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Zu sehen ist Datenschutzaktivist Christian Bennefeld sowie mehrere Cookie-Banner.

Daten machen reich

Christian Bennefeld erzählt uns im Interview, warum unsere Daten für Giganten wie Google und Co. so wertvoll sind, wie User*innen ihre Privatsphäre schützen können und was passieren muss, damit #UnserInternet die Rechte aller respektiert.

An Cookie-Bannern kommen User*innen kaum noch vorbei. Mit jedem Website-Besuch ploppt eine Anzeige auf. Der Klick auf „Alles akzeptieren” nimmt nur wenige Sekunden in Anspruch, aber er setzt gewaltige Prozesse frei. Was passiert da hinter den Kulissen?

Wenn ich im Cookie-Banner auf „Ok” klicke, erlaube ich allen Werbetreibenden, Informationen von mir auszulesen. Das sind, je nach Seite, verschiedene Parteien, etwa Google, Facebook, TikTok, aber auch kleinere Anbieter, Data Broker, die immer wieder Schnipsel aus meiner Persönlichkeit herauslesen.

Angenommen, Werbeanbieter A weiß, dass ich Herpes habe. Werbeanbieter B weiß, dass ich mir ein neues Auto kaufen möchte. Und untereinander handeln die Anbieter: In der Datenindustrie werden säckeweise Daten gekauft und die darin enthaltenen Cookie- und andere IDs werden gematcht. Die Informationen werden zusammengeführt und am Ende ist beispielsweise bekannt: Die jeweilige Person hat Herpes und ist auf der Suche nach einem neuen Auto.

Für Surfende sieht es einfach aus. Da ist ein Banner und ich kann akzeptieren, ohne mich weiter damit auseinanderzusetzen. Aber mit diesem Klick erlauben wir in der Regel Hunderten von Werbeanbietern, mit den eigenen persönlichen Daten zu handeln. Es ist ein kleiner Offenbarungseid.

Christian Bennefeld

Christian Bennefeld, Informatiker und Mathematiker, engagiert sich seit mehr als 20 Jahren im Datenschutz. Er ist langjähriger Tracking-Experte, der die Seiten gewechselt hat: Seine erste Firma wertete das Nutzer*innenverhalten von Menschen aus. Heute setzt er sich für das Recht auf Privatsphäre im Internet ein und entwickelte außerdem eine Anti-Tracking-Technologie zur digitalen Selbstverteidigung.

Wieso sind unsere Daten so interessant für große „Datensammler” wie Google und Co.?

Was macht Unternehmen wie Google so reich? Personalisierte Werbung. Google hat das „Real Time Bidding” erfunden, ein Echtzeitgebotsverfahren. Dabei nehmen Werbetreibende in Echtzeit an Auktionsverfahren teil, um Anzeigenplätze im Netz zu ersteigern.

Wer am meisten bietet, kann auf den Flächen die Werbung ausspielen, die laut zuvor gesammelten Daten besonders gut zu den jeweiligen Surfenden passen soll. Das heißt: Google versucht, möglichst viel über die Surfenden herauszufinden. Was interessiert sie, was bewegt sie, was möchten sie zukünftig kaufen? Das erfahren sie, indem sie die Surfenden tracken.

Eine Person möchte ein Auto kaufen, jemand anderes erwartet ein Kind und ein Dritter leidet an einer bestimmten Krankheit. Auf jeder Website, die Surfende heute besuchen, finden sich Tracking-Systeme, die genau diese Daten speichern.

Ein weiterer Weg, Daten von User*innen zu sammeln, verbirgt sich hinter dem Log-In-Button. Angenommen, ich habe einen E-Mail-Account bei Google und surfe angemeldet durchs Netz. Welche Konsequenzen hat das für meine Daten?

Die großen Anbieter, also etwa Facebook, Microsoft und Google, unterhalten Systeme mit vielen kostenlosen Angeboten. Für Kalender, Docs, E-Mail, und so weiter benötige ich beispielsweise nur ein Google-Konto. Wenn ich mich dazu bei Google registriere, willige ich ein, dass Google über sämtliche seiner Dienste personenbezogene Daten über mich sammelt.

