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Renate Künast gegen Meta - Portrait von Renate Künast mit HateAid-Schild

Historisches Urteil für Künast und HateAid: Meta muss Hass selbst finden und löschen

Gute Nachrichten für alle Betroffenen von Hass im Netz: Das Oberlandesgericht Frankfurt (16 U 65/22) bestätigt, dass Plattformen für das Auffinden sinn- und kerngleicher illegaler Inhalte verantwortlich sind. Wird ein illegaler Inhalt der Plattform einmal gemeldet, muss diese nach Aufforderung auch ähnliche Inhalte finden und löschen. Damit bestätigte das Oberlandesgericht die wegweisende Entscheidung der Vorinstanz. Das Gericht stellte klar, dass lediglich die Plattform in der Lage sei, effektiv rechtsverletztende Posts aufzufinden und zeitnah zu entfernen. Damit scheiterte der Konzern Meta mit einer Berufung gegen ein entsprechendes Urteil des zuständigen Landgerichts. Klägerin Renate Künast erhält in dem von der Menschenrechtsorganisation HateAid realisierten Prozess auch in zweiter Instanz überwiegend recht.  

Meta muss alle zum Zeitpunkt des historischen Urteils von April 2022 auf der Plattform vorhandenen identischen sowie kerngleichen Postings eines rechtswidrigen Memes proaktiv finden und entfernen. Das Meme beinhaltet ein Falschzitat, das der Politikerin Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen) zugeschrieben wird. Obwohl es bereits mehrfach gemeldet und als illegal eingestuft wurde, kursieren die verleumderischen Inhalte seit Jahren immer wieder auf der Plattform. Das heutige Urteil bestätigt eine Kehrtwende in der bisherigen Löschpraxis illegaler Inhalte: Bislang mussten Betroffene diese selbst aufspüren und melden, erst dann konnten sie – wenn überhaupt – mit einem Handeln der Plattformen rechnen. In der Urteilsbegründung betonte das Oberlandesgericht nun, dass der Klägerin ein rascher und effektiver Rechtsschutz zu gewähren ist. Das fragliche Meme gefährde ihre Glaubwürdigkeit in der Öffentlichkeit, daher müsse die Plattform die rasante Verbreitung der verleumderischen Inhalte wirksam unterbinden. Das Urteil ist wegweisend für den Umgang mit digitaler Gewalt in Deutschland

Dazu Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen), MdB: 
„Je mehr wir über die Arbeit und Vernetzung von rechtsextremen Strukturen wissen, desto offensichtlicher wird die Verantwortung von Social-Media-Plattformen. Das Urteil vom OLG Frankfurt setzt mit der Beseitigungspflicht von Meta einen Meilenstein für das Persönlichkeitsrecht. Ich freue mich sehr.“   

In der Entscheidung erörtert das Oberlandesgericht umfassend, wann Inhalte als kern- bzw. sinngleich zu betrachten sind. Es kommt zu dem Schluss, dass die Löschpflicht der Plattformen weit auszulegen ist. Kerngleich sei u. a., was einen gleichen Text habe, selbst wenn es abweichend gestaltet sei oder grafische Zusätze enthalte. Die Erkennung dieser Inhalte erfordere entgegen der Behauptung von Meta keine vertiefte Prüfung, sondern lediglich die Feststellung, ob der Aussagehalt des Postings gleich sei. Der Konzern hatte versucht darzulegen, dass ihm dafür die technischen Voraussetzungen fehlten, was das Gericht u. a. mit dem Hinweis auf neue Möglichkeiten durch KI und Bilderkennung zurückwies. Das Gericht stellte klar, dass lediglich die Plattform in der Lage sei, effektiv rechtsverletztende Posts aufzufinden und zeitnah zu entfernen.  

Dazu Josephine Ballon, Geschäftsführerin von HateAid:
„Mit diesem Urteil bestätigt erstmals eine zweite Instanz, dass Social-Media-Konzerne, das Auffinden verleumderischer Inhalte nicht auf die Betroffenen digitaler Gewalt auslagern können. Das Gericht setzt so neue Standards für den Schutz Betroffener und verpflichtet die Plattformen mehr zu tun, um unsere Gesellschaft und Demokratie vor systematischer Desinformation durch Verleumdungskampagnen zu schützen.“   

Rechtsanwalt Matthias Pilz von der Kanzlei Jun Rechtsanwälte, welche Renate Künast in diesem Fall vertritt, äußert sich wie folgt: 
„In diesem Verfahren geht es um eine grundlegende Rechtsfrage. Umso wichtiger ist das heutige Urteil: Damit erhalten Betroffene viral gehender Verleumdungen endlich effektiven Rechtsschutz. Soziale Medien müssen Rechtsverletzungen umfassend löschen, wenn sie davon einmal in Kenntnis gesetzt werden.“   

Grundlage für die Klage ist das Glawischnig-Piesczek vs. Facebook Urteil (Oktober 2019), das die österreichische Politikerin Eva Glawischnig vor dem Europäischen Gerichtshof anstrengte. Hier entschied das Gericht, dass auch die Entfernung wortgleicher und sinngleicher Postings von der Social-Media-Plattform verlangt werden kann. Bisher hat es dazu aber in Deutschland kein Urteil gegeben, sodass Rechtssicherheit für die Betroffenen in Bezug auf den Umfang der Löschpflicht fehlt. Der Prozess ist Teil des Landecker Digital Justice Movements

Dazu Silke Mülherr, Co-CEO der Alfred Landecker Foundation:
„Weil Plattformen wichtige Diskursräume eröffnen oder vergiften, tragen sie inzwischen eine erhebliche Verantwortung für das Gelingen und Überleben der Demokratie. Dieses Urteil ist ein wichtiger Schritt, weil es die Verantwortung anerkennt und die Rechte der Betroffenen von Hass und Gewalt auf den Plattformen ernst nimmt.“   

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Das Gericht hat die Revision zugelassen. 

Fotos zum Thema finden Sie hier.  

HateAid gGmbH

Die gemeinnützige Organisation HateAid wurde 2018 gegründet und hat ihren Hauptsitz in Berlin. Sie setzt sich für Menschenrechte im digitalen Raum ein und engagiert sich auf gesellschaftlicher wie politischer Ebene gegen digitale Gewalt und ihre Folgen. HateAid unterstützt Betroffene von digitaler Gewalt konkret durch Beratung und Prozesskostenfinanzierung. Geschäftsführerinnen sind Anna-Lena von Hodenberg und Josephine Ballon. 

HateAid ist Trägerin der Theodor-Heuss-Medaille 2023.  

Im Rahmen des Landecker Digital Justice Movements finanziert HateAid Grundsatzprozesse gegen Online-Plattformen, um grundlegende Nutzer*innenrechte gerichtlich klären zu lassen.

Pressekontakt: presse@hateaid.org, Tel. +49 (0)30 25208837

Pressematerial


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