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Menschen in einem Café.

Von digitaler Gewalt gegen kleine Betriebe in Corona-Zeiten

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Nicht nur wirtschaftlich ist die Pandemie schwer für kleine Betriebe. Weil sie die gesetzlichen Corona-Maßnahmen umsetzen, sind sie auch Hass im Netz ausgesetzt. Wie digitale Gewalt kleinen Betrieben schadet, was sie dagegen tun können und warum auch sie unsere digitale Zivilcourage brauchen, erfährst du im Beitrag:

Frust gegen Corona-Maßnahmen 

Viele Bereiche unseres Lebens haben sich während der Pandemie ins Netz verlagert. Lieferdienste und Onlineshops boomen, während kleine Geschäfte und Gastronomie das Nachsehen haben. Zahlreiche Existenzen sind gefährdet und die Betriebe versuchen, so gut es geht, unter Auflagen ihre Dienstleistungen anzubieten. „Zutritt nur mit Maske“, „Haarschnitt nur für Geimpfte und Genesene“, „Hier gilt 2G plus“. Solche Aushänge an den Schaufenstern sind uns wohl vertraut. Die allermeisten haben für diese Maßnahmen Verständnis und setzen sie gewissenhaft um – auch wenn sie manchmal nerven können.

Bei einigen wenigen kann der Frust über die Maßnahmen aber in Gewalt umschlagen. Online wie offline. Lockdowns und Corona-Maßnahmen werden von Impfgegner*innen und der sogenannten Querdenken-Bewegung missverstanden und diese Gruppen radikalisieren sich zunehmend. Sie sind online gut organisiert und wissen um die Mechaniken von Social Media. Online-Debatten werden bewusst gekapert, um die öffentliche Meinung zu Pandemie und Maßnahmen zu verfälschen und zu beeinflussen.

Digitale Gewalt gegen ein Café in Berlin

Blick in ein Café
Koordinierter Hass gegenüber Dienstleister*innen, die die Corona-Maßnahmen umsetzen, ist für viele trauriger Alltag. Foto: Unsplash

Kleine Betriebe sind neben der erdrückenden Konkurrenz im Netz also einem weiteren Online-Problem ausgesetzt: dem Hass. Setzen sie die gesetzlichen Auflagen um, werden sie oft zur Zielscheibe von Maskengegner*innen oder Coronaleugner*innen. So zum Beispiel im Fall eines Cafés in Berlin. Der Café-Besitzer, der seinen Namen aus Sicherheitsgründen nicht online lesen möchte, wandte sich in einer akuten Bedrohungslage an HateAid. „Wir wurden online in einer Weise bedroht, die man sich als Außenstehende*r kaum vorstellen kann. Wir wussten von Hass im Netz, aber eine koordinierte Hetzkampagne ist schwer auszumalen, wenn man nicht selbst betroffen ist”, erzählt er rückblickend.  

Als politisch engagierte Person, die das Impfen und die Corona-Maßnahmen befürwortet, musste er Mitte letzten Jahres zusehen, wie er und sein Team für dieses Engagement mit Hassnachrichten und Drohungen bombardiert wurden. Er und sein Team wurden über zwei Wochen lang beinahe nonstop bedroht und verleumdet. Alles nur, weil sie die zu dieser Zeit geltenden Corona-Maßnahmen umsetzten.

Die Angreifer*innen riefen zu Straftaten gegen die Mitarbeitenden im Café auf. „Rechtsextreme Kreise um Attila Hildmann haben alle Hebel in Bewegung gesetzt, um unserem kleinen Geschäft online zu schaden. Das umfasste Tausende negative, verleumderische Google-Kommentare, die Planung von Facebook-Aktionen und Hass per Telefon, E-Mail und Chat.” 

Auch Gastronomie und Dienstleister sind von digitaler Gewalt betroffen 

Ohne professionelle Unterstützung wäre es nicht möglich gewesen, die überraschende und aggressive Flut an Hass in den Griff zu bekommen: „Die schiere Masse an Bedrohungen und Beschimpfungen war gar nicht zu beantworten. Wir sind daher an HateAid, die Amadeo Antonio Stiftung und die Mobile Beratungsstelle gegen Rechts herangetreten, um professionelle Unterstützung zu bekommen”, berichtet der Geschäftsführer.

Durch ein schnelles Handeln, das Sensibilisieren aller Mitarbeitenden und der Stammgäste sowie eine Verbindung zur lokalen Polizeiwache und zum LKA konnte die Welle an Hass nach vielen schweren Stunden für das Café abgeschwächt werden. Dennoch sind es Erfahrungen, die prägen: „Persönlich haben uns die Vorgänge nachhaltig beschäftigt und unser Sicherheitsgefühl arg beeinträchtigt”, schreibt der Café-Besitzer per Mail. „Das sind keine harmlosen Spinner, sondern eine reale Gefahr. Wir stehen aber zu unserer Position und werden weiterhin gegen die Entsolidarisierung von rechts kämpfen”, schließt er.

Ohne gut gepflegte Online-Auftritte kann heute kein Business überleben. Cafés, Bäckereien, Tattoo Studios haben Accounts bei Instagram, Facebook & Co. Diese bieten Kund*innen aktuelle Informationen über die Produkte und eine Möglichkeit zum (auch kritischen) Austausch. Leider kann dieser digitale Raum auch eine Plattform für Hass bieten.

