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Blick auf Smartphone in Männerhand mit frauenfeindlichen Kommentaren

Männer in Gefahr? Maskulinismus und seine Ideologie 

Männer haben’s schwer, nehmen’s leicht
Außen hart und innen ganz weich
Werd’n als Kind schon auf Mann geeicht
Wann ist ein Mann ein Mann?

(Songtext von „Männer” © Groenland Musikverlag, Emi Kick Musikverlag GmbH & Co. Kg) 

Wann ist ein Mann ein Mann und vor allem, was gefährdet ihn? Das sind Fragen, die Maskulinist*innen aufgreifen, wenn sie ihre Weltansicht im Netz vertreten. Dabei schrecken sie auch nicht davor zurück, Hass und Angst auf Social Media, auf bestimmten Websites, wie WikiMANNia, oder in ihren Foren zu verbreiten. 

Was sind Maskulinist*innen?

Maskulinist*innen bezeichnen sich selbst häufig als Männerrechtler*innen. Sie haben sich als Gegenpol oder Alternative zum Feminismus gegründet und stehen für das, was sie als Männerpolitik definieren, ein. Letzteres tun sie vor allem, in dem sie sich gegen Gleichstellung von Frauen und die Emanzipation marginalisierter Gruppen, wie beispielsweise Homo- und Transsexuelle, positionieren.  

Die maskulinistische Ideologie geht häufig mit sexistischen, antifeministischen oder rechtspopulistischen Weltansichten einher. Viele Maskulinist*innen denken, dass Männer biologisch bedingt Frauen überlegen seien oder vertreten die Ansicht, dass Männer von ihren Müttern und anderen Frauen unterdrückt würden. Sie befürchten, dass Gleichstellungspolitik und Queer-Feminismus Männer – damit meinen sie meistens weiße, biologisch gebürtige Männer – gefährde und diskriminiere.  

Blick auf die Hände eines Mannes, der ein Smartphone hält und zurückgelehnt an einem Tisch sitzt.
Im Internet bestärken sich Maskulinist*innen in ihrem Gefühl, dass Männer heutzutage unterdrückt seien. Foto: Scopio / Juliia Prokopiv

Es gibt verschiedene Begriffe für Maskulinismus und keine klare Regel, ob du „Maskulinismus”, „Maskulismus” oder „Männerrechtsbewegung” nutzen solltest. Deswegen findest du meistens eine Mischung aus den Begriffen:

  • Maskulinismus ist der ursprüngliche Begriff, den vor allem die feministische Bewegung prägte, der also eher eine Fremdbezeichnung ist. Der Begriff ist mit der Ansicht verbunden, dass der Mann der Frau überlegen sei.
  • Mit dem Begriff Maskulismus beschreiben viele die neuartigen Formen des maskulinistischen Netzwerks. Neu ist, dass es nicht mehr heißt, „Männer sind überlegen”, sondern „Männer werden im Zuge der Gleichstellung unterdrückt”. Mit Maskulismus beschreiben sich viele in der Szene selbst.
  • Auch Männerechtsbewegung ist eine Selbstbezeichnung. Viele Maskulinist*innen inszenieren sich gerne als Rechtsbewegung, um ihre Ideologie zu legitimieren. Sie wollen mit anderen Menschenrechtsbewegungen auf einer Ebene wahrgenommen werden.  

Ansichten und Ziele im Maskulinismus

Innerhalb des Maskulinismus gibt es unterschiedliche Auffassungen, wie die von ihnen propagierte Unterdrückung des Mannes aussehe und was gegen sie getan werden müsse. Doch grundlegend gilt, dass sich Maskulinist*innen an traditionellen und patriarchalen Geschlechterrollen samt binärem und heteronormativem Weltbild orientieren. Das bedeutet ein männerdominiertes Weltbild, in dem es nur zwei Geschlechter gibt und Heterosexualität als Norm gilt.  

Einige Vertreter*innen der Szene wollen sich von Antifeminist*innen abgrenzen. Sie wollen, dass der Maskulinismus mehr Gehör findet, und erkennen verschiedene Ausprägungen von Männlichkeit an. Es gibt sogar Maskulinist*innen, die sich als feministisch bezeichnen. Ihr Argument: Männer würden ausgegrenzt und bei Gleichstellungsdebatten nicht einbezogen. Sie sind unter anderem der Meinung, dass Jungen in der Schule und in der Universität strukturelle Benachteiligung erführen oder dass das Scheidungs- und Sorgerecht Männer diskriminiere. Und mit Sicherheit gibt es einiges Verbesserungspotenzial. Beispiel Sorgerecht:  

Tatsächlich bekommen traditionell meist die Mütter das Sorgerecht zugesprochen. Auf das gleichberechtigte „Wechselmodell” lassen sich in Deutschland wenige Gerichte ein. Sie sehen den Kooperationsbedarf insbesondere bei zerstrittenen Eltern als zu hoch an. Das Gegenteil ist in Belgien der Fall: Dort sind die Richter*innen gesetzlich verpflichtet, ein wechselseitiges Betreuungsmodell der Kinder vorzuziehen. Doch statt sich – auch gemeinsam mit Feminist*innen – diesem bestehenden, strukturellen Problem anzunehmen, verbinden Maskulinist*innen es mit ihrer antifeministischen Ideologie. Sie instrumentalisieren so ein reales Problem, um gegen Frauen zu hetzen und feministische Bewegungen zu diskreditieren. 

