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Neue Studie: Digitale Gewalt schreckt Menschen ab, politische Verantwortung zu übernehmen

Die Mehrheit der befragten politisch engagierten Menschen hat schon digitale Gewalt erlebt. Von den betroffenen politisch aktiven Frauen hat fast ein Viertel schon einmal Androhungen sexueller Gewalt z. B. Vergewaltigungsdrohungen erhalten. Der Hälfte der betroffenen Männer wurde bereits mit anderen Formen körperlicher Gewalt gedroht, wie Schläge oder Mord. Zu diesen Erkenntnissen kommt die heute veröffentlichte Studie „Angegriffen & alleingelassen” der Technischen Universität München (TUM).

Digitale Gewalt wirkt sich außerdem auf das Verhalten der Betroffenen aus: Dies reicht von der Einschränkung der Kommunikation in sozialen Medien bis hin zum geplanten Rückzug aus dem politischen Engagement. HateAid fordert Parteien, Strafverfolgungsbehörden und Betreiber von Social-Media-Plattformen auf, politisch engagierte Personen dringend besser zu schützen.

Die Studie „Angegriffen & alleingelassen: Wie sich digitale Gewalt auf politisches Engagement auswirkt. Ein Lagebild.“ ist in Kooperation mit der Menschenrechtsorganisation HateAid entstanden und wird durch das Bayerische Forschungsinstitut für Digitale Transformation (bidt) der Bayerischen Akademie der Wissenschaften gefördert. In ihr untersuchten Prof. Dr. Janina Steinert, Dr. Angelina Voggenreiter und Luise Koch von der Hochschule für Politik an der TUM, in welchem Ausmaß und in welcher Form politisch engagierte Menschen in Deutschland digitale Gewalt erleben und welche Auswirkungen diese auf das Verhalten und die Bereitschaft der Befragten hat, (weiterhin) politische Verantwortung zu übernehmen.

Befragt wurden insgesamt 1.114 politisch engagierte Personen, die auf kommunaler, Landes- Bundes- und EU-Ebene tätig sind. Der Großteil der Befragten waren Politiker*innen aller im Bundestag vertretenen Parteien. Weitere Teilnehmende waren politisch engagierte Aktivist*innen, Wissenschaftler*innen, Journalist*innen, Publizist*innen und Parteimitglieder ohne politisches Mandat. Durchgeführt wurden eine quantitative Online-Befragung (Erhebungszeitraum 27.4. bis 21.10.24) und zwölf qualitative Interviews (2.7. bis 26.8.24). Die Studie ist nicht repräsentativ.

Das sind die wichtigsten Ergebnisse:

  • Mehr als die Hälfte der politisch Engagierten ist betroffen. 58 % aller Befragten berichteten von Anfeindungen im Internet. Die meisten richteten sich gegen die politische Positionierung der Betroffenen.
  • Politisch engagierte Frauen erlebten besonders häufig digitale Gewalt. Die Betroffenheit unter Frauen (63 %) ist höher als unter Männern (53 %). 68 % der betroffenen Frauen berichten von geschlechtsspezifischer Gewalt wie Sexismus oder Frauenhass. Fast ein Viertel der weiblichen Betroffenen hat schon einmal Androhungen physischer sexueller Gewalt z. B. Vergewaltigungsdrohungen erhalten (Männer 3 %). Den betroffenen Männern wurde häufiger mit anderen Formen körperlicher Gewalt gedroht, wie Schläge oder Mord (51 %, Frauen 43 %).

    „Ich und andere Politikerinnen sollten alle mal von Flüchtlingen vergewaltigt werden… dann würden wir sehen.“ Bundespolitikerin

  • Die Gewalt bleibt nicht im Internet. Personen, die von digitaler Gewalt betroffen sind, berichteten zu einem größeren Anteil davon, auch analoge Gewalt erlebt zu haben: Sie erlebten häufiger physische Angriffe (jeweils 32 % für Männer und Frauen) als diejenigen, die nicht von digitaler Gewalt betroffen waren (10 % der Männer, 14 % der Frauen).

