Beispiellose Hasswelle gegen Renate Künast: Verursacher muss sich in Berufungsverfahren verantworten
Rechtsextremist will Freiheitsstrafe von 11 Monaten anfechten
Heute beginnt vor dem Landgericht Halle das Berufungsverfahren im Strafverfahren gegen den bundesweit bekannten Rechtsextremisten Sven Liebich. Er hatte 2016 u. a. ein Falschzitat der Politikerin Renate Künast (Bündnis 90/ Die Grünen) auf seinem Blog und bei Facebook verbreitet. Außerdem werden ihm die Verleumdung des SPD-Politikers Martin Schulz, Beleidigungen in drei weiteren Fällen, die Beschimpfung religiöser Bekenntnisse und Volksverhetzungen zur Last gelegt. In der ersten Instanz wurde Liebich zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Monaten verurteilt. Dagegen legte er Berufung ein.
Die gemeinnützige Organisation HateAid unterstützt Nebenklägerin Renate Künast auch während des Berufungsverfahrens. Der bekannte Rechtsextremist wird seit Jahren vom Verfassungsschutz Sachsen-Anhalt beobachtet1. 2016 hatte er auf seinem Blog sowie auf der Social-Media-Plattform Facebook ein Meme mit einem Falschzitat von Renate Künast verbreitet. Es löste eine beispiellose Welle an Hass und Hetze gegen die Politikerin aus, die bis heute anhält. Unter dem Meme sammelten sich immer wieder beleidigende Kommentare in den sozialen Medien. Renate Künast ging hiergegen auch zivilrechtlich sogar bis zum Bundesverfassungsgericht vor.
Dazu Nebenklägerin Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen), MdB:
„Dieser Prozess zieht sich nun schon seit über fünf Jahren hin. Als Betroffene braucht man einen sehr langen Atem, bis die Täter*innen zur Rechenschaft gezogen werden. Wir müssen dafür sorgen, dass Hatespeech im Netz von allen Strafverfolgungsbehörden als das verstanden wird, was es ist: eine gezielte und systematische Bedrohung unserer Demokratie. Gut, dass dieses Verfahren nun weiter geht. Es wird hoffentlich zeigen, dass Staat und Rechtsprechung die Grundlagen unserer Gesellschaft schützen und nicht wegsehen.“
Das Amtsgericht Halle hatte Sven Liebich im September 2020 wegen Verleumdung gegen Personen des öffentlichen Lebens, übler Nachrede, Volksverhetzung und Beschimpfung von religiösen Bekenntnissen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 11 Monaten auf Bewährung verurteilt. Der damalige Prozess wurde überschattet von Liebichs Auftreten vor Gericht. So trug er etwa in seiner Hemdtasche ein rotes Dreieck – ein Symbol, das politische Gefangene während der NS-Zeit im Konzentrationslager tragen mussten. Auch zahlreiche seiner Anhänger waren damals vor Ort, viele mit der Aufschrift „Schauprozessbeobachter” auf ihrer Kleidung.
Josephine Ballon, Head of Legal bei HateAid zum Prozessauftakt:
„Wir sind guter Dinge, dass das Urteil des Berufungsgerichts nicht milder ausfallen wird. Renate Künast jedenfalls hat das Recht zum Schutz der Persönlichkeitsrechte von Politiker*innen auf ihrer Seite. Wir sehen immer wieder, wie Falschzitate von Politiker*innen mit dem Ziel in die Welt gesetzt werden, um zum Hass gegen sie aufzustacheln und so die Demokratie zu destabilisieren. Das ist kein Bagatelldelikt, für welches man mit einer kleinen Geldstrafe davonkommt, sondern kann durchaus auch mit einer Freiheitsstrafe geahndet werden.”
Das Verhalten des Sven Liebich habe Methode, so Rechtsanwalt Erkan Zünbül aus Leipzig, der Renate Künast vertritt. Es handele sich bei Liebich um einen zentralen Akteur neonazistischer Propaganda mit bundesweiter Bedeutung. Seine vielfältigen Merchandising-Produkte spiegelten dabei die jeweils aktuellen rechtsextremen und verschwörungsideologischen Kampagnen, so Zünbül:
„Der Angeklagte ist geistiger Brandstifter und verpestet das politische Klima. Die von ihm verwendeten Bilder und Symbole paraphrasieren Antisemitismus und Rassismus oft bis an die Grenze der Strafbarkeit und oft darüber hinaus. Er versucht durch einfache banale Darstellungen, Äußerungen und Falschmeldungen, das Klima zu beeinflussen und Hass gegen Menschen zu schüren, die nicht in sein Weltbild passen. Morddrohungen, Gewaltaufrufe, Beleidigungen und sogar tätliche Angriffe sind die Folge. Denn auch dies wird immer wieder deutlich: Auf Worte folgen Taten.”
Es sind insgesamt drei Verhandlungstermine angesetzt. Ein Urteil ergeht frühestens am 11. Oktober 2022.
Pressekontakt: presse@hateaid.org, Tel. 030 / 252 088 37