Einige Männerrechtler*innen haben ein klares Bild von einer starken Macho-Männlichkeit, das keinen Platz für feministische Männer, Hausmänner oder andere Formen von Männlichkeit hat. Während gemäßigte Maskulinist*innen vorgeben, die Rechte von Männern schützen zu wollen, zielen radikale auf die tatsächliche Besserstellung gegenüber Frauen ab. Beide Seiten eint, dass sie mit ihren Forderungen die Privilegien von Männern in unserer Gesellschaft schützen wollen. Sie befürchten, dass Gleichstellung ihnen etwas wegnehme

Über alle Abstufungen der Radikalisierung hinweg, herrscht eine Weltansicht, die unserer Demokratie schadet. Denn Gleichstellung, Emanzipation und Fortschritt sind die Basis für ein sicheres und demokratisches Miteinander. In Artikel 3 garantiert das Grundgesetz allen Menschen in unserer Gesellschaft, nicht aufgrund von bestimmten Merkmalen wie dem Geschlecht bevorzugt oder benachteiligt zu werden. Maskulinist*innen stehen diesem Grundsatz mit ihrer Ideologie fundamental gegenüber und bedrohen so unsere freie und offene Gesellschaft. 

Übrigens: Maskulinistische Einstellungen hängen nicht vom Geschlecht ab. Auch Frauen vertreten frauenfeindliche Weltbilder. So sind laut einer Studie des Bundesministeriums für Familie, Frauen, Senioren und Jugend 15,2 % der Frauen* empfänglich für einzelne maskulinistische Einstellungen – 1,4 % sind überzeugte Männerrechtlerinnen. 

Hände, die auf einer Laptop-Tastatur tippen
Mitglieder der „Manosphere“ vernetzen sich häufig im Netz und verbreiten Hass und Angst. Foto: Scopio / April Lawrence

Wie viel berechtigte Sorge steckt hinter der maskulinistischen Ideologie?

Maskulinist*innen sehen die Position der Männer in der modernen Welt bedroht. Jedoch sind auch heute weltweit nicht einmal sechs Prozent der Regierungschef*innen weiblich. Weltweit gehen 4 Millionen Mädchen weniger zur Schule als Jungs. In Deutschland haben Frauen 2022 durchschnittlich 18 % weniger verdient als Männer. Und auf Grund von festen Rollenstrukturen haben Männer 2022 rund 2 Stunden weniger Sorgearbeit bzw. Zeit mit ihrer Familie verbracht als Frauen. Diese Zahlen zeigen, dass Frauen immer noch nicht gleichgestellt sind und tendenziell weniger Ressourcen und Macht besitzen.* Das Ziel, dies zu ändern, ist nicht gleichzeitig das Ziel, Männer zu benachteiligen. Hand in Hand sollten sich alle Menschen für eine gerechte Gesellschaft einsetzen.  

Frauenhass, Queerfeindlichkeit und Rechtspopulismus im Netz

Radikale Maskulinist*innen agieren im Internet. Hier haben sie einen Ort gefunden, an dem sie ihre Weltansicht verbreiten können. Denn im Gegensatz zu Feminist*innen bekommen sie wenig mediale Aufmerksamkeit. In Kommentarspalten unter Beiträgen zur Gleichstellung, in Foren oder auf Social Media vernetzt sich die Szene und teilt ihre Ideologie.  

Gerade die Kommentarfunktion dient als Protestform für Maskulinist*innen. Dort verbünden sie sich mit Fundamentalist*innen, Abtreibungsgegner*innen und Rechtsextremen

Die Seite „Wikimannia” ist ein bekanntes Beispiel für die digitale Präsenz der maskulinistischen Szene. Die Website stellt als „Alternative” zu offiziellen und freien Informationsmedien, wie die des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, „feminismusfreies Wissen” bereit. Nachrichten oder vermeintliche Fachartikel werden im Sinne der maskulinistischen Ideologie veröffentlicht. Sie definiert Begriffe wie „lila Pudel”, der abwertend feministische Männer meint. Auf Wikimannia werden gezielt Personen der Öffentlichkeit angegriffen, die sich für Gleichstellung einsetzen.   

