Grundlegendes zu HateAid
Auch wir als gemeinnützige und unabhängige Organisation sind immer wieder von Desinformation, Hass und Verleumdung betroffen. Deswegen ist es uns wichtig, transparent über unsere Arbeit aufzuklären. Hier findest du ausführliche Informationen über HateAid:
Fragen und Fakten
Du möchtest kurz und bündig wissen, was HateAid macht? Kein Problem! Wir beantworten die Fragen, die uns immer wieder gestellt werden.
Ist HateAid überparteilich und neutral?
HateAid ist eine gemeinnützige Organisation und vertritt die Rechte von Betroffenen digitaler Gewalt. Dabei verfolgen wir unabhängig, überparteilich und parteipolitisch neutral das Ziel, dass sich jeder Mensch frei im Internet entfalten kann. Unsere Arbeit dafür fußt auf den demokratischen Grundwerten unserer Gesellschaft. Diese sind im Grundgesetz verankert und gelten für alle Menschen in unserem Land – unabhängig von Geschlecht, Herkunft, Religion, politischer oder sonstiger Überzeugung, nationaler oder sozialer Herkunft und sonstigen Umständen.
Und genau hier liegen auch die Grenzen unserer Neutralität: Wir beziehen gegen alle Menschen Stellung, die sich gegen die Grundwerte unserer Verfassung aussprechen und z. B. die Menschenrechte im Netz verletzen oder unsere Demokratie schädigen.
Ihr werdet öffentlich gefördert. Seid ihr dann an das Neutralitätsgebot des Staates gebunden?
Regierungsmitglieder und ihre Verwaltungen sind an das sog. Neutralitätsgebot gebunden. Das bedeutet, dass sie nicht einseitig parteiergreifende Stellungnahmen zugunsten oder zulasten einzelner politischer Parteien tätigen dürfen. Wir, als Fördermittelempfängerin, unterliegen hingegen nicht dem Neutralitätsgebot des Staates.
Ihr werdet öffentlich gefördert. Ist HateAid damit an die Weisungen der Regierung gebunden?
Nein. Wir stehen in einem regelmäßigen Austausch mit Politik und Behörden – immer mit dem Ziel, den digitalen Raum sicherer zu machen. Das bedeutet auch, politische Arbeit zu kritisieren.
Das haben wir beispielsweise getan, als wir das Eckpunktepapier des Bundesministeriums für Justiz zum neuen Gesetz gegen digitale Gewalt prüften und öffentlich auf Leerstellen hinwiesen.
Diese kritischen Stellungnahmen sowie konstruktiver Austausch zwischen Politik und zivilgesellschaftlichen Organisationen sind notwendig, um Gesetze und politische Initiativen im Interesse unserer Gesellschaft zu formen. Daran arbeiten wir politisch unabhängig.
Das HateAid-Team arbeitet täglich daran, unsere Demokratie zu schützen und zu stabilisieren. Foto: HateAid
Berät HateAid Mitglieder aller Parteien?
Als gemeinnützige Organisation sind wir überparteilich. Das bedeutet, dass wir zu parteipolitischer Neutralität verpflichtet sind. Wir stärken mit unserer Arbeit unsere demokratische Gemeinschaft.
HateAid lehnt die Beratung einer Person daher niemals aufgrund ihrer Parteizugehörigkeit ab. Wir orientieren uns vielmehr an den rechtsstaatlichen Werten unserer Verfassung. Entsprechend prüfen wir, ob potenzielle Klient*innen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit verbreiten oder die freiheitliche demokratische Grundordnung ablehnen. Denn es entspricht nicht unseren Überzeugungen, Klient*innen zu unterstützen, die zwar betroffen, aber gleichzeitig Täter*innen sind.
Nach welchen Kriterien entscheidet ihr, ob ihr jemanden unterstützt oder nicht?
Als gemeinnützige Organisation sind wir nicht verpflichtet, jede Person zu beraten oder ihre Prozesse zu finanzieren. Im Gegenteil: Weil wir öffentliche Förderungen erhalten, dürfen wir sogar von diesen Geldern nicht alle Personen unterstützen. Das gilt u. a. im Falle der Ablehnung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder des Gleichheitsprinzips aller Menschen vor dem Gesetz sowie der Verbreitung gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit.
Entlang demokratischer Werte haben wir dazu einen internen Kriterienkatalog entwickelt, nach dem wir entscheiden, ob wir eine Person unterstützen oder nicht. Wir prüfen in jedem Fall individuell, ob Personen gegen unsere internen Kriterien verstoßen und entscheiden dann, ob wir Betroffenenberatung und Prozesskostenfinanzierung für zivilrechtliche Rechtsdurchsetzung anbieten.
Unterstützt HateAid nur Prominente?
HateAid unterstützt alle Menschen, die digitale Gewalt erfahren und selbst keinen Hass verbreiten. Wir wissen, dass HateAid oft in Zusammenhang mit prominenten Personen gebracht wird. Das liegt daran, dass wir Influencer*innen mit hoher Reichweite dazu ermutigen, über ihre Erfahrungen zu sprechen. So können sie das Thema enttabuisieren und Menschen Mut machen.
