Deepfake-Pornos: Betroffene konfrontieren Wissing
HateAid hat gestern am Rande einer öffentlichkeitswirksamen Aktion eine Petition mit mehr als 76.000 Unterschriften an die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Digitales und Verkehr, Daniela Kluckert, übergeben. Die Organisation fordert darin endlich einen wirksamen Schutz vor Deepfake-Pornos. Sogenannte Face Swap Apps ermöglichen es neuerdings, mit wenigen Klicks jedes beliebige Gesicht in Videoaufnahmen zu montieren. Schon jetzt findet eine wachsende Zahl an Frauen Bilder von sich in Hardcore-Pornos wieder. Digitalminister Wissing hatte zuvor keine Zeit gefunden, die Petition entgegenzunehmen. Auch die Schauspielerin Collien Ulmen-Fernandes forderte Wissing nun dringend zum Handeln auf.
Face Swap Apps werden unter anderem genutzt, um Deepfake-Pornos etwa von Politiker*innen oder Journalist*innen zu erstellen. Immer wieder werden sie auf Porno-Plattformen hochgeladen. Für Betroffene ist es nahezu unmöglich, diese Inhalte zuverlässig wieder aus dem Netz zu bekommen. Studien kommen zu dem Ergebnis, dass rund 90 bis 95% aller Deepfakes nicht-einvernehmliche Pornographie betreffen, etwa 90% davon sei gegen Frauen gerichtet. In der Digitalstrategie verspricht die Bundesregierung, Grundrechte auch im digitalen Raum konsequent zu schützen. Doch angesichts der neuen Apps stehen Sicherheit und Selbstbestimmung von Millionen Bürger*innen auf dem Spiel.
In der Petition fordern die Organisationen HateAid, Anna Nackt und der Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe – Frauen gegen Gewalt e.V. (bff) von Bundesdigitalminister Wissing:
Ungewollte Manipulation von Nacktaufnahmen stoppen! Es sollte Anbietern derartiger Apps und sonstiger Dienste untersagt werden, die Erstellung von gefälschten Nacktfotos und pornographischen Videos zu ermöglichen.
Manipulations-Apps raus aus den App-Stores! Die Stores sollten in die Pflicht genommen werden, derartige Angebote zu sperren.
Mit starken Gesetzen die ungewollte Manipulation stoppen! In den meisten Fällen handelt es sich bei der Verbreitung gefälschter Nacktaufnahmen um Beleidigung, Verleumdung oder Verletzung des Rechts am eigenen Bild. Diese Delikte werden als minder schwere Straftaten nur unzureichend verfolgt und zu oft auf den Privatklageweg verwiesen. Doch wenn sie öffentlich im Netz begangen werden, sind sie keine Privatsache. Wir fordern daher, sie in diesen Fällen als relative Antragsdelikte auszugestalten, um sie allein aufgrund des öffentlichen Interesses verfolgen zu können.
Dazu Anna-Lena von Hodenberg, Geschäftsführerin von HateAid:
„Deepfake-Pornos sind eines der perfidesten Instrumente, um Frauen und Mädchen im Netz zu erniedrigen. Die neuen Apps machen das jetzt in Sekundenschnelle möglich. Wenn sich solche Inhalte erst einmal online verbreiten, kriegt man sie kaum wieder eingefangen. Gerade junge Mädchen sind besonders gefährdet. Wir rechnen mit einer Vielzahl zukünftiger Betroffener. Digitalminister Wissing könnte jetzt Millionen von ihnen vor der sexualisierten Gewalt schützen.“
Denn wie die Welt zukünftig dank solcher Apps und Angebote aussehen könnte, wenn der Digitalminister nicht handelt, zeigt ein aktueller Fall in Spanien: An mehreren Schulen des spanischen Ortes Almendralejo kursierten KI-generierte Nacktfotos von mehreren Mädchen. Die Bilder wurden mithilfe einer offen zugänglichen Webseite erstellt. Dazu brauchten die Täter lediglich Fotos der Mädchen, auf denen diese bekleidet sind – etwa Profilbilder von WhatsApp oder Instagram. Anschließend wurden die generierten Deepnudes in WhatsApp-Gruppen geteilt. Mehr als 20 Mädchen im Alter von elf bis 17 Jahren sind betroffen. Das löste einen nationalen Skandal und eine Diskussion um Regulierung und Gesetzgebung in Spanien aus. Die gemeinnützige Organisation HateAid erwartet künftig eine Vielzahl solcher Fälle auch in Deutschland.
Dazu die selbst betroffene Moderatorin und Schauspielerin Collien Ulmen-Fernandes:
„Wenn die Bundesregierung uns nicht endlich vor Porno-Manipulationen schützt, wachsen unsere Töchter mit dieser neuen Normalität auf. Die Deepfake-Fotos und Videos wirken mittlerweile täuschend echt. Zahlreiche Frauen wurden damit schon in Misskredit gebracht. Ich werde das so nicht hinnehmen und mich weiter mit HateAid für unsere Rechte einsetzen.”
In der Bundesregierung wird derzeit ein Digitales Gewaltschutzgesetz erarbeitet. 76.937 Menschen erwarten nun vom Digitalminister, dass er Gewaltschutz auch für Frauen und Mädchen umsetzt.
Fotos von der Aktion vor dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr finden Sie unten.
HateAid gGmbH
Die gemeinnützige Organisation HateAid wurde 2018 gegründet und hat ihren Hauptsitz in Berlin. Sie setzt sich für Menschenrechte im digitalen Raum ein und engagiert sich auf gesellschaftlicher wie politischer Ebene gegen digitale Gewalt und ihre Folgen. HateAid unterstützt Betroffene von digitaler Gewalt konkret durch Beratung und Prozesskostenfinanzierung. Geschäftsführerinnen sind Anna-Lena von Hodenberg und Josephine Ballon.
HateAid ist Trägerin der Theodor-Heuss-Medaille 2023.
Pressekontakt: presse@hateaid.org, Tel. +49 (0)30 25208837