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Menschenmenge, in der eine Person mit Handy im Fokus der Kamera steht.

Stochastischer Terrorismus: Vom Hasskommentar zum Attentat

Könntest du Terrorist*in sein? Das Konzept des „stochastischen Terrorismus” besagt genau das: Jede*r User*in auf digitalen Plattformen trägt durch Klicks, Likes und Shares von extremistischen Inhalten dazu bei, Wut und Hass zu schüren. So lange, bis sich eine Person berufen fühlt, diesen Hass in einem Attentat auszuleben. Alle, die davor digital mitgemacht haben, sind mitschuldig.

Was hat Mathe mit Terrorismus zu tun?

Eine Urne beinhaltet zwei gelbe und drei rote Kugeln. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass du eine rote Kugel ziehst? Diese statistische Rechnung kennst du bestimmt noch aus der Schule. Wahrscheinlichkeitsrechnung ist aber nicht immer so spielerisch, wie das Ziehen einer imaginären Kugel aus einem erdachten Behältnis. Sie ermöglicht auch Aussagen über potenzielle Gewalttaten. Beispielsweise beim stochastischen Terrorismus: Je mehr Hassnachrichten und wütende Kommentare im Netz kursieren, desto wahrscheinlicher ist es, dass eine Person die damit einhergehenden Gewaltfantasien Wirklichkeit werden lässt.

Was bedeutet „stochastischer Terrorismus”? 

„Stochastischer Terrorismus” besteht seit 2011 als Konzept. Stochastisch, aus der Wahrscheinlichkeitsrechnung, meint „zufallsabhängig”. Das Konzept verweist darauf, dass anstachelnde Rede analoge Gewalthandlungen wahrscheinlicher macht. Es geht vor allem darum, dass viele Menschen massenhaft Hassbotschaften über digitale Kommunikationsmittel versenden. Andere Nutzer*innen unterstützen diesen Hass durch Likes, Teilen oder Klicken. Das befeuert manche Menschen so, dass sie terroristische Attentate begehen. Die Gewaltausübung durch eine zufällige Person ist damit statistisch vorhersehbar. Wichtig: Diese Voraussage betrifft nicht die Person, sondern den Akt der Gewalt. Es geht beim stochastischen Terrorismus um die Masse an Menschen, die daran beteiligt ist, Hass zu verbreiten

Wolf steht in einem Wald im Schnee.
Es sind „einsame Wölfe“, die die Attentate ausüben. Aber alle Menschen, die aufstacheln, machen sich mitschuldig. Foto: Scopio / Nikolas Gogstad

Digitale Plattformen: Von einsamen Wölfen und gefährlichen Gruppen

Digitale Medien sind ein perfekter Ort, um Menschen zu radikalisieren, aufzustacheln und so zur Gewaltausübung zu bewegen: Einfach die Plattformen mit Hassnachrichten fluten, Falschnachrichten und Verschwörungsmythen stetig wiederholen oder Ängste und Wut bekräftigen. Die organisierte Verbreitung von Hass im Internet ist mittlerweile eine terroristische Strategie:

  • Extremistische Narrative und Hassbotschaften erreichen auf digitalen Plattformen ein großes Publikum.
  • Feste Gruppierungen sind unnötig, um Ideologien und Weltvorstellungen zu verbreiten.
  • So ist es möglich, Einzelpersonen zu Terrorakten zu bewegen. Da sie sich über Hassrede radikalisieren, braucht es dafür nicht mal eine konkrete Aufforderung.

Für extremistische Gruppierungen heißt das also, dass sie die Ausführung von Gewalt auf „einsame Wölfe” auslagern können, ohne Verantwortung dafür übernehmen zu müssen. Die Einzelpersonen sitzen hinter ihren Bildschirmen und radikalisieren sich über Foren und soziale Plattformen. Ohne selbst Teil einer terroristischen Gruppe zu sein, sind sie irgendwann so aufgestachelt, dass sie zur Waffe greifen und ein Attentat begehen.