Noch immer wehren sich viel zu wenige Betroffene gegen Hass und Belästigungen. Sie wissen nicht, dass es Unterstützung gibt und die Möglichkeit besteht, Täter*innen anzuzeigen und Gerechtigkeit zu erfahren. Das wollen wir ändern. Influencer*innen, die selbst sehr viel digitale Gewalt erleben, helfen uns dabei. Sie sind Vorbilder und Inspiration für viele Menschen, die oft erst nach der Berichterstattung über prominente Fälle in unsere Beratung finden.
Tatsächlich ist der weitaus größte Teil unser Klient*innen nicht prominent. Nur 5 Prozent sind Personen des öffentlichen Lebens. Wir sind dankbar, dass die übrigen 95 Prozent unter anderem über große Accounts von uns gehört haben und wir sie so bei ihren individuellen Gewalterfahrungen unterstützen können.
Mit Grundsatzprozessen verändern wir geltendes Recht. Zusammen mit unserer Klientin Renate Künast konnten wir gerichtlich klären, dass Facebook identische und kerngleiche Memes selbst gezielt suchen und löschen muss. Das Urteil gilt für alle Menschen. Foto: HateAid
Wie wägt HateAid zwischen Grundsatzprozessen und kleineren Prozessen für Betroffene ab?
HateAid arbeitet in rechtlichen Fällen auf zwei unterschiedlichen Ebenen. Wir unterstützen zum einen Einzelpersonen im Akutfall, die sich an unsere Beratung wenden. Zum anderen führen wir Grundsatzprozesse durch. Bei ihnen handelt es sich um Präzedenzfälle, also Fälle, die zuvor noch nicht gerichtlich entschieden worden sind. Wenn wir sie vor Gericht bringen und gewinnen, können sich daraufhin alle Menschen, die Ähnliches erfahren, auf dieses Urteil beziehen.
Mit beiden gerichtlichen Formen möchten wir Hürden abbauen. Bei Einzelpersonen geht es häufig um finanzielle Hindernisse. Diese fangen wir mit unserer Prozesskostenfinanzierung auf. Bei den Grundsatzprozessen verhandeln wir andere Themen. Zum Beispiel, dass soziale Netzwerke kaum Verantwortung dafür übernehmen, was auf ihren Plattformen geschieht, Posts nach intransparenten Kriterien löschen und Daten der Täter*innen nur willkürlich an die Strafverfolgungsbehörden weitergeben. Solche Ungerechtigkeiten können wir durch unsere Präzedenzfälle unterbinden, da wir damit für alle zukünftigen Fälle eine neue Rechtsgrundlage geschaffen haben.
Es handelt sich hier um unterschiedliche Wege, das Recht von Betroffenen durchzusetzen: einmal im Akutfall bei Einzelpersonen und einmal präventiv und allgemeingültig. Die Durchführung von Grundsatzprozessen und kleineren Prozessen für Betroffene ist für uns keine Abwägungsfrage, da es sich um ganz verschiedene Dinge handelt.
Verdient HateAid Geld?
Neben Spenden und Zuwendungen erhält HateAid Geld für Bildungsleistungen wie Workshops und Vorträge. Außerdem erhält HateAid die Geldentschädigungen aus gewonnen Zivilprozessen. Diese fließen direkt wieder in den Fonds der Gerechtigkeit, um das nächste Gerichtsverfahren für eine betroffene Person zu bezahlen. Betroffene ermöglichen es sich so gegenseitig, Gerechtigkeit zu erfahren und Gewalt im Internet einzudämmen.
Selbst als gemeinnützige GmbH darf HateAid wirtschaftlich tätig sein. Eventuelle Gewinne dürfen allerdings – anders als bei gewinnorientierten Unternehmen – nicht an die Gesellschafter*innen ausgeschüttet werden.
Sie müssen für die gemeinnützigen Zwecke unserer Organisation eingesetzt werden.
Was passiert mit den Schmerzensgeldern aus den gewonnenen Verfahren?
Die Schmerzensgelder kommen ausschließlich anderen Betroffenen im Rahmen unserer Prozesskostenfinanzierung zugute. Bei der Prozesskostenfinanzierung übernehmen wir mehrere tausend Euro an Anwalts- und Gerichtskosten, sodass Betroffene unabhängig von ihren finanziellen Möglichkeiten ihre Rechte durchsetzen können. Das können bis zu 4.000 Euro pro Fall sein.
Dafür haben wir den Fonds der Gerechtigkeit. Dieser funktioniert nach dem Solidaritätsprinzip: Bei erfolgreich durchgesetzten Geldentschädigungsansprüchen fließt dieser Betrag direkt in den Fonds zurück und wird für weitere Fälle eingesetzt.
Doch die Mittel aus diesem Fonds können die neuen Prozesskosten nicht vollständig finanzieren. Daher unterstützen uns soziale Investor*innen, Organisationen, Stiftungen und private Spender*innen.
