Diese Gesetze schützen vor Rechtsextremismus im Netz
Rechtsextremismus bedroht unsere demokratische Gesellschaft am meisten.¹ Längst haben Extremist*innen auch das Internet für ihre Zwecke entdeckt. Sie rekrutieren, streuen ihre Ideologien, schüchtern ein, bedrohen, verdrängen. Deswegen wurde es notwendig, die Möglichkeiten zum Einsatz gegen Rechtsextremismus im Internet zu verbessern.
Die Bundesregierung hat in den letzten Jahren mehrere Gesetze und Maßnahmen ergriffen, um das Engagement gegen Rechtsextremismus zu verstärken – on- wie offline.
Wir haben euch die wichtigsten Änderungen und wie ihr sie nutzen könnt zusammengefasst.
Gesetz zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität
Zum 1. Mai 2021 trat das Gesetz zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität in Kraft. Es soll die Verbreitung von strafbaren Inhalten im Internet bekämpfen. Unter anderem folgende Änderungen wollen die Meinungsfreiheit und Demokratie in Deutschland schützen:
1. Erweiterte Strafbarkeit bei Bedrohung
Früher war nach § 241 StGB nur die Bedrohung mit einem Verbrechen, z. B. Mord, strafbar. Ein Verbrechen ist eine Straftat, die mit mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe bestraft wird. Jetzt ist es auch strafbar, wenn jemand mit Taten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder gegen Sachen von bedeutendem Wert droht. Zudem bezog der Gesetzgeber mit ein, dass öffentliche Bedrohungen im Internet vor einem großen Publikum stattfinden: Für öffentliche Mord- und Vergewaltigungsdrohungen im Internet können Täter*innen bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe erhalten.
2. Schutz von Politiker*innen auf allen Ebenen
Häufig greifen Extremist*innen Personen an, die sich politisch engagieren. Es trifft besonders jene auf Kommunalebene ohne speziellen Schutz. Um Täter*innen abzuschrecken, wurde das Strafmaß für eine öffentliche Beleidigung im Netz nach § 185 StGB auf bis zu 2 Jahre Freiheitsstrafe erhöht. Zudem gilt das höhere Strafmaß des § 188 StGB. Der Paragraph, der Personen des öffentlichen Lebens besonders schützen soll, gilt nicht mehr nur für üble Nachrede und Verleumdung, sondern auch bei Beleidigungen und ausdrücklich auch für Politiker*innen auf kommunaler Ebene.
3. Strafbarkeit der Billigung (noch) nicht begangener Straftaten
Extrembeispiele wie der Mord am Kassler Regierungspräsidenten Walter Lübcke durch den Rechtsextremisten Stephan E. zeigen: Wenn Personen im Internet von Verbrechen träumen und das andere beklatschen, motiviert dies Menschen, zur Tat zu schreiten. Ein klassisches Beispiel ist die Äußerung, Person XY gehöre „an die Wand gestellt.”
Deswegen ist es seit 2021 laut § 140 StGB (Belohnung und Billigung von Straftaten) auch strafbar, schwere, noch nicht begangene Taten gutzuheißen. Vorausgesetzt, das Gericht sieht den öffentlichen Frieden gestört. Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn die Bevölkerung der öffentlichen Rechtssicherheit nicht mehr vertraut oder aufgehetzt wird. Das Gesetz soll also ein Klima der Angst verhindern, damit es nicht so weit kommt.
4. Wer online mit Straftaten droht, macht sich strafbar
Es ist eine beliebte Strategie von Extremist*innen, Gegner*innen einzuschüchtern und so aus dem öffentlichen Leben zu drängen. Daher ist es seit 2021 nach § 126 StGB auch strafbar, den öffentlichen Frieden durch die Androhung von gefährlichen Körperverletzungen oder schwerer Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung zu stören. Letzteres bezieht sich vor allem auf Vergewaltigungsandrohungen, die insbesondere Aktivistinnen, Journalistinnen und Politikerinnen häufig erleben.
5. Höheres Strafmaß bei antisemitischen Motiven
Laut § 46 Abs. 2 StGB müssen Gerichte antisemitische Tatmotive seit 2021 ausdrücklich als strafschärfend berücksichtigen. Das heißt, Täter*innen können bei einer Verurteilung schwerer bestraft werden.
6. Meldung von Hasspostings
Seit der Neueinführung des § 3a NetzDG müssen soziale Netzwerke strafbare Postings nicht nur löschen, sondern gemeldete Inhalte sowie bestimmte schwerere Straftaten auch an das Bundeskriminalamt (kurz: BKA) melden. Dies soll die strafrechtliche Verfolgung erleichtern. Dazu müssen die Plattformen dem BKA neben den Hasspostings unter anderem die IP-Adresse des Täter*innenprofils mitteilen. Meldepflichtige Straftaten sind unter anderem:
- Verbreitung von Propagandamitteln und Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen nach §§ 86, 86a StGB. Hierzu zählt zum Beispiel das Hakenkreuz.
- Vorbereitung einer staatsgefährdenden Gewalttat nach §§ 89a, 91 StGB. Dies kann zum Beispiel die (bereits versuchte) Erstürmung des Bundestags sein.
- Bildung und Unterstützung krimineller und terroristischer Vereinigungen nach §§ 129 – 129b StGB. Eine Beispielorganisation war der NSU (Nationalsozialistische Untergrund).