Und das unter meinem Klarnamen, mit E-Mail-Adresse und mitunter sogar Kreditkarteninformationen, wenn ich auch kostenpflichtige Angebote nutze. Und dann gibt es einen weiteren Trick: Auf allen Websites, die das Trackingtool Google Analytics verwenden, kann Google Surfende sofort anhand unterschiedlicher Merkmale erkennen und sie wiederum personenbezogenen Profilen in den Google-Konten zuordnen.

Das Akzeptieren von Cookies führt zu personalisierter Werbung. Das kann viele Vorteile aber auch Nachteile mit sich bringen. Foto: Scopio / Gili Dailes

„Programmatic Advertising” ist individuell auf Nutzer*innen zugeschnittene Werbung, für die es regelmäßig viel Kritik von Datenschutzaktivist*innen hagelt. Ist es nicht einfach praktisch, wenn das Netz mit Werbeanzeigen meinen Geschmack trifft?

Personalisierte Werbung ist auf den ersten Blick eine tolle Sache. Ich finde es auch super, wenn ich etwas Passendes angeboten bekomme. Aber ich finde es nicht mehr ganz so gut, wenn ich bestimmte Medikamente in der Online-Apotheke bekommen habe und mir plötzlich auf ganz anderen Seiten weitere Produkte um dieses Thema vorgeschlagen werden, oder wenn gar Familienangehörige von meiner Krankheit erfahren, ohne dass ich das möchte.

Seit März 2024 ist es Meta-User*innen erlaubt, ihre Konten bei den unterschiedlichen Diensten zu trennen. Wer also nicht möchte, dass Facebook und Instagram Daten austauschen, kann die Verbindung der beiden Accounts aufheben. Echte Veränderung oder kosmetische Anpassung?

Meta hat damit vor allem auf eine rechtliche Notwendigkeit reagiert. Der Digital Markets Act sorgt für eine strengere Reglementierung der sehr großen Plattformen. Ob das hilft? Ich glaube nicht. Es ist Kosmetik, die rechtlich notwendig ist. Aber die Daten werden so oder so erfasst und sie landen beim gleichen Konzern, wenn auch in unterschiedlichen Töpfen.

Die Herausforderung, vor der wir stehen, ist, dass wir es mit regelrechten Datengiganten zu tun haben. Wir können ihnen kaum entkommen. Microsoft, Google, Amazon und Co. tun alles, um ihre Datenmacht aufrechtzuerhalten. Das ist schließlich die Grundlage ihres Geschäftsmodells, denn nur so können sie zielgerichtete Werbung aussteuern, mit der sie schlussendlich eine Menge Geld verdienen.

Im Netz geben viele auch politische Präferenzen preis. Worüber User*innen sich besonders empören, was sie teilen, welche Inhalte sie sich wiederholt anschauen – all das wird getrackt. Wie schätzt du die Rolle dieses Trackings in der 
zunehmenden gesellschaftlichen Polarisierung ein?

Man bewegt sich immer dort, wo der Algorithmus glaubt, es passe zur eigenen Meinung. Nachrichten scheinen relevanter für Surfende, wenn sie zu ihnen passen. Aber die Risiken sind nicht zu übersehen: Als Werbender kann ich meine Anzeigen beispielsweise passgenau an Wählergruppen einer bestimmten politischen Partei ausspielen und die Empfänger so beeinflussen und manipulieren.

Immerhin: Neue Vorschriften des Europäischen Parlaments sehen vor, dass politische Werbung in der EU als solche gekennzeichnet werden muss. Vergangene Skandale offenbaren, wie wichtig das ist – etwa der Fall von Cambridge Analytica. Die Firma hatte offenbar psychografische Profile aus Facebook-Daten von mehr als 50 Millionen User*innen erstellt. Später beriet genau diese Firma Donald Trumps Wahlkampfteam …

Ja, im Wahlkampf von Donald Trump, der schließlich als Sieger aus der Wahl hervorging, wurde stark auf sogenanntes Micro-Targeting zurückgegriffen. Das bedeutet beispielsweise: Ich weiß über eine Person nicht nur, dass sie potenziell politisch rechts orientiert ist. Sondern ich bin auch über weitere Merkmale informiert.

