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Verpixeltes Bild einer nackten Frau.

Bildbasierte Gewalt im Netz hat gravierende Auswirkungen auf Betroffene

Unerlaubt veröffentlichte Nacktbilder, Dickpics und sogenannte Rachepornos – immer mehr Frauen in Europa leiden unter bildbasierter Gewalt im Netz. Aktuelle Daten zeigen, wie dramatisch die Situation ist: Jede zweite junge Frau oder jedes zweite Mädchen hat bereits sexuellen Missbrauch in sozialen Medien erlebt.

Clare McGlynn, Rechtsprofessorin an der Universität Durham im Vereinigten Königreich, kämpft seit über zwanzig Jahren für die Rechte von betroffenen Frauen in ganz Europa. Sie ist Expertin für Gesetze, die Pornografie, bildbasierten sexuellen Missbrauch und sexuelle Gewalt zu regeln versuchen. Sie weiß, welche gravierenden Auswirkungen solche Online-Angriffe auf betroffene Frauen haben können.

Im Interview haben wir mit ihr über die Situation von Betroffenen gesprochen und auch erfahren, welche dringenden Appelle sie an Politiker*innen auf EU-Ebene richtet: 

Clare McGlynn
Die Rechtsprofessorin Clare McGlynn setzt sich seit zwei Jahrzehnten für die Rechte von Frauen & Mädchen ein, die unter bildbasierter Gewalt leiden. Foto: Durham University

Warum wird in der Öffentlichkeit noch immer so wenig über bildbasierten Missbrauch im Netz und dessen Auswirkungen auf Betroffene gesprochen?  

Professor Clare McGlynn: Es gibt immer mehr akademische Forschungsarbeiten, die in Zusammenarbeit mit Betroffenen bildbasierte Gewalt an sich und ihre Auswirkungen erforschen. Die Öffentlichkeit ist sich jedoch noch nicht im Klaren darüber, wie verheerend ein solcher Missbrauch sein kann, da er in den Medien oft bagatellisiert wird. Es besteht immer noch die Annahme, dass ein solcher Missbrauch, weil er online stattfindet, nicht so ernst genommen werden muss. Online-Missbrauch durch Nacktbilder oder Dickpics hat jedoch sehr reale Auswirkungen auf das Leben von Frauen.  

Was ist so dramatisch daran, wenn intime Bilder von Frauen veröffentlicht werden? Und welche Probleme erleben die Betroffenen nach einer solchen Tat? 

Professor Clare McGlynn: Einige Opfer erleben einen sogenannten „sozialen Bruch“, bei dem ihr ganzes Leben durch den Missbrauch gestört wird. Die Tat wirkt sich auf alle Aspekte ihres Lebens aus, auf ihre Arbeit, ihre Familie, ihre Beziehungen zu Freunden. Betroffene haben Angst, online zu gehen. Sie teilen ihr Leben in ein „vor“ und ein „nach“ dem Missbrauch auf. Sie fühlen sich oft extrem isoliert, weil sie das Vertrauen in Freund*innen, Familie und andere Menschen verloren haben. Sie melden sich häufig nicht mehr in sozialen Medien und auf anderen Online-Plattformen an. Dies wirkt sich negativ auf ihr soziales und familiäres Leben aus und kann auch Nachteile im Job mit sich bringen.  

Es bedeutet auch, dass soziale Medien und die Nutzung unserer Smartphones oder anderer Technologien, die für viele Menschen Quellen des Vergnügens und der Entspannung sind, für die Betroffenen zu Orten der Angst und des Traumas werden.“

Was sind das für Menschen, die intime Bilder oder Videos ohne Zustimmung der abgebildeten Frauen und Mädchen im Internet verbreiten? Mit welchen Absichten tun sie das?  

Professor Clare McGlynn: Es gibt viele verschiedene Beweggründe für die Verbreitung von intimen Bildern oder Videos ohne Zustimmung. Zum Beispiel tun das Täter*innen, um Leid zu verursachen, um finanziellen Gewinn zu erzielen oder um Lacher zu ernten. Aber auch, um sexuelle Befriedigung zu erlangen oder um ihren Status in einer Gruppe von Männern zu erhöhen.  