Wofür verwendet HateAid öffentliche Gelder?
Die öffentlichen Gelder (25,2 % unserer Gesamtfinanzierung im Jahr 2023), die wir erhalten, kommen vom Bundesministerium für Justiz (BMJ) und vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ). Diese Förderungen sind zweckgebunden. Das heißt, wir dürfen die Mittel nur für die im Antrag definierten Bereiche und Tätigkeiten nutzen.
Das BMJ finanziert zum Beispiel einen großen Teil unserer Betroffenenberatung und die Aufklärung zu neuen Phänomenbereichen digitaler Gewalt. Das BMFSFJ fördert im Kompetenznetzwerk gegen Hass im Netz unser Projekt für den Schutz junger Erwachsener und kommunal Engagierter. Diese Gelder dürfen wir nicht für andere Bereiche, wie zum Beispiel unsere Prozesskostenfinanzierung, einsetzen.
Foto: HateAid
Wir vernetzen uns mit Politiker*innen, aber wir fordern und kritisieren sie auch. Im Januar 2024 zogen wir vor den Bundestag, um die Bundesregierung zum konsequenten Handeln gegen digitale Gewalt zu bewegen.
Betreibt HateAid Lobbyarbeit?
Ja, wir lobbyieren für deine Rechte im Internet und setzen uns für Betroffene digitaler Gewalt ein. Indem wir auf nationaler und europäischer Ebene auf politische Akteur*innen zugehen, sorgen wir dafür, dass digitale Gewalt Platz auf ihren Agenden findet.
Mit Analysen und Studien zum Thema, mit unserer Expertise bei Anhörungen sowie Workshops für Politiker*innen tragen wir dazu bei, dass Gesetze entwickelt werden, die das Internet gerechter machen.
Mit unseren Petitionen und Kampagnen, zum Beispiel unserer Petition „Ungewollt nackt im Netz: Porno-Manipulation jetzt stoppen!“ gegen den Missbrauch durch Face Swap Apps, möchten wir die Stimme der Zivilgesellschaft an die Politik herantragen. Wir sind damit ein entscheidender Gegenpol zu den großen Online-Plattformen, die viel Geld in ihre Lobbyarbeit stecken und selten im Interesse der Betroffenen handeln.
Ist HateAid für eine Klarnamenpflicht?
Nein. Wir sind der Meinung, dass alle Menschen das Recht haben, sich im Netz frei zu bewegen. Dazu gehört, dass Menschen im Netz anonym auftreten dürfen. Zu einem freien Internet gehört außerdem, dass niemand Hass oder Gewalt erfahren sollte, bzw. dass sich Menschen in diesem Fall gegen Täter*innen wehren können sollten. Das legt unser Grundgesetz fest.
Deswegen sind wir für eine Verbesserung der Auskunftsansprüche bei Plattformen und Internetanbietenden, aber nicht für eine Klarnamenpflicht.
Der Auskunftsanspruch bezieht sich auf die IP-Adresse und kann nur im Falle einer schweren Persönlichkeitsverletzung gerichtlich beantragt werden. So kann gewährleistet werden, dass Menschen sich ohne Klarnamen im Internet bewegen können, aber auch alle gegen digitale Gewalt vorgehen können.
Wenn HateAid sich für das Melden und Löschen von Hass-Postings einsetzt, ist das doch Zensur?
HateAid schützt mit seiner Arbeit die Meinungsfreiheit im digitalen Raum und wendet sich gegen jede Form von Zensur. Wir wollen allen Menschen die Möglichkeit geben, sich im Internet an Diskussionen zu beteiligen, ohne Zielscheibe von Hass und Gewalt zu werden. So schützen wir die Meinungsfreiheit der vielen, die sich heute schon nicht mehr trauen ihre Meinung zu sagen, weil sie Angst vor Hass und Hetze haben. Hier folgen wir unserem Grundsatz, dass sich der demokratische Diskurs auf allen Seiten innerhalb der Grenzen des Erlaubten bewegen muss.
Meinungsfreiheit bedeutet jedoch nicht, dass alle alles posten können, was ihnen in den Sinn kommt. Im digitalen Raum gelten die gleichen Regeln und Gesetze wie im analogen Raum. Wer strafbare Hasskommentare oder Morddrohungen postet, handelt nicht mehr im Rahmen der Meinungsfreiheit, sondern hat ihre Grenzen klar überschritten. Diese Person macht sich strafbar. Es ist keine Zensur, strafrechtlich relevante Inhalte zu entfernen. Im Gegenteil: Es ist unser aller Recht, dies im Namen des Gesetzes zu tun.
Durch unsere Arbeit ermutigen wir Betroffene von digitaler Gewalt, nicht still zu werden, sondern sich weiter im Netz zu beteiligen. So stärken wir die Meinungsfreiheit. Ohne diesen Rückhalt ziehen sich Menschen zurück und sagen ihre Meinung nicht mehr. Das ist fatal für eine demokratische Gesellschaft.