EU-Besuch von Facebook Whistleblowerin Frances Haugen: Protest in Brüssel gegen Hass, Dickpics und Bedrohungen im Netz
HateAid fordert von der EU klare Regeln für Plattformen
Von vielen unbemerkt gehen in diesen Tagen die Verhandlungen um den Digital Services Act (DSA), das neue EU-Internetgesetz, in die heiße Phase. Mit einer Protestaktion vor dem Europäischen Parlament erhöht HateAid jetzt den Druck an den EU-Verhandlungstischen. Im Gepäck: eine neue EU-weite Umfrage im Auftrag von HateAid und dem Landecker Digital Justice Movement. Sie zeigt, dass Gewalt auf Social Media-Plattformen in ganz Europa ein massives Problem ist – Plattformen wie Facebook und Twitter aber nur wenig dagegen tun. EU-Parlamentarier*innen sollen nun direkt mit den Zahlen und dem Leidensdruck der Betroffenen vor dem EU-Parlament konfrontiert werden.
Digitale Gewalt gehört mittlerweile zur traurigen Realität von Internetnutzer*innen in ganz Europa. Über 80 Prozent der Europäer*innen kritisieren in der aktuellen Umfrage, dass Google, Facebook, Twitter und Co. sie nicht genug vor Hatespeech, Dickpics und anderen Formen von digitaler Gewalt schützen. Im Gegenteil: Es herrscht eine wachsende Angst vor Gewalt im Netz. Jede*r zweite EU-Bürger*in hat schon einmal aus Sorge selbst attackiert zu werden, seine Meinung auf Social Media nicht geäußert.
Nacktfotos werden manipuliert oder geklaut und ohne Zustimmung auf Pornoplattformen veröffentlicht. 30 Prozent aller Europäerinnen befürchten laut der repräsentativen Umfrage, dass gefälschte Nacktbilder ohne ihre Einwilligung online veröffentlicht werden. Privatadressen und Telefonnummern von Frauen werden geleakt. Hatespeech und auch Vergewaltigungsdrohungen sind keine Seltenheit mehr. Mit einer Protestaktion vor dem Europäischen Parlament konfrontiert HateAid heute EU-Politiker*innen mit der Gewalt, die Frauen und Mädchen in den sozialen Medien erfahren. Abgeordnete des Europäischen Parlaments sind eingeladen, sich dabei mit den Betroffenen von digitaler Gewalt zu solidarisieren.
Vor dem Hintergrund der heutigen Anhörung der Whistleblowerin Frances Haugen im Europäischen Parlament sieht HateAid die Notwendigkeit klarer gesetzlicher Regelungen im DSA zum Schutz vor digitaler Gewalt bekräftigt. Die Whistleblowerin Haugen solidarisierte sich am Donnerstag, den 05.11.2021, auf einer Veranstaltung mit HateAid in Berlin mit den Forderungen der Organisation. Die ehemalige Facebook-Mitarbeiterin hatte öffentlich gemacht, dass das Unternehmen um die fatalen Auswirkungen der Plattformen Facebook und Instagram durch Hass, Desinformation und extremistische Inhalte wisse, – und diese im Sinne der Profitmaximierung bewusst in Kauf nehme.
Dazu Anna-Lena von Hodenberg, Geschäftsführerin von HateAid:
„Auf Social Media herrscht mittlerweile in der gesamten EU eine Kultur der Angst. Menschen trauen sich nicht mehr, dort an öffentlichen Debatten teilzunehmen oder ziehen sich ganz aus diesen Räumen zurück. Übrig bleiben nur die, die am lautesten schreien und die am gewalttätigsten sind. Von den Plattformen fühlen sich die Menschen allein gelassen. Zu Recht, wie die Enthüllungen der Whistleblowerin Frances Haugen zeigen. Jetzt ist es an den EU-Politiker*innen, die Menschen nicht alleine zu lassen, endlich Verantwortung zu übernehmen und für ihre und unser aller Sicherheit im Netz zu sorgen. Und zwar mit klaren Rechten für die Bürger*innen und systemischen Verpflichtungen für die Plattformen. Die EU darf nicht zulassen, dass Sicherheit und demokratische Teilhabe ihrer Bürger*innen hinter der Gewinnmaximierung von Social Media-Konzernen zurückstehen.”
Dazu Shanley Clemot McLaren und Lisa Gauvin-Drillaud, Gründerinnen der französischen Organisation StopFisha:
„Derzeit sehen wir hilflos einer Explosion von Gewalt im Internet zu. Die Gewalt gegen Frauen und Mädchen im Internet zerstört systematisch das Leben von Frauen und hat das Ziel, patriarchale Kontrolle auszuüben. Das heißt: Das Internet ist ein Raum, in dem Frauen gezielt diskriminiert, verdrängt und eingeschüchtert werden. Deswegen fordern wir auf europäischer Ebene effektive Maßnahmen für den Schutz vor digitaler Gewalt: Bessere Moderation von Beiträgen in den sozialen Medien, und stärkere Sanktionen bei sexualisierter Gewalt im Netz mit besonderem Fokus auf den Missbrauch von Nacktfotos im Internet.“
Bereits Tausende Europäer*innen haben sich HateAid, dem Landecker Digital Justice Movement und dem zivilgesellschaftlichen Bündnis von 18 europäischen Organisationen, darunter die französische Initiative Stop Fisha, angeschlossen. Gemeinsam fordern diese im Rahmen der Petition „Stoppt digitale Gewalt gegen Frauen! #makeitsafe“ die EU auf, das Internet zu einem sicheren Ort für Frauen und Mädchen zu machen.
HateAid und das europäische Bündnis gegen digitale Gewalt fordern:
- Stoppt den Missbrauch von Nacktbildern
- Nehmt illegale Inhalte aus dem Netz
- Lasst Nutzer*innen darüber entscheiden, was ihnen in den sozialen Medien angezeigt wird
- Schafft einfache Meldewege
- Macht Rechtsverfahren einfacher und günstiger für Nutzer*innen