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Potrait von weißer, blonder Frau mit Text Interview mit Expertin Natascha Strobl

Feindbild Frau: Natascha Strobl über Rechtsextremismus im Netz 

Die österreichische Publizistin Natascha Strobl ist Politikwissenschaftlerin und Expertin zu Rechtsextremismus, Faschismus, der Neuen Rechten und Identitären. Als solche hat sie zahlreiche Publikationen zum Themenkomplex veröffentlicht und hält europaweit Vorträge. Auf Twitter ordnet sie unter #NatsAnalyse regelmäßig die Entwicklungen im rechten Feld ein und analysiert das Vorgehen von Extremist*innen. Das hat sie schnell in den Fokus von rechten Hater*innen gerückt …

Natascha, du bist Politikwissenschaftlerin und Expertin für Rechtsextremismus. Du wurdest selbst schon von Rechten angegriffen. Wann bzw. warum fingen die digitalen Angriffe an? Gab es so etwas wie einen Auslöser? 

Natascha: Es hat angefangen, sobald ich in der Öffentlichkeit stand. Zu meinem allerersten Vortrag zu der Identitären Bewegung 2014 kamen schon Störende. Nicht digital, sondern physisch. Gleichzeitig ging dann ein Video online, wo diese Störung besprochen wurde. Seitdem hat es an Intensität zugenommen. Je mehr ich in der Öffentlichkeit stand und je mehr ich rezipiert worden bin, desto schlimmer wurde es. 

Vernetzungseffekte? Es ging bei dir mit der Identitären Bewegung los, ist es dann auf andere Phänomene im rechtsextremen Spektrum übergegangen oder wie hat es sich weiterentwickelt? 

Natascha: Absolut. Es funktioniert ja so: Es gibt Feindbilder, die aufgrund der Position, die man vertritt, auferlegt werden. Auf die wird dann alles mögliche projiziert.  

Ganz oft sind es Frauen, die in der Öffentlichkeit stehen oder Frauen in einem bestimmten Netzwerk, wie Parteien, auf die gezielt wird. Es geht um die schwächsten Mitglieder in der Kette, wo man weiß: Die müssen alleine damit zurechtkommen, die haben keine große rechtliche Unterstützung hinter sich. In die Kategorie falle auch ich.  

Beispielsweise haben mich damals die Identitären, mit denen ich mich am Anfang viel beschäftigt habe, als Feindbild markiert. Diese Projektion ging dann über die Jahre über auf die FPÖ (die Freiheitliche Partei Österreichs, eine rechtspopulistische Partei in Österreich), über die Grenze nach Deutschland und in die Schweiz.  

Wie ist die aktuelle Situation: Wirst du immer noch angegriffen? 

Natascha: Es gibt ein Grundrauschen. Da sind immer wieder Leute, beispielsweise in Foren, die schlecht über mich reden, mich abwerten, diffamieren oder erzählen, dass ich Teil einer Verschwörung sei. Das nehme ich nicht mehr so ernst. Aber dann gibt es immer wieder Spitzen, wo dann konkrete Gewaltfantasien, Drohungen gegen mich, Drohungen gegen die Familie kommen. Und das ist wirklich immer wieder schlimm

Wie du eben schon angesprochen hast: Gerade Frauen werden immer wieder Zielscheibe von digitalen Angriffen. Welche Rolle spielen denn Merkmale wie Geschlecht oder politische Gesinnung in den Angriffen? 

Natürlich erhalten auch Männer, die politisch aktiv sind, solche Drohungen. Aber bei Frauen geht es schnell ins Persönliche. Da geht es schnell um Aussehen, Sexualität, Fruchtbarkeit, beispielsweise ob eine Frau Kinder oder keine hat. Auch sexuelle Gewaltfantasien spielen eine Rolle.  

Natürlich spielt auch die politische Gesinnung eine Rolle. Wenn man entschieden links ist, wird man als Teil einer Verschwörung und Teil einer Elite gesehen. Da wird ganz gnadenlos gehasst, bis hin zu Vernichtungs-, Gewalt- und Auslöschfantasien

Gab es ein „schlimmstes” Ereignis? Was ist passiert und was waren die Folgen? 

Das Schlimmste war, als mein damals kürzlich verstorbener Vater angegriffen wurde. Da wurden die Angriffe sogar in sein Kondolenzbuch geschrieben. Das ist immer ganz schwer zu erzählen, weil es so tief persönlich war und das alles öffentlich, vor hunderttausend Menschen, gemacht wurde. Das war ganz, ganz schlimm. 

Wie hast du in dem Fall, aber auch in anderen Fällen, auf die Angriffe reagiert. Und was tust du gegen digitale Gewalt? 

Ich habe mir tatsächlich ein dickes Fell aufgebaut. Mit der Zeit kriegt man das. Sollte nicht so sein, ist aber so. Ich habe mir Hilfe gesucht. Zuerst in meinem Umfeld, da haben mir meine Freund*innen geholfen, indem sie meine Accounts übernommen haben, Monitoring und Screenshots machten, damit ich nicht alles sehen und lesen musste.  