In misogynen, d. h. frauenfeindlichen, Online-Foren, der sogenannten „Manosphere”, tummeln sich verschiedenste Ausprägungen des Maskulinismus. Manche Nutzer*innen sind stille Mitlesende, manche aktiv und radikal. Es sind Maskulinist*innen, Männerrechtler*innen, Incels oder Pick-Up-Artists. Sie hetzen gegen „linksradikale Feminazis” oder „grün-schwule” Pädophile.  

Expert*innen sehen in diesen digitalen Räumen eine Verbindung zwischen verunsicherter Männlichkeit und Rechtsextremismus: Der Soziologie Andreas Kemper sieht in der Neuen Rechten maskulinistische Tendenzen. Sie beziehe sich auf einen gewaltverherrlichenden Männerkult. 

Auch rechte Parteien bedienen sich maskulinistischer Argumente, um die „traditionelle deutsche Familie” zu schützen. Die Weltansichten sind also nicht nur antifeministisch und sexistisch, sondern auch rassistisch und queerfeindlich. Gerade in der radikalisierten Szene wird auch gegen andere Männer und sogar gegen andere Maskulinist*innen gehetzt, die zu gemäßigt seien.   

Männerszenen in der Geschichte 

Während sich durch den Feminismus und queere Bewegungen Geschlechterrollen auch heute noch stetig verändern, bleibt „Männlichkeit” häufig unhinterfragt. Das mag daran liegen, dass Männlichkeit immer als Norm galt. Es gab scheinbar wenig Gründe, Männlichkeit zu hinterfragen. Doch in den 1970er Jahren, im Kontext der zweiten Frauenbewegung, begann die patriarchatskritische „Männerbewegung” an neuen Konzepten und Vorstellungen von Männlichkeit zu arbeiten. 

Um die statische Vorstellung von Männlichkeit zu durchbrechen, versuchte die anfänglich feministisch-autonome Männerszene neue Verständnisse und Normen zu entwickeln. Wie in jeder sozialen Bewegung kristallisierten sich mit der Zeit unterschiedliche Strömungen der Männerbewegung heraus. Ein Bericht der FES definiert die antisexistische, die kritische, die mythopoetische und die maskulinistische Männerszene.   

Diese unterschiedlichen Wege, sich mit Männlichkeit auseinander zu setzen, sind wichtig für die Gleichstellungspolitik. Selbst die Angst vor Neuem und vor Veränderung sind nicht verwerflich, sondern sollten besprochen werden. Der maskulinistische, maskulistische oder ‚männerrechtliche’ Weg wählt dafür jedoch Instrumente, die Frauen herabsetzen und verherrlicht toxische Männlichkeit – das trägt nicht zur Gleichstellung bei. 

Der andere Weg: Männlichkeit im Wandel ohne Hass

Dass Gleichstellung und Entwicklung nichts Bedrohliches sind, beweisen viele Menschen – darunter natürlich auch viele Männer. Die UN-Kampagne „HeForShe” beispielsweise setzt sich weltweit für Geschlechtergerechtigkeit ein. Es geht darum, die männliche Perspektive in die Gleichstellungspolitik einzubringen. Denn der Wandel weg von traditionellen Rollenbildern bedeutet auch, dass Männer mehr sein dürfen: Sie müssen nicht immer stark oder erfolgreich sein, sie können Zeit mit ihren Kindern und ihrer Familie verbringen, sie können in den Erziehungs- und Pflegebereich gehen oder eine Therapie machen. Das scheint selbstverständlich, doch Maskulinist*innen verwehren sich dieser Freiheit.  

Der sogenannten kritischen Männlichkeit geht es darum, sich als Männer in den gleichstellungspolitischen und feministischen Diskurs einzubringen. Ohne Angst und Hass, dafür mit Vorschlägen, Perspektiven und neuen Möglichkeiten. Die kritische Männlichkeit möchte das Potential einer Veränderung betonen. Kritisch männlich zu sein bedeutet für viele, Emotionen zuzulassen, sich Schwächen einzugestehen und offen mit sich und anderen umzugehen.   

Es ist wichtig, dass Männer in den Prozess der Gleichstellung einbezogen werden. Das funktioniert ganz ohne Hass und Angst: Männlichkeit darf mehr sein, als es das traditionelle Bild zulässt! Um es mit Herbert Grönemeyer zu sagen:  

Männer nehm’n in den Arm
Männer geben Geborgenheit
Männer weinen heimlich
Männer brauchen viel Zärtlichkeit
Oh, Männer sind so verletzlich
Männer sind auf dieser Welt einfach unersetzlich

* Zahlen zu den Verhältnisse für andere Geschlechter, LGBTQIA+ Personen und BIPoC (Black, Indigenous, and People of Color) sind in den meisten Studien nicht inbegriffen. In den USA liegt die Einkommenslücke beispielsweise für queere Personen laut Human Rights Campaign durchschnittlich niedriger.

Titelbild: Scopio / Brit Worgan

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