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Eine nackte Frau von hinten und der Text #NotYourPorn

#NotYourPorn! Wir sprechen mit … ANNA NACKT

ANNA NACKT ist eine soziale Plattform, die sich für Menschen einsetzt, deren intime Fotos oder Videos gegen ihren Willen im Internet geteilt wurden. Anna* ist dieser Albtraum selbst widerfahren. Im Interview erzählt sie uns, wie sie mit dieser Situation umgegangen ist, welche Hilfe sie bekommen hat (oder auch nicht) und was sie sich von der Politik und Betreiber*innen von Pornoseiten wünscht, damit die Privatbilder anderer Menschen besser geschützt werden können.

Liebe Anna, als Gründerin von ANNA NACKT hast du selbst erfahren, wie es ist, deine eigenen Bilder ungewollt im Netz zu finden. Wie hast du in diesem Moment reagiert?

Anna: Mit Panik. Ich habe nicht verstanden wie diese Bilder im Internet landen konnten und habe gedacht: „Die werden jetzt für immer online bleiben!“ Dann bin ich in einen Aktionismus verfallen, habe hunderte E-Mails geschrieben und stundenlang das Internet nach Antworten durchsucht. Irgendwann konnte ich nur noch abwarten, dass meine E-Mails und Anfragen beantwortet werden. Nach etwa einem Tag habe ich dann mit Erleichterung festgestellt, dass die Bilder offline genommen wurden. Das hat sich allerdings nur wenige Wochen gehalten, dann waren sie wieder online. Heute gehe ich damit recht automatisiert um und weiß, welche Schritte ich zu tun habe, damit sie wieder offline genommen werden.

Du hast dich auch an die Polizei gewendet. Wie war diese Erfahrung für dich? Hattest du das Gefühl, dass man dir wirklich helfen wollte oder konnte?

Anna: Leider habe ich eine sehr frustrierende Erfahrung gemacht und höre das auch immer wieder von anderen Betroffenen. Zum Einen gab es sehr wenig Verständnis für meine Situation. Ich musste beispielsweise mehrmals erklären, dass ich die Bilder mit Sicherheit nicht selbst hochgeladen habe und mich dafür rechtfertigen, dass es solche Bilder überhaupt von mir gibt. Im Endeffekt wurde also mir die Schuld für eine Straftat gegeben, die jemand anderes mir angetan hat. Zum Anderen war ich teilweise schockiert von dem fehlenden technischen Verständnis der Polizei. Mir wurde zum Beispiel geraten, bei Google anzurufen, um nachzufragen, ob sie nicht etwas gegen die Bilder im Internet machen könnten. Für mich zeigt diese Erfahrung, dass wir dringend in bessere Schulungen für die Ermittlungsbehörden und auch für Hilfestellen investieren müssen. Die dort arbeitenden Personen brauchen bessere Unterstützung, um mit von digitaler Gewalt Betroffenen umzugehen.

Bei ANNA NACKT setzt ihr euch für Menschen ein, die das gleiche Schicksal teilen. Was ratet ihr ihnen? Wie geht man vor, wenn intime Bilder ungefragt veröffentlicht werden?

Anna: Erstmal ist es wichtig zu sagen: es sind nicht nur Frauen und Mädchen, die betroffen sind. Die wenigen Zahlen, die es zu dieser Art von Gewalt gibt, lassen zwar darauf schließen, dass es über 90 % Frauen/Mädchen sind, aber gerade in der LGBTQIA* Gemeinschaft hören wir immer wieder, dass auch Männer und Personen mit sogenannten „diversen“ Geschlechteridentitäten betroffen sind.

Allen Betroffenen raten wir im ersten Moment, durchzuatmen und sich vor Augen zu führen, dass es nicht ihre Schuld ist und dass sie einen Ausweg finden werden. Dann sollte der nächste Schritt Beweissicherung und Kontaktaufnahme mit den Websites sein, dazu gehört auch nochmal, weiter zu suchen, auf welchen Websites die Bilder eventuell noch sind. Die Beweissicherung ist sehr wichtig für den späteren Austausch mit der Polizei und ggf. mit Anwält*innen. Die Kontaktaufnahme mit der Webseite kann etwas komplizierter sein, jedoch haben wir bisher die Erfahrung gemacht, dass es sich lohnt und die Bilder zumindest erstmal runtergenommen werden – leider jedoch oft später wieder hochgeladen werden. Wir raten auch immer Anzeige zu erstatten, verstehen aber auch, dass manche Personen das aus unterschiedlichen Gründen erstmal nicht in Betracht ziehen. Mehr Details könnt ihr auch auf unserem „Was-Tun-Guide“ auf unserer Website finden.

Oft wird die Schuld bei den Opfern selbst gesucht. Wie schafft ihr es, betroffenen Frauen und Mädchen zu vermitteln, dass die Veröffentlichung nicht ihre Schuld ist?

