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Hass wirksam löschen: für Facebook angeblich unzumutbar. Verhandlungsauftakt im HateAid-Grundsatzprozess Künast gegen Facebook

In einem von HateAid finanzierten Grundsatzprozess gegen die Social-Media-Plattform Facebook fand heute vor dem Landgericht Frankfurt am Main die mündliche Verhandlung statt. Facebook bzw. Meta versuchte erneut, eine Verantwortung für die Löschung massenhaft verbreiteter rechtswidriger Inhalte auf der Plattform von sich zu weisen. HateAid und Klägerin Renate Künast fordern hingegen, Betroffene von digitaler Gewalt besser zu schützen und illegale Inhalte proaktiv zu identifizieren und zu löschen. 

Gegenstand der Klage ist ein Meme mit einem Falschzitat, welches Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen) zugeschrieben und massenhaft auf Facebook verbreitet wird. Es soll gerichtlich geklärt werden, ob Facebook verpflichtet ist, nicht nur konkret gemeldete Memes im Einzelfall, sondern auch proaktiv wort- und sinngleiche Inhalte zu suchen und zu entfernen. Bisher sind Betroffene verpflichtet, selbst diese Inhalte auf der Plattform aufzuspüren und zu melden. Erst dann ist Facebook bereit, diese ggf. zu löschen. In der heutigen Verhandlung vor dem Landgericht Frankfurt am Main lehnte Facebook eine grundsätzliche Pflicht zur proaktiven Löschung solcher Inhalte ab. Das Urteil wird noch in diesem Jahr erwartet.

Social-Media-Unternehmen wie Facebook bzw. Meta verweigern seit Jahren ihre Mitwirkung, sodass illegale Inhalte massenhaft und unkontrolliert im Netz verbreitet werden. Renate Künast und HateAid wollen gerichtlich klären lassen, wie weit die Mitwirkungspflichten von sozialen Medien bei der Entfernung dieser Inhalte reichen. Das Gericht betonte in der heutigen Verhandlung, dass bei Falschzitaten von in der Öffentlichkeit stehenden Personen – wie Politiker*innen oder auch Wissenschaftler*innen, für die ihre Glaubwürdigkeit ihr Kapital darstelle – ein strenger Maßstab für die Bemessung der Rechtswidrigkeit gelte. Zwar komme Facebook keine allgemeine Pflicht zu, alle Inhalte auf der Plattform zu überwachen. Doch das Unternehmen müsse nach Hinweisen auf rechtswidrige Inhalte im Rahmen des technisch und wirtschaftlich Zumutbaren reagieren.

Vor Gericht argumentierte der Konzern, dass die technischen Möglichkeiten zum Auffinden der Memes nur teilweise verlässlich seien. Daher bedürfe es zusätzlich immer einer menschlichen Überprüfung. Hierbei handle es sich um eine autonome Prüfpflicht, die europarechtlich jedoch nicht zulässig sei. Sie beriefen sich zudem darauf, dass Persönlichkeitsrechtsverletzungen täglich auf der Plattform stattfänden und ein effektives Vorgehen dagegen daher nicht zumutbar sei.

HateAid und Renate Künast sind der Auffassung, dass es dem Konzern sehr wohl zumutbar ist, alle technischen Mittel auszuschöpfen und für ausreichende personelle Ressourcen zu sorgen, um Nutzende auf der Plattform zu schützen.

Dazu Josephine Ballon, Head of Legal bei HateAid:

„Für Betroffene von digitaler Gewalt ist diese Argumentation ein Schlag ins Gesicht: Immer wieder werden rechtswidrige Inhalte auf der Plattform massenhaft geteilt und in Sekundenschnelle verbreitet. Sie sind gezwungen, all diese Posts selbst aufzuspüren und zu melden. Das ist unzumutbar, doch sie haben keine andere Wahl – weil Facebook sich seiner Verantwortung entzieht. Statt in immer neue virtuelle Realitäten zu investieren, sollte Facebook seine bestehenden Netzwerke erst mal sicher machen und seine User*innen schützen. Die Klage von Renate Künast steht stellvertretend für alle Betroffenen, die von Facebook alleine gelassen werden.“

Facebook hat in der Zwischenzeit einige – jedoch längst nicht alle – der in Frage stehenden rechtswidrigen Memes gelöscht. Renate Künast geht es jedoch nicht darum, eine Sonderbehandlung zu erhalten, nur weil sie den Konzern verklagt und öffentlich Druck macht. Vielmehr geht es ihr und HateAid darum, in dieser Frage eine grundsätzliche höchstrichterliche Entscheidung zu erwirken. Denn nur die hat Signalwirkung für die vielen User*innen, die selbst von massenhaften Verleumdungen betroffen sind, aber weder die Mittel noch die Kraft haben, einen internationalen Großkonzern wie Facebook bzw. Meta zu verklagen.

Dazu Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen), MdB:

“Positiv für mich in der heutigen Verhandlung: Das Gericht hat klar formuliert, dass zutreffende und über Zweifel erhabene Zitate das Kapital der Politik sind. Ich bin daher überzeugt, dass es einem Milliardenkonzern wie Meta zumutbar ist, meine Rechte zu wahren.”

Künast und HateAid fordern, dass Facebook die umfangreichen technischen Mittel ausschöpft, um Betroffene beim Umgang mit digitaler Gewalt zu unterstützen. Mit KI können wort- und sinngleiche Inhalte auf der Plattform identifiziert und gelöscht werden. Ausgenommen sollen nur diejenigen Beiträge sein, bei denen das Falschzitat erkennbar als solches gekennzeichnet ist. Dies muss manuell überprüft werden.

Grundlage für die Klage ist das Glawischnig-Piesczek vs. Facebook Urteil (Oktober 2019), das die österreichische Politikerin Eva Glawischnig vor dem Europäischen Gerichtshof anstrengte. Hier entschied das Gericht, dass auch die Entfernung wortgleicher und sinngleicher Postings von der Social-Media-Plattform verlangt werden kann. Bisher hat es dazu aber in Deutschland kein Urteil gegeben, so dass Rechtssicherheit für die Betroffenen in Bezug auf den Umfang der Löschpflicht fehlt. Der Prozess ist Teil des Landecker Digital Justice Movements.

HateAid gGmbH

Die gemeinnützige Organisation HateAid gGmbH wurde 2018 gegründet und hat ihren Hauptsitz in Berlin. HateAid bietet Unterstützung für Betroffene von digitaler Gewalt an: Prozesskostenfinanzierung, emotional stabilisierende Erst-, Sicherheits-, und Kommunikationsberatung. Gründungsgeschäftsführerin ist Anna-Lena von Hodenberg. Im Rahmen des Landecker Digital Justice Movements finanziert HateAid Grundsatzprozesse gegen Online-Plattformen, um grundlegende Nutzerrechte gerichtlich klären zu lassen.

Pressekontakt: presse@hateaid.org, Tel. 030 / 252 088 37

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