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Blick auf Smartphone in Männerhand mit frauenfeindlichen Kommentaren

Männer in Gefahr? Maskulinismus und seine Ideologie 

Männer haben’s schwer, nehmen’s leicht
Außen hart und innen ganz weich
Werd’n als Kind schon auf Mann geeicht
Wann ist ein Mann ein Mann?

(Songtext von „Männer” © Groenland Musikverlag, Emi Kick Musikverlag GmbH & Co. Kg) 

Wann ist ein Mann ein Mann und vor allem, was gefährdet ihn? Das sind Fragen, die Maskulinist*innen aufgreifen, wenn sie ihre hetzerische Weltansicht im Netz vertreten. Sie denken, dass Männer biologisch bedingt Frauen überlegen seien oder vertreten die Ansicht, dass Männer von ihren Müttern und anderen Frauen unterdrückt würden. Sie befürchten, dass Gleichstellungspolitik und Queer-Feminismus Männer (damit meinen sie meistens (weiße) cis-Männer) gefährde und diskriminiere. Maskulinist*innen vernetzen sich und verbreiten Hass und Angst auf Social Media, auf bestimmten Websites, wie WikiMANNia, oder in ihren Foren.  

Was sind Maskulinist*innen?

Maskulinist*innen bezeichnen sich selbst häufig als Männerrechtler*innen, die sich als Gegenpol oder Alternative zum Feminismus gegründet haben und für „Männerpolitik” einstehen. Letzteres tun sie vor allem durch Hetze im Internet gegen Gleichstellung und Emanzipation marginalisierter Gruppen. Die maskulinistische Ideologie geht häufig mit sexistischen, antifeministischen oder rechtspopulistischen Weltansichten einher. Wenn du jetzt übrigens denkst, wir könnten hier aufs Gendern verzichten, gibt es genug Belege, dass auch Frauen frauenfeindliche Weltbilder vertreten. So sind laut einer Studie des Bundesministeriums für Familie, Frauen, Senioren und Jugend 15,2 % der Frauen empfänglich für einzelne maskulinistische Einstellungen – 1,4 % sind überzeugte Männerrechtlerinnen.

Maskulinist*innen sprechen von einer Unterdrückung und Diskriminierung der Männer, unter anderem durch Frauen, feministischen Menschen oder Gleichstellungspolitik. Das tun sie, obwohl weltweit nicht einmal sechs Prozent der Regierungschef*innen weiblich sind. Weltweit gehen 4 Millionen Mädchen weniger zur Schule als Jungs. In Deutschland haben Frauen 2022 durchschnittlich 18 % weniger verdient als Männer. Und auf Grund von festen Rollenstrukturen haben Männer 2022 rund 2 Stunden weniger Sorgearbeit bzw. Zeit mit ihrer Familie verbracht als Frauen. Diese Zahlen zeigen, dass Frauen immer noch nicht gleichgestellt sind und tendenziell weniger Ressourcen und Macht besitzen.*

Blick auf die Hände eines Mannes, der ein Smartphone hält und zurückgelehnt an einem Tisch sitzt.
Im Internet bestärken sich Maskulinist*innen in ihrem Gefühl, dass Männer heutzutage unterdrückt seien. Foto: Scopio / Juliia Prokopiv

Es gibt verschiedene Begriffe für Maskulinismus und keine klare Regel, ob du „Maskulinismus”, „Maskulismus” oder „Männerrechtsbewegung” nutzen solltest. Deswegen findest du meistens eine Mischung aus den Begriffen:

  • Maskulinismus ist der ursprüngliche Begriff, den vor allem die feministische Bewegung prägte, der also eher eine Fremdbezeichnung ist. Der Begriff ist mit der Ansicht verbunden, dass der Mann der Frau überlegen sei.
  • Mit dem Begriff Maskulismus beschreiben viele die neuartigen Formen des maskulinistischen Netzwerks. Neu ist, dass es nicht mehr um die Überlegenheit, so viele Männer aus der Szene, gehe, sondern darum, dass Männer unterdrückt würden, unter anderem durch die Errungenschaften der Gleichstellungsbewegungen. Mit Maskulismus beschreiben sich viele in der Szene selbst.
  • Auch Männerechtsbewegung ist eine Selbstbezeichnung. Viele Maskulinist*innen inszenieren sich gerne als Rechtsbewegung, um ihre Ideologie zu legitimieren. Sie wollen mit anderen Menschenrechtsbewegungen auf einer Ebene wahrgenommen werden.  

Auch wenn sich die Begriffe leicht unterscheiden, und auch wenn es Abstufung in der Radikalisierung gibt, beschreiben sie alle eine gefährliche Weltansicht, die unserer Demokratie schadet. Gleichstellung, Emanzipation und Fortschritt sind die Motoren für ein sicheres und demokratisches Miteinander. Ansichten, die sie als Gefahr definieren und mit Hass und Hetze verhindert wollen, bedrohen unsere gesamte Gesellschaft. 