Einige Männer tun dies zum Beispiel, um frühere Partnerinnen zu beschämen und zu missbrauchen, manchmal als Teil eines umfassenderen Musters häuslicher Gewalt. Was wir immer häufiger beobachten, ist, dass Männer Bilder in Gruppen austauschen, zum Beispiel in privaten WhatsApp- oder Facebook-Gruppen.”

Sie tun dies, um ihren eigenen Status in ihrer Gruppe zu erhöhen; es geht darum, sich zu zeigen und Teil der Gruppe zu sein. Es handelt sich um Gruppen von Männern, die Bilder tauschen und weitergeben – was wir als „Sammlerkultur“ bezeichnen.  

Was müssen Politiker*innen und Gesetzgebende tun, nicht nur im Vereinigten Königreich, sondern auch in der EU, um den Missbrauch von Nacktbildern oder anderen intimen Aufnahmen zu stoppen?  

Professor Clare McGlynn: Es braucht einen ganzheitlichen, mehrgleisigen Ansatz, um diesen Missbrauch zu bekämpfen. Wir brauchen ein umfassendes Strafrecht, das alle Formen des sexuellen Missbrauchs durch Bilder abdeckt. Damit wird deutlich, dass dieses Verhalten falsch und schädlich ist. Wir brauchen eine ganzheitliche und gut ausgestattete Unterstützung für die Betroffene, damit sie das Material aus dem Internet entfernen lassen können, damit sie sich beraten lassen können, wenn sie dies wünschen, und damit sie rechtliche Unterstützung erhalten. Wir brauchen auch Aufklärungs- und Informationskampagnen, damit die Menschen die Auswirkungen von sexuellem Missbrauch durch Bilder besser verstehen.  

Ist dies ein neues Phänomen? Wie wird es sich in den nächsten Jahren entwickeln, wenn die Politik nicht dagegen vorgeht? 

Professor Clare McGlynn: Die wirkliche Gefahr geht von der künstlichen Intelligenz aus, die Fakepornos produziert. Diese werden oft als „Deepfakes“ bezeichnet, oder auch vom Metaverse, den Apps der virtuellen Realität. Fakepornos sind immer häufiger anzutreffen, und der Schaden, den Frauen erleiden, ist derselbe, unabhängig davon, ob ihre Bilder und Videos „echt“ oder „gefälscht“ sind. Auch im Metaversum und in Virtual-Reality-Apps werden Frauen bereits missbraucht und belästigt, was zeigt, dass die Social-Media-Plattformen noch nicht gelernt haben, bei der Gestaltung ihrer Produkte auf potenziellen Missbrauch zu achten. Es ist wahrscheinlich, dass wir in naher Zukunft ein Leben mit KI und virtueller Realität führen werden.   

Wir müssen jetzt Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass der grassierende Missbrauch von Frauen und Mädchen, den wir derzeit in den sozialen Medien erleben, im neuen Metaverse nicht einfach reproduziert und erweitert wird.“

Du bist selbst von bildbasiertem Missbrauch im Netz betroffen? Wir sind für dich da! 

Unsere Berater*innen stehen dir zur Seite, wenn du im Netz angegriffen wirst. Etwa, wenn von dir Nacktbilder oder andere intime Aufnahmen ungefragt online veröffentlicht wurden.

Was kann jede*r Einzelne tun, um Betroffene zu unterstützen?

Professor Clare McGlynn: Wir alle haben die Aufgabe, missbräuchliches Verhalten anzuprangern, wenn wir es können, egal ob das online geschieht oder im analogen Leben. Wir alle können mit Freund*innen, Familienangehörigen und Kindern über die oft verheerenden Auswirkungen von sexuellem Missbrauch durch Bilder sprechen und darüber, warum er bekämpft werden muss.

Titelbild: Shutterstock / KrankenImages

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