Ich habe bei ganz vielen Angriffen den Weg in die Öffentlichkeit gewählt. Weil ich damit einfach nicht allein sein wollte. Und wenn es mir zugemutet wird, dann will ich es auch der Öffentlichkeit zumuten.  

Und natürlich hole ich direkte Hilfe: HateAid ist da meine Ansprechpartnerin, die mir unglaublich viel Arbeit abnimmt. Arbeit, für die ich einfach die Nerven nicht habe und für die, abgesehen vom Geld, was eine wichtige Rolle spielt, auch keine Zeit ist. Ich hab ja auch noch einen Job, ein Privatleben. Man kann sich nicht 30 Stunden die Woche damit beschäftigen, wie was wo gesichert ist, Beweise hin- und herschicken, Telefonate führen – das ist furchtbar, das lähmt einen ja komplett. Und natürlich ist es emotional wichtig, dass ich immer weiß, wohin ich sowas weiterleiten kann. 

Gibt es denn aktuelle Entwicklungen, die du beobachtest in Bezug auf Rechtsextremismus im Netz?

Das Prägnanteste ist, dass er immer mehr transnational funktioniert, über Länder- und Sprachgrenzen hinweg. Dazu braucht es eine Uniformierung, sodass Themen jetzt schon fast überall gleichzeitig besprochen werden.  

Es hat eigentlich immer etwas gedauert, ein paar Monate oder Wochen, bis das, was in den USA war, nach Europa gekommen ist, und umgekehrt. Und jetzt erleben wir es, dass es fast schon im Gleichschritt funktioniert. Ganz klar ist ‚woke Sein’ jetzt ein Thema, wo alles hineinprojiziert wird, was man gerade nicht mag. LGBTIAQ+ Rechte und Misogynie, aber auch das Verschwörungsdenken, Rassismus und Antisemitismus spielen als Themen immer wieder eine Rolle.  

Man muss wirklich sagen, dass daran nichts neu ist. Es ist nur größer, es ist globaler, es ist transnationaler, aber die Techniken dahinter kann man umlegen auf die von vor 100 Jahren. Das ist eins zu eins dasselbe. 

Gibt es Hinweise darauf, wie diese Vernetzung funktioniert, dass beispielsweise alle über dasselbe Thema sprechen? 

Das sind einfach Dynamiken: Es gibt Multiplikator*innen, also wichtige Influencer*innen oder Medien-Outlets, die zur Verbreitung beitragen. Man schaut sich das dann voneinander ab. Also: Was funktioniert, das nimmt man. Das ist dogmatisch: Was klickt, das klickt. Das sieht man auch daran, dass es überall die gleichen Anekdoten, die gleichen Halbwahrheiten und Lügen sind. Das funktioniert im Netz einfach, da es dort keine Barrieren gibt. Wenn Andrew Tate (ein misogyner Influencer) etwas berichtet, strahlt das überall hin aus und wird so angenommen. 

Siehst du auch positive Aspekte des digitalen Raums, hast du eine schöne Erfahrung, die du auf Social Media gemacht hast und mit uns teilen möchtest? 

Natascha geht trotz der rechten Anfeindungen gegen sie vom Guten in den Menschen aus. Foto: Christopher Glanzl

Ich habe ganz viele positive Erfahrungen. Ich glaube noch immer, dass das Gute überwiegt. Wir müssen allerdings dafür kämpfen. Ein gutes Beispiel war: Ich hatte einen Tag nach dem ersten Angriff von Russland auf die Ukraine Geburtstag. Ich wollte nur eine kleine digitale Spendensammlung für Flüchtende machen, weil ich mich so hilflos gefühlt habe. Ich wollte 1.000 Euro sammeln und am Ende haben wir 112.000 Euro gesammelt, in drei Tagen.

Und das zeigt einfach, welche Hilfsbereitschaft und Solidarität es gibt und das alles in einer Schnelligkeit, die quasi live passiert. Ich glaube immer noch, dass das Gute, das Solidarische, die Hilfsbereitschaft überwiegen, auch wenn ihre Vertreter*innen manchmal leise oder eingeschüchtert sind. Die meisten Menschen wollen einander was Gutes und das ist auch im digitalen Raum so. 

Gibt es etwas, was du unseren Leser*innen noch mitgeben möchtest? 

Einfach nicht verzagen. Man muss auch um Räume kämpfen und Räume füllen. Ich verstehe sehr, wenn sich einzelne zurückziehen, aber man kann auch zeigen, dass manche Dinge nicht einfach preisgegeben werden dürfen. Nur weil Leute laut sind, sind sie keine Mehrheit. Ich bin fest davon überzeugt, dass Menschen per se gut sind. 

Titelbild: Christopher Glanzl

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