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Person sitzt am Laptop und streckt die Hand der Kamera entgegen.

Gesetz verteidigt, online angefeindet: Hass gegen Anwält*innen

#HateSpeech & #AnwaltBashing: Stellen Sie sich vor, Sie stehen morgens arglos auf und finden die auf dem Screenshot ersichtliche Nachricht auf Ihrem Handy. So wieder mal gestern bei mir passiert.

Und nun stellen Sie sich vor, dass Sie aufgrund der Häufigkeit solcher Nachrichten so abgestumpft sind, dass Sie erst mal einen Kaffee trinken und abwägen, ob es die Zeit wert ist, dafür zur Polizei zu gehen.“

Jens Ferner, Februar 2023, Linkedin

Das teilte der Anwalt Jens Ferner im Februar mit seiner Community auf Linkedin. Er schreibt darüber, was er als Anwalt im digitalen Raum erfährt: Beleidigungen, Verleumdungen und Todesdrohungen. Mittlerweile, so Ferner, erreichten ihn jährlich drei bis fünf solcher Drohungen. Darauf habe er keine Lust mehr: „Ich bin Müde, vor allem Müde, einen Job zu machen, der zwingend notwendig ist und dafür ständig angefeindet zu werden”. Mit seinem Post wolle er andere Kolleg*innen dazu ermutigen, sich gegen digitale Gewalt zu wehren. Hass gegen Anwält*innen ist kein Einzelfall

Wir haben Erfahrungseinblicke von betroffenen Anwält*innen zusammengetragen. Auch explizite Beleidigungen werden in diesem Artikel aufgeführt. Wenn dich gewaltvolle Sprache triggert, lies am besten erst nach dem ersten Erfahrungseinblick weiter. Zwar unterscheiden sich die Hintergründe der Anfeindungen, trotzdem sind sich alle in einem einig: Sie lassen sich nicht einschüchtern.

Hass gegen Anwält*innen: Foto zeigt Person mit Handy in der Hand, die am Laptop tippt.
Es wird selten darüber gesprochen, dass auch Anwält*innen Hass im Netz erleben. Foto: Scopio / Gatot Adri

„Vroni, wir kommen in deine Kanzlei und klären das persönlich!” 

Verena Haisch setzt sich als Anwältin mit ihren Kolleg*innen für ein sicheres Netz ein und verteidigt Betroffene von digitaler Gewalt. Sie beschreibt, was sie als Anwältin aushalten muss: 

Drohungen, aber auch grund- und haltlose Beleidigungen erlebe ich immer wieder. Sei es, dass Gegner*innen schreiben, meistens männliche Täter, ich sei eine „dusselige Nutte“, weil ihnen mein Schreiben nicht gefällt. Sei es, dass Personen, die ich wegen Hatespeech abmahne, mich ohne jeden Grund bei der Staatsanwaltschaft anzeigen und bei der Rechtsanwaltskammer den Entzug meiner Zulassung beantragen. Einmal wurde mir als „Vroni“ gedroht, man werde in die Kanzlei kommen, und die Sache persönlich klären (ich hatte eine einstweilige Verfügung gegen die Person erwirkt und Anzeige erstattet).  

So etwas passiert alle sechs Monate. Es passiert, weil ich mir herausnehme, den Täter*innen zu sagen, sie hätten Rechtsverletzungen begangen. Dass ich u. a. „Vroni“ genannt werde und anwaltliche Post mit „dusslige Nutte“ beantwortet wird, zeigt, dass es für die Täter*innen noch unerträglicher ist, dass ich ihnen das als Frau sage. 

Ich höre von Kolleg*innen immer wieder, dass diejenigen, die gegen Hatespeech tätig sind, selbst immer wieder angegriffen werden. Ich zeige manches an, manches nehme ich hin: Wenn eine Anzeige die Situation für die Mandant*innen weiter eskalieren würde. Dann sehe ich auch mal davon ab.” 

Warum gibt es im Netz Hass gegen Anwält*innen? 

Dieser Erfahrungseinblick zeigt, dass Anwält*innen in ihrer Tätigkeit zum Feindbild werden. Gerade Anwält*innen, die im Feld digitaler Gewalt arbeiten, sind von dieser häufig selbst betroffen. Doch es kann auch andere Hintergründe haben. Verena Haisch betont beispielsweise, dass Frauenfeindlichkeit in ihrer Situation in die Anfeindungen hineinspielt.  

Die Erfahrungen von Blaise Francis El Mourabit, der sich als Anwalt pro bono für Betroffene von Rassismus im analogen und digitalen Leben einsetzt, lassen ein weiteres Motiv erkennen. Für seinen Einsatz gegen rassistische Gewalt, werde er online bedroht und beleidigt. Das gehöre mittlerweile zu seinem Alltag als Anwalt dazu, so El Mourabit in einem Interview. Doch er mache weiter, ließe sich nicht einschüchtern und zeige an. 

Hass gegen Anwält*innen: Person hält ein Handy in der Hand, bei dem der Kalender geöffnet ist.
Viele Betroffene erhalten mehrmals im Jahr Beleidigungen oder Morddrohungen. Foto: Scopio / Talent Zukutu

„Das ist nicht normal, aber es wiederholt sich” 

Die schiere Präsenz in der Öffentlichkeit ist ein weiterer Grund für den Hass gegen Anwält*innen. Chan-jo Jun, Anwalt für IT- und Wirtschaftsrecht, berichtet: 

„Ich bekomme durch die Teilnahme am öffentlichen Diskurs die typische Bandbreite von kritischem Feedback beginnend mit hämischen Kommentaren, Wünschen nach Auswanderung, Ankündigung von künftiger Aburteilung (nach entsprechender Machtübernahme), Ankündigung von Willkürmaßnahmen, Androhung von Gewalt, insbesondere Folter oder Mord.  

Dazu kommen juristische Einschüchterungen durch Abmahnungen, Meldungen, Anzeigen oder Klagen. Das ist nicht normal, aber es wiederholt sich. Bei juristischen Berufen gibt es häufig ein Machtgefälle, was Nährboden für Missbrauch ist. Jurist*innen untereinander wählen häufiger Maßnahmen von SLAPP, um einander einzuschüchtern. 

Die Zahl der Anfeindungen schwankt sehr stark mit den Themen, mit denen ich mich befasse. Die übelsten Drohungen kamen immer bei Diskussionen um Impfthemen. 

Anfeindungen als Anwalt gehen auch mit anderen Komponenten einher. Die vermutete Herkunft ist häufig ein Ansatz für verbale Gewalt. Allerdings scheint mein Beruf manche Täter*innen auch abzuhalten. Ich sehe, dass andere Nutzer*innen stärker betroffen sind als ich.” 

Kein Mensch muss digitale Gewalt aushalten, auch Anwält*innen nicht 

Die Berichte zeigen, dass Anwält*innen, die sich gegen digitale Gewalt einsetzen oder mit anderen polarisierenden Themen in der Öffentlichkeit stehen, häufig Zielscheibe von digitaler Gewalt werden. Studien, Zahlen oder andere Erfahrungsberichte gibt es bisher aber kaum.

Wenn du als Anwält*in von digitalen Angriffen betroffen bist, kannst du dich jederzeit an unser Beratungsteam wenden. Falls du mit deinen eigenen Erfahrungen dazu beitragen möchtest, auf das Thema aufmerksam zu machen, kontaktiere gerne unsere Redaktion.

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