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Digitale Bedrohungen für das Gedenken 

Gedenkstätten sind Orte der Erinnerung, des Lernens. Sie dokumentieren die Vergangenheit, damit wir Gegenwart und Zukunft gestalten. Mit ihrem Wirken sind diese Stiftungen essenzieller Bestandteil für die demokratische Bildung. So wie die Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, die Bildungsarbeit zu den Verbrechen des Nationalsozialismus und der Shoah leistet. Das macht sie immer häufiger zum Ziel von digitalen Angriffen, wie uns ihr Direktor Jens-Christian Wagner im Interview erzählt. 

Geschichte ist Gegenwart: Gedenkstätten für eine starke Demokratie 

„Die Freiheit, die von der Gleichheit und der Brüderlichkeit getrennt wird, heißt nicht mehr Freiheit. Sie heißt Egoismus …” steht auf der Webseite der Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora. Das Zitat stammt vom ehemaligen französischen Premierminister und Opfer des Nazi-Regimes Leon Blum. Weiter schreibt er: „Die innerhalb der Mauer der Nation eingesperrte Freiheit heißt nicht mehr Freiheit, sie heißt Krieg.“ Gedenkstättenarbeit erinnert daran, warum unsere demokratische Freiheit so wichtig ist. 

Seit 1950 besteht die Gedenkstätte Buchenwald in Thüringen, Weimar. Dort, wo 1937 das Konzentrationslager „Buchenwald” von den Nationalsozialist*innen errichtet und Zehntausende Menschen grausam gefoltert und ermordet wurden. An jene Vergehen an der Menschheit erinnert die Institution mit Ausstellungen, Rundgängen, Online-Angeboten und weiteren Veranstaltungen. Mit ihrer Arbeit gedenkt die Stiftung der Opfer des Nationalsozialismus und der Shoa.  

Für Jens-Christian Wagner heißt „Geschichtsbewusstsein stärken, Gegenwartsbewusstsein stärken”. Wie wir unsere Gesellschaft gestalten wollen, erkennen wir aus der Geschichte bzw. „in welcher Gesellschaft wir nicht leben wollen: eine wie der des Nationalsozialismus, die radikal rassistisch und antisemitisch strukturiert gewesen ist und vor allen Dingen sich darüber definierte, wer nicht zu dieser Gesellschaft gehöre”, so Wagner. Deswegen ist ihm der Aspekt der Bildungsarbeit durch Gedenkstätten so wichtig

Die Stiftung der Gedenkstätte würdigt mit ihrer Arbeit die Opfer des Nationalsozialismus und der Shoa. Foto: Shutterstock / Clara Müller

Digitale Angriffe gegen Erinnerungsstätten 

Dass Mitarbeitende von Erinnerungsstätten mit Angriffen auf ihre Arbeit rechnen müssen, ist leider keine Überraschung. Sie positionieren sich öffentlich gegen rechtsextreme und andere menschenverachtende Ideologien und geraten so vor allem in den Fokus von rechten Gruppierungen und Neonazis.

Besonders der Geschichtsrevisionismus macht Gedenkstätten vulnerabel für rechte Attacken. Dazu zählen die Leugnung, Verharmlosung oder Relativierung der nationalsozialistischen Verbrechen sowie die Verhöhnung ihrer Opfer. Narrative, die in der rechten Szene häufig digital verbreitet werden.   

Jens-Christian Wagner berichtet, dass verbale Angriffe, die Zerstörung von Mobiliar oder anderen Gegenständen bis hin zu tätlichen Übergriffen seit jeher zum Arbeitsalltag der Gedenkstätten-Mitarbeitenden gehören. Doch die Belastung wird mehr – sowohl im analogen, aber insbesondere auch im digitalen Bereich:

Im Grunde vergeht kaum ein Tag, an dem es nicht Hasskommentare unter unseren Social-Media-Posts gibt oder wir beleidigende E-Mails erhalten.

 

Im Austausch mit anderen Einrichtungen, zum Beispiel mit dem Gedenkstättenverband Deutschland, sieht Wagner, dass es nicht nur ein Problem der Gedenkstätte Buchenwald ist: Die meisten anderen Institutionen erfahren ebenfalls analoge und digitale Angriffe.  

Todesdrohungen gegen Angestellte in der Gedenkstätte Buchenwald 

Die Gedenkstätte Buchenwald erlitt im Winter 2022 einen massiven Shitstorm. Der Grund waren die behördlich angeordneten 2G-Regeln während der Corona-Pandemie. Auch die Gedenkstätte musste diese Maßnahmen durchsetzen. Die Folge: Rechtsgerichtete Medien und Blogger*innen hetzten, dass „ausgerechnet eine Gedenkstätte, die an Unrecht im Nationalsozialismus und Ausgrenzung im Nationalsozialismus erinnert, nun selbst zum Täter wird, indem sie ungeimpfte ausgrenzt,” erinnert sich Herr Wagner.

Die geschichtsrevisionistische Erzählung, dass es Ungeimpften genauso erginge wie jüdischen Menschen während der NS-Terrorherrschaft, ist hier deutlich zu erkennen. Doch das Narrativ schlug an. Die Gedenkstätte erreichten Hass-E-Mails im Minutentakt, Todesdrohungen in digitalen Postfächern, Hasskommentare auf den Social-Media-Kanälen. 