Eine Menschenmenge von oben fotografiert.
Wenn viele Menschen im Internet Hass verbreiten, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass eine zufällige Person einen terroristischen Anschlag durchführt. Foto: Shutterstock / Blvdone

Stochastische Terrorist*innen sind nicht die, die den Terrorakt begehen. Es sind die Menschen, die Hass und Wut strategisch im Netz verbreiten und diejenigen, die diesen Inhalt klicken, liken und teilen. Das heißt nicht, dass den Ausführenden Schuld abgenommen wird. Das Konzept des „stochastischen Terrorismus” zeigt hingegen, dass diese Terrorakte nicht als Einzelfall aus dem Nichts kommen, sondern durch die massenhafte Verbreitung menschenfeindlicher Inhalte wahrscheinlicher werden. Es geht um die Phase der Radikalisierung und der Organisation dahinter.

Digitalisierte Rechtsextreme: Stochastische Gewalt in der rechten Szene

Angesichts der hohen Zahlen von strafbaren, rechts motivierten Hasspostings, ist es kaum verwunderlich, dass der stochastische Terrorismus auch eine digitale Strategie der rechtsextremen Szene ist. Zwar gibt es Gesetze im Netz, die vor Rechtsextremismus schützen, jedoch fehlt es an konsequenten Maßnahmen der Plattformen selbst.

Männlich gelesene Person hält ein Handy vor dem Gesicht.
Über Handy und Laptop kann Hass schnell verbreitet werden. Eine Strategie, die auch die rechtsextreme Szene nutzt. Foto: Scopio / Axel Buckert

Ein Problem, dass wegen des stochastischen Terrorismus nicht auf sozialen Plattformen endet: Der Mord am trans Mann Malte C. im August 2022 zeigt, wohin der stätige Hass gegen die LGBTQIA+ Community im Internet führen kann.

Auch der Täter des rechtsextremen und rassistisch motivierten Anschlags in Hanau, bei dem, Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtović, Vili Viorel Păun, Fatih Saraçoğlu, Ferhat Unvar und Kaloyan Velkov getötet wurden, hat sich auf sozialen Plattformen radikalisiert.

Ohne jemals Teil einer organisierten rechtsextremistischen Gruppe gewesen zu sein, übernahm er den Hass, die diese streuen und ermordete neun Menschen. Warum es wichtig ist, zwischen den Taten des stochastischen Terrorismus und jenen fester Gruppen, wie den NSU-Morden, zu unterscheiden? Ihr Ursprung liegt in derselben Ideologie und Menschenfeindlichkeit, doch die Motivation, die Strukturen und damit auch die präventiven Maßnahmen sind andere.

Deine Strategien gegen einsame Wölfe

Dass extremistische Ideologien im Internet so weitverbreitet und zugänglich sind, heißt nicht nur, dass potenziell jede*r User*in Täter*in werden kann, es heißt auch, dass jede*r einzelne etwas gegen den Hass tun kann. Es liegt an dir und allen anderen Nutzer*innen, diese extremistischen Strategien nicht zu unterstützen.

Indem du nicht nur mitliest und Hass stehen lässt, zeigst du, dass Hater*innen und Extremist*innen auch im Netz keinen Platz haben:

  • Mit Gegenrede entlarvst du falsche Informationen und Verschwörungsmythen. So beweist du, dass es andere Weltvorstellungen gibt, die nicht auf Menschenfeindlichkeit fußen.
  • Indem du potenziell strafbare digitale Gewalt meldest, zeigst du den Plattformen, dass ihre User*innen solche Inhalte nicht dulden.
  • Du kannst strafbare Kommentare und Nachrichten auch anzeigen. Das hilft, mögliche Täter*innen abzuschrecken. Außerdem bringt es digitale Gewaltakte in die Kriminalstatistik und sorgt so für mehr politische und gesellschaftliche Aufmerksamkeit.

Mit diesen Schritten trägst du dazu bei, weniger Hass und Wut zu schüren und beugst so stochastischem Terrorismus vor.

  

Titelbild: Shutterstock / Nick Starichenko

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