Männerszenen in der Geschichte

Während sich durch den Feminismus und queere Bewegungen Geschlechterrollen auch heute noch stetig verändern, bleibt „Männlichkeit” häufig unhinterfragt. Das mag daran liegen, dass Männlichkeit immer als Norm galt und alles andere als negative Abweichung. Es gab also scheinbar wenig Gründe, Männlichkeit zu hinterfragen. Doch in den 1970er Jahren, im Kontext der zweiten Frauenbewegung, begann die patriarchatskritische „Männerbewegung” an neuen Konzepten und Vorstellungen von Männlichkeit zu arbeiten.

Um die statische Vorstellung von Männlichkeit zu durchbrechen, versuchte die anfänglich feministisch-autonome Männerszene neue Verständnisse und Normen zu entwickeln. Wie in jeder sozialen Bewegung kristallisierten sich mit der Zeit unterschiedliche Strömungen der Männerbewegung heraus. Ein Bericht der FES definiert die antisexistische, die kritische, die mythopoetische und die maskulinistische Männerszene.  

Diese unterschiedlichen Wege, sich mit Männlichkeit auseinander zu setzen, sind wichtig für die Gleichstellungspolitik. Selbst die Angst vor Neuem und vor Veränderung sind nicht verwerflich, sondern sollten besprochen werden. Der maskulinistische, maskulistische oder ‚männerrechtliche’ Weg wählt aber Instrumente der Angst und des Hasses – das kann niemals zu mehr GLEICHstellung führen. 

Ansichten und Ziele im Maskulinismus 

Innerhalb des Maskulinismus gibt es unterschiedliche Auffassungen, wie die Unterdrückung des Mannes aussehe und was gegen sie getan werden müsse. Doch grundlegend gilt, dass sich Maskulinist*innen an traditionellen und patriarchalen Geschlechterrollen samt binärem und heteronormativem Weltbild orientieren.  Während gemäßigte Maskulinist*innen die Rechte von Männern schützen wollen, zielen Radikale auf die tatsächliche Besserstellung gegenüber Frauen ab.

Beide Ziele führen dazu, dass Gleichstellung blockiert wird und beiden liegt ein antifeministischer Gedanke zu Grunde. Maskulinist*innen schützen nämlich mit ihren Forderungen die Privilegien von Männern in unserer Gesellschaft und gehen davon aus, dass Gleichstellung ihnen etwas wegnimmt.

Viele Vertreter*innen der Szene arbeiten nicht mit plumpen Beleidigungen, sondern argumentieren gekonnt mit vermeintlichem Fachwissen aus Geisteswissenschaften oder Gender Studies. Es gibt sogar Maskulinist*innen, die sich als feministisch bezeichnen. Ihr Argument: Männer würden ausgegrenzt und bei Gleichstellungsdebatten nicht einbezogen. Sie sind unter anderem der Meinung, dass das Scheidungs- und Sorgerecht Männer diskriminiere oder dass Jungen in der Schule und in der Universität strukturelle Benachteiligung erfahren.

Einige Vertreter*innen der Szene wollen sich von Antifeminist*innen abgrenzen. Sie wollen, dass der Maskulinismus mehr Gehör findet, und erkennen verschiedene Ausprägungen von Männlichkeit an. Andere wiederum haben ein klares Bild von einer starken Macho-Männlichkeit, dass keinen Platz für feministische Männer, Hausmänner oder andere Formen von Männlichkeit hat. Die Ansichten variieren also, doch bei allen geht es darum, dass „der Mann” unterdrückt oder benachteiligt werde. 

Maskulinismus wird auch als „Opferideologie” bezeichnet, da sich Maskulinist*innen immer wieder als ‚wahre’ Opfer der Gesellschaft positionieren – im Gegensatz zu tatsächlich marginalisierten Gruppen. 

Hände, die auf einer Laptop-Tastatur tippen
Mitglieder der „Männosphäre“ vernetzen sich häufig im Netz und verbreiten Hass und Angst. Foto: Scopio / April Lawrence

Frauenhass, Queerfeindlichkeit und Rechtspopulismus im Netz

Radikale Maskulinist*innen agieren im Internet. Hier haben sie einen Ort gefunden, an dem sie ihre Weltansicht verbreiten können. Denn im Gegensatz zu Feminist*innen bekommen sie wenig mediale Aufmerksamkeit. In Kommentarspalten unter Beiträgen zur Gleichstellung, in Foren oder auf Social Media vernetzt sich die Szene und teilt ihre Ideologie. Während die meisten Medien Gleichstellung preisen und weibliche Führungspersonen feiern, wächst die halböffentliche Gegenbewegung der Maskulinist*innen im Netz.  

