#NotYourBusiness: Grundsatzprozess gegen Google – Vor Gericht gegen bildbasierte sexualisierte Gewalt
Eine HateAid-Klientin hat Klage gegen Google eingereicht. Seit 2023 wird ihr privates sexualisiertes Bildmaterial tausendfach ohne Einvernehmen online verbreitet. Die Bilder sind im Zusammenhang mit ihrem Klarnamen über die Google-Bildersuche auffindbar. Trotz Meldung und Auslistung tausender Suchtreffer mit Bildmaterial der Klientin tauchen die Bilder immer wieder in der Bildersuche auf.
Nun geht die Klientin zusammen mit der Kanzlei Preu Bohlig gegen die Suchmaschine vor. Sie will erreichen, dass alle bisher gemeldeten sowie kerngleichen Bilder nicht mehr in der Google-Suche angezeigt werden. Die Menschenrechtsorganisation HateAid unterstützt die Klage.
Daten aus der privaten Datenbank der Klientin, einschließlich einer Kopie ihres Ausweises, wurden entwendet. Daraufhin wurden intime Nacktbilder und Sex-Aufnahmen mit ihrem Ehemann ohne ihr Wissen und Einverständnis auf pornografischen Webseiten veröffentlicht. Versehen mit Klarnamen und expliziten Schlagwörtern sind die Fotos besonders leicht auffindbar. Die Klientin entdeckte zufällig ihre intimen Aufnahmen und wandte sich an HateAid. Innerhalb von 1,5 Jahren meldete die Beratung rund 2.000 Google-Treffer und beantragte deren Löschung. Dem kam Google in der Regel auch nach und listete die gemeldeten URLs aus. Dennoch werden die Bilder bis heute immer wieder erneut hochgeladen und in der Bildersuche als Suchtreffer angezeigt. Google wurde daher zunächst gebeten und schlussendlich außergerichtlich anwaltlich aufgefordert, das Bildmaterial dauerhaft aus der Suche herauszuhalten. Google kam der Aufforderung, inhaltlich identisches und kerngleiches Bildmaterial künftig nicht mehr in der Suche anzuzeigen, nicht nach.
Google trägt Mitverantwortung für die massenhafte Verbreitung der privaten Bilder, die vor allem auf kleinen pornografischen Webseiten veröffentlicht sind: Die Suchmaschine macht sie einer breiten Öffentlichkeit zugänglich und profitiert von den Zugriffen. Durch die massenhafte Verbreitung steigt der Leidensdruck der Klientin erheblich. Ihr privates Umfeld und Arbeitskolleg*innen stießen über Google auf die Bilder. Sie sah sich gezwungen, Arbeitgeber und Wohnort zu wechseln.
Die HateAid-Klientin ist kein Einzelfall. Vor allem Frauen erleben täglich Nacktbild-Missbrauch. Betroffene von bildbasierter sexualisierter Gewalt (engl. Image Based Sexual Abuse, kurz IBSA) werden häufig gesellschaftlich stigmatisiert.
Dazu Judith Strieder, HateAid-Betroffenenberatung:
„Die psychische Belastung für Betroffene ist verheerend. Die Kontrolle über private, intimste Bilder ist von einem Moment auf den anderen verloren. Oft für immer. Viele stehen unter Schock, fühlen sich machtlos und ausgeliefert. Für die Betroffenen gibt es ein Leben davor und danach. Es wird nie ungeschehen sein.“
In dem Grundsatzprozess gegen Google sollen sich grundlegende Rechte für Betroffene von bildbasierter sexualisierter Gewalt (IBSA) klären. Auch wenn Google die Inhalte selbst nicht hostet: Bei den veröffentlichten Bildern handelt es sich um personenbezogene Daten im Sinne der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Google verarbeitet diese Daten in seiner Suche und ist demnach an die DSGVO gebunden. Aus Sicht der Klägerin ist Google verpflichtet, die in der Bildersuche gemeldeten sowie kerngleiche Suchergebnisse dauerhaft auszulisten. Grundlage hierfür ist Art. 17 DSGVO, das sogenannte „Recht auf Vergessenwerden“. Ob Google hierzu verpflichtet werden kann, muss nun gerichtlich geklärt werden.
Dazu Franziska Benning, Head of Legal bei HateAid:
„Die Rolle von Suchmaschinen bei der Verbreitung bildbasierter sexualisierter Gewalt darf nicht unterschätzt werden. Oftmals ermöglichen sie erst, dass geklaute oder gefälschte Bilder gefunden werden. Sie verdienen damit praktisch Geld mit dem Leid Betroffener. Da sich solche Fälle häufen, ist es in unser aller Interesse, die Verantwortung von Google gerichtlich zu klären. Gleichzeitig ist der Gesetzgeber gefragt, Lücken im Strafrecht zu Formen von bildbasierter sexualisierter Gewalt zu schließen.“
#NotYourBusiness – Unsere Nacktbilder sind nicht euer Business: Mit der Kampagne zum Grundsatzprozess macht HateAid auf die Folgen bildbasierter sexualisierter Gewalt aufmerksam und fordert politisches Handeln. Niemand darf intime Bilder oder Videos eines Menschen ohne dessen Zustimmung erstellen, stehlen oder verbreiten – und kein Unternehmen darf daran verdienen. HateAid fordert von Justizministerin Hubig, Strafbarkeitslücken zu schließen und die Erstellung sowie Verbreitung solcher Inhalte, auch per Deepfake, ausdrücklich unter Strafe zu stellen. Zudem soll Digitalminister Wildberger sicherstellen, dass Host- bzw. Access-Provider Websites sperren müssen, die KI-Anwendungen mit expliziter Ausrichtung auf die Erstellung von Missbrauchs-Nacktbildern und -Videos anbieten.
HateAid gGmbH
Die gemeinnützige Organisation HateAid wurde 2018 gegründet und hat ihren Hauptsitz in Berlin. Sie setzt sich für Menschenrechte im digitalen Raum ein und engagiert sich auf gesellschaftlicher wie politischer Ebene gegen digitale Gewalt und ihre Folgen. HateAid unterstützt Betroffene von digitaler Gewalt konkret durch Beratung und Prozesskostenfinanzierung. Geschäftsführerinnen sind Anna-Lena von Hodenberg und Josephine Ballon.
HateAid ist Trägerin der Theodor-Heuss-Medaille 2023, des Rothenburger Preises für Erinnerung und Zukunft, des Wertepreises für Demokratie der Werte-Stiftung und des For..Net Awards der Technischen Universität München.
Pressekontakt: presse@hateaid.org, Tel. +49 (0)30 25208837