Anna: Ich wünschte, darauf hätten wir bereits eine gute Antwort gefunden. Aktuell haben wir dafür vor allem drei Ansätze: (1) Wir reden offen über unsere persönliche Erfahrung, um so den Scham zu reduzieren, (2) Wir wiederholen in jeder Email/jedem Telefonat mit den Betroffenen sehr bewusst und mehrmals, dass es nicht ihre Schuld ist und (3) Wir nutzen Vergleiche, z.B. Vergewaltigungsopfern wurde früher (und teilweise auch heute noch) oft gesagt „Hättest du nicht so einen kurzen Rock angehabt, wäre das nicht passiert“. Das ist natürlich Quatsch: Solange eine Person nicht die klare Einwilligung gibt angefasst zu werden, ist es völlig egal was sie gemacht hat oder wie sie sich verhalten hat, niemand darf sie gegen ihren Willen anfassen. Ähnlich ist es bei Bildern (damit möchte ich die individuellen Erfahrungen jedoch auf gar keinen Fall gleichsetzen!): Jede*r hat das Recht, Bilder von sich zu machen wie sie*er will und diese auch mit Personen zu teilen. So lange die Person nicht einwilligt, dass diese auf Porno-Plattformen (oder wo auch immer) verbreitet werden, ist das schlicht eine Straftat für die die Täter*innen zur Verantwortung gezogen werden müssen.

Das ungefragte Posten von Nacktbildern oder Videos wird oft als „Revenge Porn“ bezeichnet. Wie steht ihr zu diesem oft kritisierten Begriff? Ist es nach eurer Erfahrung tatsächlich meistens der Ex-Partner, der die Bilder postet oder werden viele Betroffene auch gehackt und ihre Bilder auf diese Art und Weise veröffentlicht?

Anna: Wir sehen den Begriff sehr kritisch und beurteilen ihn als schlicht falsch, da er nicht die Realität widerspiegelt.

Auch wenn statistisch gesehen vermutlich die meisten dieser Straftaten von Ex-Partner*innen begangen werden, gibt es tatsächlich zahlreiche Fälle, in denen die Bilder anders im Netz gelandet sind. In meinem persönlichen Fall wurde beispielsweise meine Cloud gehackt und die Bilder so online gestellt. Und selbst wenn es der*die Ex-Partner*in war, ist auch nicht immer „Rache“ das Motiv. Wir hatten beispielsweise auch einen Fall, da hat ein Ex-Partner die Bilder hochgeladen, weil ihn das erregt hat.

Der Begriff ist allerdings nicht nur aufgrund des Wortes „Revenge“, sondern auch aufgrund des Wortes „Porn“ problematisch. Denn die Bilder zeigen keine pornographischen Inhalte, heißt, keine einvernehmlich aufgenommenen Szenen, die zum Entertainment vieler gedacht waren, sondern stattdessen stellen sie einen Missbrauch dar. Wir würden die abgebildeten Personen ja auch niemals „Porno-Stars“ nennen. Viel besser, wenn auch etwas komplizierter, ist daher der Begriff bildbasierter sexueller Missbrauch („image-based sexual abuse“).

In Kooperation mit HateAid und change.org habt ihr eine Petition* zur Strafverfolgung des Missbrauchs persönlicher Bilder und Videos auf Porno-Plattformen ins Leben gerufen. Was fordert ihr von den Betreiber*innen der Plattformen und auch von der Politik, um das Recht am eigenen Bild zu gewährleisten?

Anna: Wir fordern, dass die Betreiber*innen die Inhalte schneller löschen, eine Kontaktperson in Deutschland stellen, Betroffenen Auskunft geben und das Material vor der Veröffentlichung besser prüfen. Zum letzten Punkt: Dafür haben wir bisher keine perfekte praktische Lösung, denn der in diesem Kontext viel diskutierte „Uploadfilter“ ist in unseren Augen bisher keine gute Lösung. Im ersten Schritt ist es uns wichtig, dass Plattformen verhindern, dass Material, das schon mal als Missbrauchsmaterial gekennzeichnet wurde, nochmal hochgeladen wird. Dafür könnten sie beispielsweise eine Datenbank aufbauen, wie es teilweise bereits mit Missbrauchsmaterial von Kindern gemacht wird. Insgesamt ist da noch sehr viel zu tun, wie auch diese Reportage von VICE zeigt.

Von der Politik fordern wir die rechtliche Grundlage für die Forderungen an die Betreiber*innen zu schaffen und unter anderem auch Bußgelder zu erheben, sollten die Forderungen nicht eingehalten werden. Deshalb fordern wir, dass Porno-Plattformen explizit ins NetzDG einbezogen werden.

Außerdem, wie anfangs aufgezeigt, braucht es unbedingt vermehrt Schulungen und Sensibilisierung der Ermittlungsbehörden. Nur so können wir die Täter*innen letztendlich zur Verantwortung ziehen und somit das Internet sicherer für alle machen.

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*ANNA NACKT hat zusammen mit HateAid, change.org und Am I In Porn die Petition #NotYourPorn ins Leben gerufen. Das Ziel der Petition ist es, 75.000 Unterschriften zu sammeln, damit der Missbrauch des eigenen Bildes auf Pornowebsites endlich strafrechtlich verfolgt wird. Wenn auch du unterschreiben möchtest, folge einfach diesem Link.

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