Gerade die Kommentarfunktion dient als Protestform für Maskulinist*innen. Dort verbünden sie sich mit Fundamentalist*innen, Abtreibungsgegner*innen und Rechtsextremen.
Die Seite „Wikimannia” ist ein  bekanntes Beispiel für die digitale Präsenz der maskulinistischen Szene. Die Website stellt als „Alternative” zu offiziellen und freien Informationsmedien, wie die des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, „feminismusfreies Wissen” bereit. Nachrichten oder vermeintliche Fachartikel werden im Sinne der maskulinistischen Ideologie veröffentlicht. Sie definiert Begriffe wie „lila Pudel”, der abwertend feministische Männer meint. Auf Wikimannia werden gezielt Personen der Öffentlichkeit angegriffen, die sich für Gleichstellung  einsetzen.  
In misogynen Online-Foren, der sogenannten „Mannosphäre”, tummeln sich verschiedenste Ausprägungen des Maskulinismus. Manche Nutzer*innen sind stille Mitlesende, manche aktiv und radikal. Es sind Maskulinist*innen, Männerrechtler*innen, Incels oder Pick-Up-Artists. Sie hetzen gegen „linksradikale Feminazis” oder „grün-schwule” Pädophile.

Expert*innen sehen in diesen digitalen Räumen eine Verbindung zwischen verunsicherter Männlichkeit und Rechtsextremismus: Der Soziologie Andreas Kemper sieht in der Neuen Rechten maskulinistische Tendenzen. Sie beziehe sich auf einen gewaltverherrlichenden Männerkult.

Auch rechte Parteien bedienen sich maskulinistischer Argumente, um die „traditionelle deutsche Familie” zu schützen. Die Weltansichten sind also nicht nur antifeministisch und sexistisch, sondern auch rassistisch und queerfeindlich. Gerade in der radikalisierten Szene wird auch gegen andere Männer und sogar gegen andere Maskulinist*innen gehetzt, die zu gemäßigt seien.  

Der andere Weg: Männlichkeit im Wandel ohne Hass

Um über Gleichberechtigung zu sprechen, müssen wir über Macht, Ressourcen und Rollen sprechen. Dies geschieht und dadurch gibt es immer wieder Veränderungen der Geschlechterrollen und sozialen Machtverhältnisse. Manche sehen genau diese Veränderungen als Gefahr, wenn nicht gar Krise. Meistens vertreten diese Sorge weiße, christliche, heterosexuelle Männer, die Angst vor einem Machtverlust haben.  

Dass Gleichstellung und Entwicklung nichts Bedrohliches sind, beweisen viele Menschen – natürlich auch viele Männer. Die UN-Kampagne „HeForShe” beispielsweise setzt sich weltweit für Geschlechtergerechtigkeit ein. Es geht darum, die männliche Perspektive in die Gleichstellungspolitik einzubringen. Denn der Wandel weg von traditionellen Rollenbildern bedeutet auch, dass Männer mehr sein dürfen: Sie müssen nicht immer stark oder erfolgreich sein, sie können Zeit mit ihren Kindern und ihrer Familie verbringen, sie können in den Erziehungs- und Pflegebereich gehen oder eine Therapie machen. Das scheint selbstverständlich, doch Maskulinist*innen verwehren sich dieser Freiheit. 

Der sogenannten kritischen Männlichkeit geht es darum, sich als Männer in den gleichstellungspolitischen und feministischen Diskurs einzubringen. Ohne Angst und Hass, dafür mit Vorschlägen, Perspektiven und neuen Möglichkeiten. Die kritische Männlichkeit möchte das Potential einer Veränderung betonten. Kritisch männlich zu sein bedeutet für viele, Emotionen zuzulassen, sich Schwächen einzugestehen und offen mit sich und anderen umzugehen.  

Es ist wichtig, dass Männer in den Prozess der Gleichstellung einbezogen werden. Das funktioniert ganz ohne Hass und Angst: Männlichkeit darf mehr sein, als es das traditionelle Bild zulässt! Um es mit Herbert Grönemeyer zu sagen:  

Männer nehm’n in den Arm
Männer geben Geborgenheit
Männer weinen heimlich
Männer brauchen viel Zärtlichkeit
Oh, Männer sind so verletzlich
Männer sind auf dieser Welt einfach unersetzlich

* Zahlen zu den Verhältnisse für andere Geschlechter, LGBTQIA+ Personen und BIPoC (Black, Indigenous, and People of Color) sind in den meisten Studien nicht inbegriffen. In den USA liegt die Einkommenslücke beispielsweise für queere Personen laut Human Rights Campaign durchschnittlich niedriger.

Titelbild: Scopio / Brit Worgan

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