3 Fragen an den Rechtsanwalt Chan-jo Jun zum aktuellen Facebook-Prozess
Gemeinsam mit uns und der Kanzlei des Rechtsanwalts Chan-jo Jun zieht Renate Künast gegen Facebook vor Gericht – Ziel ist ein noch nie dagewesenes Urteil, das das Leben vieler Betroffener verändern könnte.
Der Würzburger Rechtsanwalt Chan-jo Jun und seine Kanzlei sind auf IT-Recht spezialisiert. Schon vor Jahren hat der Jurist der Hasskriminalität im Netz den Kampf angesagt. Seitdem zieht er mit Mandant*innen gegen große Plattformen wie Facebook vor Gericht. Startschuss für den Künast-Prozess war im April 2021. Die Politikerin hat mit Unterstützung von HateAid Klage wegen eines Falschzitats von ihr eingereicht, das schon seit 2015 auf der Social-Media-Plattform kursiert (mehr dazu lesen).
Im Gespräch nach der heutigen mündlichen Verhandlung am Frankfurter Landgericht haben wir mit Künasts Rechtsanwalt Chan-jo Jun über den Verlauf gesprochen:
Wie lief die mündliche Verhandlung heute aus Ihrer Sicht und wie sehen Ihre nächsten Schritte aus?
Chan-jo Jun: Das Gericht war außerordentlich gut vorbereitet, kannte nicht nur alle Schriftsätze, sondern auch alle Entscheidungen, die zum Thema ergangen sind. Und sie haben sich auch vermutlich schon zuvor zurechtgelegt, worauf es im Urteil ankommen wird. Deshalb waren wir gespannt und dann extrem erleichtert, als wir festgestellt haben, dass sich das Gericht insbesondere auf die wirtschaftliche und technische Zumutbarkeit stützen wird. An der Stelle haben wir keine großen Befürchtungen. Für Facebook ist es zumutbar, Hass wirksam zu bekämpfen. Facebook hat erbeten, noch einmal etwas schreiben zu dürfen und am 24. März erwarten wir eine Entscheidung des Gerichts, das kann ein Urteil oder ein Beweisbeschluss sein.
Wie verteidigt sich Facebook gegen Ihre Forderungen und was könnte die schlimmste Befürchtung des Meta-Konzerns sein?
Chan-jo Jun: Facebook verteidigt sich mit dem Einwand, es wäre für den Konzern unzumutbar, irgendetwas zu tun, was sich nicht hundertprozentig automatisieren lässt. Weil sie sagen, es gibt so viele Rechtsverletzungen. Das Schlimmste, was aus Facebooks Sicht passieren kann, ist, dass alle Opfer von Hasskriminalität den rechtlichen Schutz verlangen, der ihnen auch tatsächlich zusteht.
Sie haben sich schon früher mit Facebook angelegt: Wie hat sich Ihre Würzburger Kanzlei darauf vorbereitet, es mit den mächtigen Großkanzlei-Anwälten aufzunehmen?
Chan-jo Jun: Bei Großkanzlei-Anwälten sind wir darauf gefasst, dass sie lange Schriftsätze schicken, dass sie diese auch oft sehr spät einreichen. Aber am Ende kochen sie auch nur mit Wasser und sind vor Gericht auch nur eine Kachel in einer Videokonferenz. Deshalb gehen wir ja gerade vor Gericht, weil dort der Umstand, dass sie größer sind und mehr Geld haben, keine Rolle spielt. Klar ist aber, dass man sich bei einem Rechtsstreit mit Facebook keine Blöße geben darf. Es gilt natürlich, dass jede Rechtsprechung, die überhaupt zu dem Thema ergangen ist, bekannt ist, gelesen werden muss. Dass man alle Sachen lieber zweimal lesen muss. Deshalb hatten wir ein ganzes Team an Anwälten für diesen Fall eingesetzt.