- Volksverhetzung
7. Erleichterte Melderegisterauskunftssperre
Betroffene von Bedrohungen, Beleidigungen und Cyberstalking können leichter eine Auskunftssperre im Melderegister beantragen, seitdem der § 51 des Bundesmeldegesetzes geändert wurde. Denn die Meldebehörden berücksichtigen nun, ob die Betroffenen aufgrund beruflicher oder ehrenamtlicher Tätigkeiten verstärkt Anfeindungen ausgesetzt sein können.
Wie sinnvoll ist das neue Gesetz?
Wir haben dem Gesetz zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität eine ausführliche Stellungnahme gewidmet.
Grundsätzlich waren die Änderungen ein Schritt in die richtige Richtung, um Betroffene von Hasskriminalität im Netz besser zu schützen.
Doch sie gehen nicht weit genug: Die Betreiber von sozialen Netzwerken hätten verpflichtet werden sollen, genau die Daten von Täter*innen an die Strafverfolgungsbehörden zu geben, die auch zur Identifikation beitragen.
Zudem gilt für die Meldepflicht der Plattformen nach EU-Recht immer noch nicht das Marktortprinzip. Nach diesem Prinzip würde die Meldepflicht auch für solche Plattformen gelten, die die Daten nicht in Deutschland speichern, aber hier genutzt werden. Stattdessen können sich die Plattformen darauf berufen, dass die Daten zum Beispiel in Irland oder den USA liegen und sie daher deutschen Behörden keine Auskunft geben müssen.
Das Gesetz berücksichtigt zudem nicht ausreichend, dass Hasskriminalität und Diskriminierung auf einer strukturellen Ebene stattfinden. Einzelinhalte zu löschen, reicht nicht aus, wenn das strukturelle Problem bestehen bleibt.
Trotzdem hat das Gesetz zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität eine Reihe wichtiger Änderungen eingeführt. Sie helfen dabei, gegen rechtsextremistische Online-Inhalte vorzugehen.
Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches
Kein halbes Jahr nach den oben genannten Verschärfungen traten zum 22. September 2021 weitere Änderungen in Kraft. Auch sie erleichtern den Einsatz gegen Online-Extremismus:
1. Feindeslisten im Strafgesetzbuch
Feindeslisten sind Listen, auf denen Personen aufgeführt sind, die von einer anderen Person oder Gruppe als Gegner oder Feinde betrachtet werden. Wenn Extremist*innen Daten – wie Adressen oder Arbeitsplätze – über Menschen sammeln und online veröffentlichen, wollen sie den Betroffenen das Gefühl geben, sie seien schutzlos einer potentiellen Gewalttat ausgeliefert. Das soll sie einschüchtern. Gleichzeitig können sie Täter*innen zu Straftaten motivieren. Nach § 126a StGB ist dies strafbar.
2. Doxxing als Teil des Strafgesetzbuchs
Auch, wenn Daten von vermeintlichen Feind*innen nicht auf Feindeslisten stehen, kann ihre Veröffentlichung – das sogenannte Doxxing – strafbar sein. Und zwar dann, wenn sie nach § 126a StGB die betroffene Person oder eine ihr nahestehende Person schädigen soll. Beispielsweise mit Taten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, die körperliche Unversehrtheit oder die persönliche Freiheit.
3. Strafe für verhetzende Beleidigungen
Die verhetzende Beleidigung nach § 192a StGB schloss eine bisherige Gesetzeslücke:
Schickte ein*e Täter*in einen vermeintlich volksverhetzenden Inhalt als Privatnachricht an eine betroffene Person, war dies keine Volksverhetzung. Denn dies geschah nicht öffentlich. Gleichzeitig konnte die betroffene Person nicht wegen Beleidigung gegen den*die Täter*in vorgehen, wenn sich die Hetze nicht gegen die individuelle Person, sondern gegen eine Volksgruppe richtete.
Der neue Straftatbestand erfasst nun folgende Tathandlung: Ein*e Täter*in schickt einer Person, die zu einer bestimmten nationalen, ethnischen, religiösen oder durch ihre Weltanschauung, Behinderung oder sexuelle Orientierung bestimmten Gruppe gehört, einen Inhalt zu, der diese entsprechende Gruppe beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet.
Deine Möglichkeiten im Einsatz gegen Rechtsextremismus
All diese Gesetzesänderungen wären nichts, wenn du nicht auch von ihnen profitieren könntest – als betroffene Person oder als Zeug*in. Unsere Top-3-Tipps:
Inhalte melden
Auf den sozialen Netzwerken hast du die Möglichkeit, Inhalte, wie volksverhetzende Posts, nach NetzDG zu melden. Die Plattformen müssen alles prüfen und, sofern strafrechtlich relevant, an die Staatsanwaltschaft weiterleiten.
Straftaten wie Volksverhetzung kannst du zusätzlich auch direkt über unsere App MeldeHelden melden.
Melderegisterauskunft sperren
Solltest du potenziell in Gefahr sein oder Leute kennen, die das sind, weise sie auf die Melderegisterauskunftssperre hin. Unser Beratungsteam unterstützt dabei.
Gegen rechte Online-Gewalt wehren
Wenn du im Internet angegriffen wirst, dich andere zum Beispiel bedrohen oder beleidigen, kannst du dich rechtlich gegen die Täter*innen wehren. Du kannst sie anzeigen oder zivilrechtliche Schritte einleiten. Wende dich dazu gerne an beratung@hateaid.org.
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