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Bild mit Text "Dieser Beitrag wurde gesperrt" mit Fotos von Katja Diehl (Journalistin), Ines Imdahl (Unternehmerin) und Peter Jelenik (Gründer)

Overblocking auf LinkedIn: Betroffene fordern Transparenz

Ein Post gegen Rechtsextremismus, oder lieber nicht. Viele LinkedIn-Nutzer*innen berichten uns, dass sie nicht mehr sicher sind, worüber sie posten können. Seit Anfang 2024 hören wir von ihnen immer häufiger, dass ihre demokratiefördernden Posts auf dem Berufsnetzwerk gesperrt werden. Dieses Phänomen, bekannt als „Overblocking“, kennen wir bereits von Plattformen wie X und TikTok.

LinkedIn ist eine Berufsplattform und darf politischen Content daher anders als klassische soziale Netzwerke moderieren. Dennoch muss LinkedIn ebenso wie andere Plattformen den EU-Vorgaben folgen. Dazu gehört unter anderem, dass sie konkret begründen müssen, warum sie einen Inhalt entfernen. Der Verweis auf die allgemeinen Geschäftsbedingungen reicht nicht aus. Diese Vorgabe wird derzeit von LinkedIn nicht erfüllt, erzählen uns Betroffene.

Das Problem: Die fehlende Begründung führt bei Betroffenen zu großer Unsicherheit. Denn sie fürchten, dass ihre Posts – oder im schlimmsten Fall ihre Profile – von der Plattform gelöscht werden. Einige fühlen sich deshalb in ihrer Meinungsfreiheit eingeschränkt und trauen sich nicht mehr über politische Inhalte zu posten – selbst, wenn sie sich für die Demokratie einsetzen möchten. Wir haben mit sechs Betroffenen gesprochen.

Person am Laptop, die auf LinkedIn-Community-Richtlinien guckt.
Auf LinkedIn fehlt es in konkreten Informationen zu der automatisierten Inhaltsmoderation. Foto: Shutterstock / Kit Rin

Was heißt Overblocking?

Wenn Inhalte auf digitalen Plattformen fälschlicherweise durch automatisierte Inhaltsmoderation gesperrt oder eingeschränkt werden, spricht man von Overblocking. Dabei werden durch Algorithmen, Filter und andere Sicherheitsmechanismen der Plattformen Posts gelöscht, weil sie scheinbar gegen die Community-Richtlinien verstoßen – obwohl sie das in Wirklichkeit nicht tun. Diese Fehleinschätzung der automatischen Blockierfunktionen kann die Meinungsvielfalt und -freiheit in digitalen Räumen einschränken und sogar gefährden.  

Ein Beispiel: #TwitterSperrt

2019 hat X etliche Accounts ohne ersichtlichen Grund gesperrt. Darunter war auch der Account der Jüdischen Allgemeinen Zeitung und der von der Politikerin Sawsan Chebli1. Eigentlich sollten die damaligen Sicherheitsfunktionen vor Desinformation während der Europawahl schützen. Doch es traf immer mehr Nutzende, die sich in dieser Zeit gegen Demokratiefeind*innen auf der Plattform einsetzten.

Die Begründung von X: Ihre Posts würden die Europawahl beeinflussen2. Gerade für Presseakteur*innen und Politiker*innen, für die X damals eines der wichtigsten Sprachrohre darstellte, war diese Sperrung während der Europawahl fatal.

Overblocking auf LinkedIn: Das erleben Betroffene

Zwei Wochen vor der Europawahl 2024 habe ich einen Beitrag über ein psychologisches Phänomen gepostet. Es ging darum, wie schnell man sich an extremistische Aussagen gewöhnt. Ich schrieb, dass ich Angst vor dem Erstarken rechter Parteien und Gruppen habe. Der Post kam gut an. Doch dann erhielt ich eine Nachricht: Gesperrt wegen Verstoßes gegen die Community-Richtlinien.”

Ines Imdahl ist Psychologin und LinkedIn-Top-Voice

Ines Imdahl ist Psychologin und LinkedIn-Top-Voice.
Als Unternehmerin ist LinkedIn für Ines Imdahl eine ihrer wichtigsten Plattformen, um auf ihre Arbeit aufmerksam zu machen. 

Ähnlich erging es Sara-Estelle Gößwein, Gründerin der NGO „Unser Dialog“. Sie veröffentlichte eine Stellenausschreibung und hob dabei den demokratischen Wert ihrer Arbeit hervor. Kurz darauf erhielt sie die Nachricht, dass ihr Beitrag gesperrt wurde, weil er gegen die Community-Richtlinien verstoße.  