Hasskommentare: „Achtung! Das ist ein Nazi-Restaurant!“  

EIn Café mit langen Tischen.
Viele Restaurants haben mit frei erfundenen, negativen Bewertungen zu kämpfen. Foto: Unsplash

Kommentarspalten werden mit Hasskommentaren geflutet und die Betreibenden nicht selten unter der Gürtellinie beleidigt. Die Durchsetzung von Corona-Maßnahmen durch die Angestellten wird als „Apartheid“ bezeichnet und auch „Nazi“-Vorwürfe sind nicht selten. Ungeimpfte Personen, denen die Dienstleistung verweigert wird, vergleichen dies mit der Verfolgung von Juden*Jüdinnen im Dritten Reich. Eine unsägliche Gleichsetzung, die den Holocaust verharmlost und auch strafbar ist. 

Restaurants und Cafés haben keine Chance, über ihre Produkte zu informieren oder sich sachlich mit den Kund*innen über die aktuellen Maßnahmen auszutauschen. Die digitale Gewalt kann die ganze Einrichtung treffen oder einzelne Personen, die dort tätig sind; so etwa Barpersonal, Thekenkräfte oder Bedienung. Auch in privaten Nachrichten an den Betrieb wird gedroht und beleidigt.  

Online-Rezensionen: „Keine Maniküre ohne Maske!? 0 von 5 Sternen!“ 

Rezensionen sind für Dienstleister*innen jeder Art von großer Bedeutung – und für die Verbraucher*innen sorgen sie für Transparenz. So ist umso perfider, dass Hatestorms sich auch in Google-Bewertungen niederschlagen. Maßnahmen-Verweigernde regen sich in den Online-Bewertungen lautstark über die Regulierungen auf und beschimpfen das ganze Geschäft aufs Übelste. So erging es auch dem Berliner Café. Die schlechten Bewertungen führen oft zu einem niedrigeren Sterne-Durchschnitt – und bei einem Blumenladen mit 1,7 von 5 Sternen kauft man nur ungern ein.

So verursachen diese Rezensionen realen wirtschaftlichen Schaden ohne jegliche sachliche Grundlage. Sie sind schlecht unfair! Denn die Betreibenden haben keine andere Wahl, als sich an die Maßnahmen zu halten. Diese Bewertungen kommen nicht immer vereinzelt, sondern auch gern als Shitstorm. Teilt jemand etwa einen unliebsamen Betrieb in einschlägigen Telegram-Gruppen, können innerhalb kurzer Zeit Hunderte oder Tausende Bewertungen eingehen – und den Online-Ruf des Unternehmens (vorübergehend) ruinieren.

Analoge Gewalt gegen kleine Betriebe: Kaputte Scheiben und unerwünschter Besuch 

Dass digitale und analoge Gewalt Hand in Hand gehen, ist leider nichts Neues. Für Betriebe während der Corona-Pandemie bedeutet das manchmal eingeschlagene Scheiben, Schmierereien an den Hauswänden oder „Besuch“ von bedrohlichen oder gar gewaltsamen Menschengruppen. 

Was können betroffene Betriebe tun? 

  1. Ruhe bewahren und auf die Mitarbeitenden Acht geben. Es ist wichtig, dass Angestellte in dieser Zeit z. B. nicht allein im Laden sind.
  2. Über das Geschehene mit allen Beteiligten sprechen und sicherstellen, dass alle gehört werden und es Raum für Angst und Unsicherheit gibt.
  3. Shitstorms sind sehr belastend, aber kurzlebig. Es kann helfen, die Social-Media-Kanäle für 24 bis 48 Stunden zu deaktivieren. So lässt sich ein Großteil der Kommentare verhindern – wenn auch leider nicht alle.
  4. Google ist bei aller berechtigter Kritik gut darin, massenhafte Fake-Bewertungen zu löschen. Es ist also sinnvoll, zeitnah mit Google in Kontakt zu treten.
  5. Aktivieren der treuen Kundschaft: Die Hater*innen sind in der Unterzahl, auch wenn es im Netz oft anders aussieht. Es kann helfen, ein Statement zur aktuellen Lage zu verfassen und die bestehende Kundschaft auf die Probleme aufmerksam zu machen. So kommt es zu Solidarität und Gegenrede – online wie offline. Dies ist in so einer Situation nicht zuletzt für die Psyche wichtig.
  6. Private Informationen im Netz überprüfen: Welche Informationen sind über den Betrieb, die Inhaber*innen und die Belegschaft online verfügbar? Es lohnt sich, diese mit einer gründlichen Google-Suche zu checken. Können Hater*innen an sensible Daten, z. B. den Wohnort von einzelnen Angestellten, gelangen? Bei der Gelegenheit empfiehlt es sich auch, die Privatsphäre-Einstellungen in den sozialen Medien zu überprüfen und alle Passwörter zu ändern.
  7. HateAid kann helfen! Unsere Betroffenenberatung hat Erfahrung mit Fällen dieser Art und kann emotional unterstützen, um das Erlebte zu sortieren. Ebenso können wir bei der Löschung von Inhalten und in geeigneten Fällen auch bei juristischen Schritten behilflich sein.

Zivilcourage zeigen! Online wie offline

Für uns alle gilt während der Pandemie und auch darüber hinaus: Lasst uns mehr aufeinander aufpassen. Solltest du sehen, dass der Laden von nebenan plötzlich sehr viele negative Bewertungen oder hasserfüllte Kommentare bekommt, schreite ein. Kommentiere, zeige deine Solidarität und gehe gerne auch mal vorbei und kaufe ein paar Bücher oder Brötchen. Mit Maske und Abstand, versteht sich.  

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