Etwa darüber, dass die Person einmal im Bergbau tätig war und die Mine geschlossen wurde. Jetzt kann ich mit einer sehr spezifischen Botschaft auf die Person zugehen: „Hey, wenn du dich auf die Seite der Republikaner schlägst, wird die Mine wiedereröffnet!”

Hast du eine Empfehlung für alle, die sorgsam mit ihren persönlichen Daten im Netz umgehen möchten?

Cookies und Tracking immer ablehnen! Oft wird in den Datenschutz-Einstellungen eine Liste angezeigt und manchmal steht darin der Ausdruck „Berechtigtes Interesse”. Aber Achtung: Nur weil ich Cookies generell ablehne, erwische ich noch nicht diejenigen, die unter dem „Berechtigtem Interesse” weiter tracken. Meist gibt es einen verdeckten Schalter, der auch das Tracking unter dem berechtigten Interesse ablehnt. Dazu haben alle das Recht!

Es gilt: Je weniger Daten ich im Netz hinterlasse, desto weniger transparent bin ich – und damit auch weniger manipulierbar und angreifbar.

Was bräuchte es deiner Meinung nach, damit #UnserInternet die Rechte aller respektiert?

Wir haben eine gute Gesetzgebung. Ich halte die DSGVO für wirklich gelungen. Was ich mir wünsche: eine Durchsetzung der bestehenden Gesetze. Und dafür braucht es vor allem mehr Engagement unserer Aufsichtsbehörden für Datenschutz. Bislang wird kaum sanktioniert und dadurch gibt es auch keine Abschreckung. Ich habe hunderte Beschwerdeverfahren. Kein einziges davon ist bislang abgeschlossen.

Von den Aufsichtsbehörden wünsche ich mir mehr Streitlust und die Bereitschaft, auch gegen große Konzerne vor Gericht zu ziehen. Außerdem wären einheitliche und länderübergreifende Vorgaben seitens des Europäischen Parlaments hilfreich. Das könnte zum Beispiel ein einheitliches Design der Cookie-Banner einschließen. Hätten die Banner immer das gleiche Design und die gleiche Funktion, wären Surfende auch weniger verwirrt.

Außerdem gibt es noch einen alten Standard namens „Do not track”. Das können Surfende in jedem Browser einschalten. Im HTTP, dem Hypertext Transfer Protokoll, wird dann mitgegeben: „Hey lieber Server, dieser Nutzer möchte nicht getrackt werden.” An sich prima – aber das ignorieren alle Anbieter! Weil der Gesetzgeber versäumt hat, es zur Pflicht zu machen. Würde der sagen: „Der Header ist zwingend zu beachten als Widerspruch gegen die Datenverwendung”, wäre die (Datenschutz-)Welt in Ordnung.

Vielen Dank für das Interview!

Wir machen uns für #UnserInternet stark, in dem das Recht aller User*innen auf Privatsphäre gilt. Auf struktureller Ebene ist noch viel zu tun – aber du selbst kannst durch einige Sicherheitsvorkehrungen dafür sorgen, im Netz möglichst intransparent unterwegs zu sein. Du möchtest wissen, welche Spuren du bislang im Internet hinterlassen hast? Dann führe mithilfe unserer Anleitung einen Privatsphäre-Check durch!

Auf soziale Netzwerke möchtest du nicht verzichten, willst aber deine privaten Informationen möglichst gut schützen? Wir erklären, welche Profileinstellungen sich dafür am besten eignen.

Bei allen Fragen rund um deine digitale Sicherheit unterstützt dich außerdem gerne unser Beratungsteam.

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