikationswege. HateAid befürchtet, dass die Plattformen Nutzende jetzt z. B. mit Chatbots abspeisen. Ungeklärt bleibt auch, in welcher Sprache das Angebot gemacht werden muss. 

Mit Recht gegen Hass: Bessere Beschwerderechte für Betroffene  

Aus unserer Umfrage zu den Erfahrungen mit Beschwerdewegen in sozialen Netzwerken wissen wir: Die Meldung von digitaler Gewalt endet häufig im Nichts. Jede dritte Person (36 %) bemängelt, dass ihre Meldung bei der Plattform unbeantwortet blieb.1 Der DSA schafft nun neue Beschwerdemöglichkeiten: Künftig kann eine erneute Überprüfung von gemeldeten Inhalten eingefordert werden. Bleibt die gemeldete Drohung oder Beleidigung trotzdem online, können Nutzende eine außergerichtliche Streitbeilegung durch eine unabhängige Stelle initiieren. Bisher war der Rechtsweg die einzige Möglichkeit, dagegen vorzugehen. Doch dieser wurde kaum genutzt, weil damit hohe Hürden und finanzielle Risiken für Betroffene verbunden sind. Diese neuen Möglichkeiten werden nun allen Nutzenden zur Verfügung stehen, unabhängig davon, ob ein Beitrag fälschlicherweise entfernt wurde oder eine Meldung abgewiesen wurde. Hierfür hatte sich HateAid nachdrücklich eingesetzt.   

 
Übereilter Gesetzgebungsprozess lässt viele Fragen offen 

Die außergewöhnlich schnelle Erarbeitung und Verabschiedung des Digital Services Act hat nicht nur die politische Beteiligung von HateAid und anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen massiv erschwert. Auch für die konkrete Umsetzung des Gesetzes bleiben dadurch viele Fragen offen. Im Zweifel könnten die Rechtsunsicherheiten dazu führen, dass die Interpretation den Gerichten in mehrjährigen Rechtsstreitigkeiten überlassen wird. So bleibt offen, nach welchem Maßstab illegale Inhalte definiert werden. Denn hier bestehen durchaus große Differenzen zwischen den Mitgliedsstaaten. Beispielsweise kann eine Beleidigung in Deutschland als illegal, in Frankreich aber als legal eingestuft werden. Ein weiteres Problem: Mit einer horizontalen Regelung wurden alle Plattformen ungeachtet ihres Tätigkeitsfeldes gleichbehandelt. Mit dem Ziel der Achtung der Grund- und Menschenrechte wären allerdings Sonderregelungen für bestimmte Plattformen erforderlich gewesen. Die Folge: Der Schutz von Frauen und besonders gefährdeten Gruppen kommt dadurch schlicht zu kurz. 

Zugang zum Recht für Betroffene weiterhin mühsam 

Darüber hinaus bringt der DSA kaum Verbesserungen für einen leichteren Zugang zu Gerichten. Zwar ist der DSA bemüht niedrigschwellige Möglichkeiten für Nutzende zu schaffen, allerdings mit einem großen Manko: Bei all den Maßnahmen behalten die Plattformen das letzte Wort, egal ob es um die Entfernung potenziell rechtswidriger Inhalte oder um die Sperrung von Profilen geht. Hierbei wird es auf eine stringente Aufsicht ankommen, damit die Plattformen dieser Verantwortung gewissenhaft und unter Einsatz der notwendigen Ressourcen nachkommen.  

Kein politischer Wille für die Bekämpfung von bildbasierter sexueller Gewalt  

Eine große Leerstelle hinterlässt der DSA vor dem Hintergrund der massenhaften Verbreitung von geklauten und gefälschten Nacktaufnahmen auf Porno-Plattformen. Zwar landete das Thema auf der Agenda der EU-Chefverhandler*innen für die letzte DSA-Verhandlungsrunde. Jedoch wurde es in letzter Sekunde ersatzlos fallen gelassen. Betroffene von bildbasiertem sexuellem Missbrauch müssen nun noch Jahre auf effektiven Schutz warten. HateAid wird sich weiter für den Schutz vor bildbasierter Gewalt stark machen. 

Der Digital Services Act wird voraussichtlich Anfang 2024 in Kraft treten. Für sehr große Online-Plattformen, dazu zählen voraussichtlich Facebook und Youtube, dürften die Regelungen allerdings schon ab Mitte 2023 gelten. HateAid wird im Rahmen des Landecker Digital Justice Movement die Umsetzung des Digital Services Act weiter kritisch begleiten.

Pressekontakt: presse@hateaid.org, Tel. 030 / 252 088 37


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