Der erste große Shitstorm gegen die Gedenkstätte erhielt sie, nur weil sie gesetzliche Regeln während der Corona-Pandemie einhielt. Foto: Shutterstock / Steklo

Auch die politische Positionierung der Gedenkstätte während der Thüringer Landtagswahlen 2024 löste eine digitale Desinformationskampagne aus. In einer Postwurfsendung wies die Stiftung Buchenwald auf die Wichtigkeit von Geschichte und Erinnerung hin. Demokratiefeindliche Akteur*innen strickten daraus online die Lüge, dass diese Aktion mit Steuergeldern bezahlt worden wäre. Ein weiterer Shitstorm ging auf die Gedenkstätte nieder. 

Gewalt gegen Gedenkstätten: Digital und analog eng verzahnt 

An den Erzählungen von Jens-Christian Wagner wird der Zusammenhang von digitaler und analoger Gewalt deutlich. Er berichtet, dass im Zuge des letzten Shitstorms Briefe mit schweren Beschimpfungen und sogar Morddrohungen an ihn geschickt wurden:

Zum Beispiel schickte mir jemand einen Brief mit einem Foto von mir, auf das ein Strick um meinen Hals gemalt wurde. Also, als würde ich an einem Galgen hängen und darunter stand ‘ein Galgen, ein Strick, ein Wagnergenick’.

Auch per E-Mail erreichten ihn ähnliche Todesdrohungen. Der analoge und digitale Hass bestärkt sich gegenseitig und trifft die Betroffenen von allen Seiten. 

Für die Mitarbeiter*innen an Gedenkstätten bedeutet das nicht nur, dass sie die vielen Hassnachrichten und Kommentare managen müssen, es heißt auch, sich selbst und die Familie zu schützen. Das tun sie, indem sie alles, was potenziell justiziabel ist, anzeigen. Im Alltag halten sie Sicherheitsmaßnahmen ein, wie etwa zu prüfen, ob sie auf der Straße verfolgt werden, oder die Vorhänge im Arbeitszimmer zu schließen, sobald es dunkel wird.

Für Wagner gehört es täglich vor einer Autofahrt dazu, zu prüfen, „wie mein Auto aussieht, ob da irgendwelche Schrauben gelockert sind.” Ihm wurde bereits an seinem Nummernschild rumgeschraubt. Bis heute weiß er nicht, ob das nur ein Streich war oder eine ernstzunehmende Warnung, nach dem Motto: „Wir wissen, wo du wohnst und welches dein Auto ist”.  

Die Auswirkungen auf den Alltag der Betroffenen sind einschneidend: Einerseits wehren sie sich digital gegen Angriffe und sichern sich online ab, andererseits schützen sie sich bei alltäglichen analogen Aktivitäten – beides aus Angst um ihr Wohlergehen

Trotz Einschüchterung weitermachen 

Wagner betont, dass Vorsicht geboten ist, es aber nicht zu sehr einschränken darf – und vor allem darf es nicht am Weitermachen hindern. Gerade jetzt, da immer mehr antidemokratische Politiker*innen an Einfluss gewinnen und im Internet rechter Hass immer lauter wird, dürfen Gedenkstätten nicht aufgeben.  

Die Mitarbeiter*innen der Gedenkstätte erkennen: Es müssen jetzt alle Demokrat*innen gemeinsam im Netz Präsenz zeigen. Foto: Shutterstock / EF Stock

Im Netz ist rechtes Gedankengut weitverbreitet und leicht zugänglich. Für Jens-Christian Wagner und Kolleg*innen bedeutet das, „als Gedenkstätten auf die Verbreitung von antidemokratischer Ideologie und den zunehmenden Geschichtsrevisionismus einzugehen. Es heißt aber auch, digitaler zu werden.”

Wagner weiter: „Mit unseren Social-Media-Kanälen versuchen wir, unsere Inhalte an ein breites Publikum zu bringen. Den Unmengen an Fake News, Hass und Krawall wollen und müssen wir mit quellenbasierten und wissenschaftlichen Informationen gegensteuern. Demokratiefördernde Initiativen müssen im Netz präsent sein.” 

Zivilcourage zeigen: Das ist die Devise 

Die Arbeit von Jens-Christian Wagner, seinen Kolleg*innen und anderen Gedenkstätten ist in der jetzigen Zeit besonders wichtig – und besonders gefährdet. Doch Wagner und sein Team lassen sich nicht einschüchtern. Sie machen auf die Missstände aufmerksam, zeigen digitale und analoge Straftaten an und halten solidarisch mit anderen zusammen. Für ihn bleibt am Ende des Interviews nur noch zu sagen:

Mein Appell ist: Zivilcourage zeigen! Weil Demokratie vom Mitmachen lebt. Und davon, dass man seinen Mund aufmacht.

Diesen Appell sollten wir alle beherzigen – auf der Straße wie im Netz. Nur gemeinsam können wir eine sichere und demokratische Gesellschaft für alle gestalten. 

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Titelbild: Jens Meyer, Universität Jena

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