Auch ganze Organisationen wie Campact e.V. sind betroffen, so Peter Jelinek von TheGoodForces GmbH, der sich um die LinkedIn-Aktivitäten der NGO kümmert. Beiträge von Campact und seinen Mitarbeitenden, wie Geschäftsführer Christoph Bautz, werden regelmäßig gesperrt, eingeschränkt oder gelöscht – vor allem, wenn sie sich gegen Rechtsextremismus richten. Alle würden mit dem Hinweis gesperrt, dass sie gegen die Community-Richtlinien verstoßen würden. 

Konkrete Begründungen von LinkedIn für die Löschung der Beiträge erhielten die Betroffenen nicht. Mit den Meldungen des Verstoßes geht eine Warnung einher, dass der gesamte Account gesperrt werden könnte, wenn Beiträge zu häufig blockiert werden. Doch auch hier bleibt LinkedIn vage.  

Verstoß gegen die Community-Richtlinien. Aber warum?

In den Community-Regeln von LinkedIn steht, dass jegliche Form von Gewalt untersagt wird, Hass keinen Platz auf der Plattform hat oder gefälschte Informationen gegen die Richtlinien verstoßen. Das Netzwerk gibt aber in den AGBs oder Community-Richtlinien keine Auskunft darüber, welche Begriffe oder Formulierungen genau zu einer Blockierung führen.

Obwohl LinkedIn als Berufsnetzwerk nicht mit X oder anderen sozialen Medien vergleichbar ist, sollten sie klare Richtlinien zum Umgang mit politischen Inhalten schaffen und diese dann auch objektiv und einheitlich anwenden. Nur so können Sie dem Eindruck von Willkür und Overblocking begegnen.”

Josephine Ballon, HateAid-Geschäftsführerin

In unseren Gesprächen mit Betroffenen konnten wir einige Muster heraushören. Begriffe rund um Rechtsextremismus (z. B. die Nennung von bestimmten Parteien oder Politiker*innen) wurden häufig genannt. 

Doch auch andere Themen scheinen das Overblocking zu provozieren.  Bei der Journalistin Katja Diehl wurde zum Beispiel ein Video gelöscht, in dem sie sich kritisch zum „fossilen Patriarchat” äußert. Das Video wurde gelöscht, während die Caption stehen blieb. Johannes Ceh, Gründer von „Digital Streetworker“, sagt, dass es besonders häufig Menschen treffe, „die sich für Demokratie einsetzen, für gesellschaftliche Themen, wie Klimaschutz. Es sind vor allem Frauen und queere Menschen, die betroffen sind.”  

Für die Nutzer*innen ist das Vorgehen bei Sperrungen also völlig unklar. Dies führt dazu, dass das Blockieren von Inhalten willkürlich und zufällig wirkt. Die Betroffenen wissen lediglich, dass sie irgendwie gegen die Community-Regeln verstoßen haben. Das macht auch eine Beschwerde kaum möglich, da konkrete Gründe und damit eine Argumentationsgrundlage fehlen. 

Einwand gegen Sperrung und Kontakt mit LinkedIn

Beschweren über die Entscheidung können sich Nutzende bei LinkedIn. Doch die Beschwerde gegen eine Blockierung sei durch die Intransparenz nicht nur sehr zeitintensiv, sondern in vielen Fällen aussichtslos, erzählen uns unsere Interviewpartner*innen. 

Denn nachdem Betroffene die Meldung „Beitrag verstößt gegen die Community-Richtlinien“ erhalten, gelangen sie auf eine Seite, wo sie Beschwerde einreichen können. Doch „du kannst beim Einspruch nichts anderes tun, als dir nochmal die Community-Richtlinien durchzulesen und dann anzugeben, dass dein Post nicht dagegen verstößt”, so Peter Jelenik. Eine eigene Erklärung zum Beitrag könne durch die Nutzenden nicht hinterlassen werden. 

Peter Jelenik von The GoodForce GmbH
Peter Jelenik hat einige Inhaltsblockaden auf dem LinkedIn-Account von Campact e.V. bearbeitet. Mit uns hat er über die Probleme beim Beschwerdeweg gesprochen.

Unsere Gesprächspartner*innen erzählen, dass ihre Einwände meistens innerhalb von 48 Stunden abgelehnt wurden. Sara-Estelle Gößwein versuchte es dann über den Customer Service, erhielt jedoch nie eine Antwort. Ihr Beitrag wurde schließlich endgültig gelöscht, erzählt sie uns.

Betroffene, die direkte Kontakte zu LinkedIn haben, hatten andere Möglichkeiten, wie sich in den Interviews zeigte. Zum Beispiel verfügt Campact über Kontaktpersonen bei LinkedIn. Nur so erhielten sie eine E-Mail-Adresse und konnten darüber einige ihrer Blockaden aufheben.

Veränderung, jetzt! 