    „Es gibt viele Leute, für die ich an ihren persönlichen Schicksalen schuld bin – die wissen auch, wo ich wohne […].“ Kommunalpolitikerin

  • Mehr als jede zweite betroffene politisch engagierte Person verändert ihre Kommunikation – vor allem Frauen denken ans Aufhören. Von digitaler Gewalt betroffene Frauen (66 %) wie Männer (53 %) schränkten die Nutzung sozialer Medien ein. Sie passten etwa ihren Ton und ihre Inhalte an. 49 % der betroffenen Frauen und 30 % der betroffenen Männer zogen zumindest manchmal in Erwägung, eine Position nicht anzunehmen, da sie fürchteten, in dieser besonders häufig digitalen Anfeindungen ausgesetzt zu sein. Auch ein kompletter Rückzug aus der politischen Arbeit kam für betroffene Frauen deutlich häufiger infrage (22 %; Männer: 10 %).

    „Ich werde tatsächlich zurücktreten. Ich habe für mich gemerkt: Ich möchte nicht so in der Öffentlichkeit stehen… und auch nicht mehr parteipolitisch aktiv sein.“ Bundespolitikerin

  • Politiker*innen und politisch Engagierte fühlen sich im Stich gelassen. 49 % der Männer und 66 % der Frauen aller befragten Berufsgruppen gaben an, sich hinsichtlich ihres politischen Engagements nicht ausreichend auf digitale Gewalt und ihre Folgen vorbereitet zu fühlen. Nur 45 % der Politiker*innen fühlten sich präventiv gut unterstützt. Mehr als die Hälfte der von digitaler Gewalt Betroffenen äußerte den Wunsch nach mehr Solidarität innerhalb ihrer Gemeinschaften und an ihren Arbeitsplätzen.
     
    „Ich habe zweimal gefragt, ob ich Unterstützung bekommen kann, aber nie ist was passiert.“ Bundespolitikerin

Dazu Prof. Dr. Janina Steinert, Professorin für Global Health an der Technischen Universität München:
„Die Ergebnisse zeigen deutlich: Frauen und Männer erleben zwar ähnlich viel Hass, weibliche politisch Engagierte sind jedoch deutlich stärker von sexualisierter Gewalt, z. B. Vergewaltigungsandrohungen, betroffen. Das kann besonders belastend sein. Die Auswirkungen sind eklatant: Frauen verändern häufiger ihre öffentliche Kommunikation oder überlegen, sich aus der Politik zurückzuziehen. Dabei sind Frauen bereits jetzt in Parlamenten und Parteien unterrepräsentiert.”

Zur Bundestagswahl kündigten etliche Politiker*innen an, aufgrund des Ausmaßes von Drohungen und Diffamierungen, nicht mehr antreten zu wollen. Darunter der ehemalige Ostbeauftragte Marco Wanderwitz (CDU) und die Abgeordnete Tessa Ganserer (Grüne).  

Dazu Yvonne Magwas, CDU-Bundestagsabgeordnete und Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages:
„In meiner politischen Karriere ist zuletzt kaum ein Tag vergangen, an dem ich nicht online angefeindet worden bin. Beleidigungen, Bedrohungen und Hetze haben mich nicht nur extrem viel Kraft gekostet, sondern ich mache mir auch große Sorgen. Wenn politisch Engagierte online – und offline – weiter so schutzlos angegriffen werden, wird der Hass unser demokratisches Miteinander immer weiter zersetzen.“

Die Studienergebnisse zeigen, dass digitale Gewalt das politische Engagement in Deutschland gefährdet – und so eine wichtige Säule der parlamentarischen Demokratie.

Dazu Anna-Lena von Hodenberg, Geschäftsführerin von HateAid:
„Wir sehen es im aktuellen Wahlkampf: Durch den Hass und die Lügen, denen politisch aktive Menschen ausgesetzt sind, verändern viele die Art und Weise, wie sie Politik machen, handeln und kommunizieren. Es beeinflusst vor allem auch die Entscheidung darüber, ob und wie sie sich überhaupt noch engagieren. Das hat System und es muss uns alarmieren. Denn wenn sich immer weniger Menschen trauen, sich in unserer liberalen Demokratie zu engagieren, dann verlieren wir alle. Deshalb müssen jetzt Politik, Justiz, Parteien und Plattformen endlich alles dafür tun, Politiker*innen und andere Engagierte effektiv zu schützen.“

HateAid appelliert an die Vorsitzenden der Parteien, Politiker*innen nicht mit dem Hass allein zu lassen – vor allem im Wahlkampf. Die Menschenrechtsorganisation fordert:

  • Spezialisierte Anlaufstellen für Betroffene digitaler Gewalt innerhalb der Parteien sind dringend einzurichten und mit ausreichenden Ressourcen auszustatten. Diese Stellen sollen dann Mitglieder und Kandidierende z. B. dabei unterstützen, Inhalte auf den Plattformen zu melden, Beweise zu sichern und bei Strafanzeigen zu unterstützen.
  • Anzeigen müssen konsequent und zeitnah von Justiz und Strafverfolgungsbehörden verfolgt werden. Dafür müssen diese mit den notwendigen Ressourcen ausgestattet werden. Betroffene sollten über den Ausgang von Verfahren informiert werden, auch ohne, wie aktuell der Fall, einen Antrag stellen zu müssen.
  • Betreiber von Social-Media-Plattformen sind nach dem Digital Services Act (DSA) dazu verpflichtet, alle tatsächlichen oder absehbaren nachteiligen Auswirkungen auf die gesellschaftliche Debatte und auf Wahlprozesse einzuschätzen und zu minimieren. Digitale Gewalt gegen Politiker*innen darf nicht durch Algorithmen verstärkt werden. Gemeldete Inhalte müssen zügig geprüft und gegebenenfalls entfernt werden. HateAid fordert, den DSA diesbezüglich konsequent durchzusetzen. Gerade nach den Ankündigungen von Meta, Faktenchecks und Moderation einzuschränken, ist dies umso wichtiger.

HateAid appelliert insbesondere an die nächste Bundesregierung, zügig gezielte Maßnahmen zu ergreifen, um diejenigen besser zu schützen, die politische Verantwortung übernehmen.

Weitere Informationen und Download der Studie: Den Volltext zur Studie „Angegriffen & alleingelassen: Wie sich digitale Gewalt auf politisches Engagement auswirkt. Ein Lagebild“ sowie weitere Informationen zum Projekt „Safe to engage: Securing democratic voices online“ finden Sie hier.

Fotos von der Pressekonferenz können ab etwa 14:00 Uhr im Download-Center heruntergeladen werden.

HateAid gGmbH

Die gemeinnützige Organisation HateAid wurde 2018 gegründet und hat ihren Hauptsitz in Berlin. Sie setzt sich für Menschenrechte im digitalen Raum ein und engagiert sich auf gesellschaftlicher wie politischer Ebene gegen digitale Gewalt und ihre Folgen. HateAid unterstützt Betroffene von digitaler Gewalt konkret durch Beratung und Prozesskostenfinanzierung. Geschäftsführerinnen sind Anna-Lena von Hodenberg und Josephine Ballon.

HateAid ist Trägerin der Theodor-Heuss-Medaille 2023.

Pressekontakt: presse@hateaid.org, Tel. +49 (0)30 25208837

Über die Technische Universität München (TUM):

Die Technische Universität München (TUM) ist mit rund 650 Professuren, 53.000 Studierenden und 12.000 Mitarbeitenden eine der weltweit stärksten Universitäten in Forschung, Lehre und Innovation. Ihr Fächerspektrum umfasst Informatik, Ingenieur-, Natur- und Lebenswissenschaften, Medizin, Mathematik sowie Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Sie handelt als unternehmerische Universität und sieht sich als Tauschplatz des Wissens, offen für die Gesellschaft. An der TUM werden jährlich mehr als 70 Start-ups gegründet, im Hightech-Ökosystem München ist sie eine zentrale Akteurin. Weltweit ist sie mit dem Campus TUM Asia in Singapur sowie Büros in Brüssel, Mumbai, Peking, San Francisco und São Paulo vertreten. 2006, 2012 und 2019 wurde sie als Exzellenzuniversität ausgezeichnet. In internationalen Rankings wird sie regelmäßig als beste Universität in der Europäischen Union genannt.

www.tum.de

Pressekontakt: klaus.becker@tum.de, Tel. +49 (0)89 28922798

Pressematerial

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