Katja Diehl, Journalistin
Katja Diehl will ein bessere Sicherheitsmechanismen auf LinkedIn, denn sie gibt die Plattform noch nicht auf. Foto: Garbe

Es braucht mehr Transparenz: Welche Begriffe führen zur Löschung? Und es braucht Kontaktpersonen: Eine Stelle, an die ich mich wenden kann und die meinen Fall prüft.”

Katja Diehl, Journalistin

So wie Katja Diehl sehen es auch die anderen Betroffenen. Es kann in ihren Augen nicht sein, dass misogyne oder rassistische Beiträge auf LinkedIn stehen bleiben würden, aber Posts für demokratische Werte gelöscht und oft nicht wiederhergestellt werden.   

Wie wir es eigentlich von anderen Plattformen kennen, sprechen Menschen nun auch schon über LinkedIn, so sagt beispielsweise Ines Imdahl: „Ich habe den Eindruck, dass man mundtot gemacht wird. Gerade, weil dieses strategische Melden tatsächlich von Demokratiefeind*innen eingesetzt wird. Das ist ein wirksames Mittel, um Menschen zu silencen und Meinungen zu verdrängen. Und dazu schüchtert es natürlich ein.” Ines Imdahl bezieht sich mit der Aussage darauf, dass User*innen gezielt andere blockieren oder melden, um sie aus dem Netz zu verdrängen.  

Viele der Betroffenen finden, dass LinkedIn eine Plattform sein könnte, auf der konstruktiver und demokratischer Austausch möglich wäre. Doch das, was ihnen passiert ist, lässt sie mittlerweile zweifeln. „LinkedIn hat eine Verantwortung darin, den Nährboden, auf dem es gewachsen ist, nämlich eine demokratische Gesellschaft, auch selbst zu unterstützen und zu fördern,” so Sara-Estelle Gößwein. 

Wir haben LinkedIn gefragt

Damit sich etwas verändern kann, ist eine enge Zusammenarbeit mit LinkedIn essenziell. Deswegen haben wir sie zum Thema Overblocking angefragt. Die Plattform betont, dass sie eine vertrauenswürdige und professionelle Berufsplattform bleiben möchten. Aus diesem Grund investiere sie in Sicherheitsstrukturen, die unseriöse oder illegale Inhalte von der Plattform entfernen würden: „Es ist wichtig, dass wir einen sicheren Raum schaffen, in dem diese Gespräche auf konstruktive und respektvolle Weise stattfinden können, und wir werden gegen alle Inhalte oder Verhaltensweisen auf LinkedIn vorgehen, die gegen unsere Richtlinien verstoßen.”

Die Plattform bleibt aber dabei, dass ihre bisherigen Vorkehrungen ausreichen. Wir denken nach unseren Gesprächen mit den Betroffenen, dass LinkedIn noch einige Strukturen anpassen könnte. Dazu gehen wir weiter mit ihnen in den Austausch.

Person öffnet Glastür und geht hindurch.
LinkedIn kann mit verbesserter Inhaltsmoderation die Teilhabe am politischen Diskurs auf der Plattform fairer gestalten. Foto: Shutterstock / Dmytro Zinkevych

Die Plattform hat jetzt es in der Hand

LinkedIn ist gesetzlich über den DSA zu einer transparenten Inhaltsmoderation verpflichtet, verdeutlicht unsere Head of Legal, Franziska Benning. Das Netzwerk bietet Nutzer*innen bereits einen internen Beschwerdeweg bei Moderationsentscheidungen an und kommt damit Artikel 20 DSA nach. Doch nach Artikel 17 sind sie auch dazu verpflichtet, dass diese Entscheidungen begründet werden müssen und von User*innen nachvollziehbar sind. Unsere Interviews zeigen, dass dies für viele Betroffene nicht der Fall ist.

Damit die Nachvollziehbarkeit gesichert ist sollte LinkedIn auch als Berufsnetzwerk klare Regelungen in den AGBs treffen und verständlich für Nutzer*innen aufzeigen, welche Inhalte auf der Plattform auf welcher Grundlage nicht erlaubt sind. Dazu sind sie nach Artikel 14 DSA verpflichtet.

Gegen DSA-Verstöße können Betroffene Beschwerde bei der Bundesnetzagentur einreichen. Wie das geht, haben wir in einem Leitfaden festgehalten.

Unser Legal-Team schlägt weiter vor, dass zusätzlich zum internen Beschwerdemanagementsystem eine unabhängige Stelle hilfreich sein kann, um falsche Inhaltsmoderationen schnell aufzuklären. Eine transparente und faire Überprüfung der Fälle könnte Nutzer*innen so von der Plattform ermöglicht werden.

Wenn du von scheinbar willkürlichen Sperrungen auf LinkedIn oder anderen Plattformen betroffen bist, melde dich gerne bei unseren Berater*innen.

  1. Deutschlandfunk Kultur (2019): Was steckt hinter den Accountsperrungen bei Twitter? ↩︎
  2. ebd. ↩︎

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