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Auf dem Foto ist ein Richter:innenhammer zu sehen.

Meinungsfreiheit in Deutschland: Ist sie in Gefahr?

Meinungsfreiheit: Eines der wichtigsten Grundrechte – klar gesichert durch das Grundgesetz. Trotzdem beklagen viele Menschen in Deutschland regelmäßig und zuletzt immer lauter, dass sie ihre Meinung nicht mehr offen sagen dürften. Dass es eine Meinungsdiktatur gäbe. Manchmal kommt auch der Vorwurf einer Zensur. Einigen Leuten scheint auch der Unterschied zwischen von der Meinungsfreiheit gedeckten und strafrechtlich relevanten Äußerungen nicht klar zu sein. Auch uns wird regelmäßig vorgeworfen, die Meinungsfreiheit zu unterdrücken. Hier ein paar Beispiele:

Auf Bild ist eine Sammlung verschiedener Kommentare an HateAid zu sehen, welche HateAid die Unterbindung von Meinungsfreiheit vorwerfen.

Wir erklären, was es mit der Meinungsfreiheit auf sich hat. Und warum sie nicht bedeutet, dass man einfach uneingeschränkt alles sagen oder schreiben darf.

Meinungsfreiheit, das Grundrecht

Die Sachlage ist in Artikel 5 des Grundgesetzes deutlich festgehalten: Jede Person darf in Deutschland ihre Meinung frei sagen oder schreiben – ohne dass Zensur droht. Aber was ist mit Meinung eigentlich gemeint – und was nicht? Eine Meinung ist der subjektive Standpunkt oder der persönliche Eindruck. Niemand muss mit allem einverstanden sein, was in Deutschland passiert und alle können und dürfen auch offen kritisieren, ohne dass die Polizei sie verhaftet, foltert oder gar tötet. So etwas passiert nämlich regelmäßig in Ländern, in denen die Meinungsfreiheit ausgehebelt ist.

Die Grenzen des Sagbaren

Die Grenzen des Sagbaren sind ebenfalls im Grundgesetz festgehalten: So heißt es in Artikel 5 weiter: „Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze“. Diese Schranken finden sich z. B. in Artikel 130 (Volksverhetzung) des Strafgesetzbuches. Sie sind sozusagen der „Endgegner“ von Hetzenden. Dort steht, dass eine Person den öffentlichen Frieden stört, wenn sie

„gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet“.

Ein Beispiel:

Jemand kann eine ablehnende Haltung gegenüber Seenotrettung haben. Solch eine Haltung ist das persönliche Recht jedes Menschen. Aber Vorsicht: Jetzt wird es tricky!

Die Kritik an der Seenotrettung (die meistens als Meinung markiert ist) MUSS ohne diskriminierende Pauschalisierungen und herabsetzende Vorurteile gegenüber Geflüchteten auskommen. Denn sobald eines von beidem zutrifft, ist es keine Meinung mehr, sondern z. B. offen rassistisch – somit im Ernstfall justiziabel. Denn bei der Diskriminierung von Menschen aufgrund von Herkunft, dem Äußeren, der Religion oder der sexuellen Orientierung stoßen wir an die Grenzen der Meinungsfreiheit. Es drohen sogar bis zu drei Jahre Haft. Ob es soweit kommt, entscheidet ein Gericht.

Die Straftaten gegen die persönliche Ehre

Doch auch abseits der Volksverhetzung ist nicht alles eine geschützte Meinung, was von einigen Verfasser*innen als solche deklariert wird. So wird uns allen in Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes der Schutz unserer allgemeinen Persönlichkeitsrechte garantiert. Darum findet die Meinungsfreiheit ihre Grenzen dort, wo die gleichermaßen schützenswerten Persönlichkeitsrechte verletzt werden – z. B. von den Straftaten gegen die Ehre. Zu ihnen zählen Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung. Einige mögen verwundert sein, zu erfahren, dass sie nicht einfach andere Leute aufs heftigste beleidigen dürfen, weil es ja ihre „freie Meinung“ und somit ihr „gutes Recht“ sei, aber so ist es. Im Zweifel entscheidet auch hier ein Gericht.

Also wird die Meinungsfreiheit in Deutschland eingeschränkt?

Nein! Wer es schafft, die eigene Meinung ohne Beleidigung oder Diskriminierung anderer ( §§ 186, 187 StGB) zu äußern, muss sich über diese Frage nicht den Kopf zerbrechen. Wer jedoch offen andere z. B. aus rassistischen, antisemitischen, trans feindlichen, homofeindlichen oder sexistischen Motiven herabwürdigt, äußert nicht seine*ihre Meinung, sondern macht sich strafbar. 

Wie Richter*innen zwischen Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrechten abwägen und warum das wichtig für unsere Demokratie ist, erklären dir hier unterschiedliche Expert*innen.

Ist die Meinungsfreiheit trotzdem bedroht?

Ja – durch das sogenannte Silencing. Seit Jahren sind Formen digitaler Gewalt und Hatespeech ein strategisches Mittel, insbesondere Angehörige marginalisierter Gruppen anzugreifen und aus dem öffentlichen Diskurs zu drängen. Wer sich z. B. offen zu Themen wie Feminismus, Klimawandel oder Migration positioniert, wird mit gezielten Hatestorms zum Schweigen gebracht und durch Drohungen aus dem Netz zu drängen versucht. Die Angriffe kommen oftmals von rechten oder rechtsextremen Trollarmeen, die sich gezielt organisieren. Das belegen zahlreiche Studien.* Wenn Menschen aus Angst vor Hass und Hetze ihre Meinung nicht mehr sagen können, ist das  ein Angriff auf unsere Meinungsfreiheit. Dabei gilt auch hier: Die Initiator*innen solcher Silencing-Maßnahmen dürfen ihre Meinung frei sagen – wie alle – solange sie nicht die Schranken aus Artikel 130 übertreten oder die persönliche Ehre anderer verletzen. Da sie dies regelmäßig tun, ist der Rechtsweg gegen sie ein wichtiges Mittel zum Schutz der Meinungsfreiheit und Demokratie. Dafür setzt sich HateAid ein.

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Mehr Informationen

*u. a. Forschungsbericht zu Hass im Netz: Der schleichende Angriff auf unsere Demokratie von Daniel Geschke, Anja Klaßen, Matthias Quent, Christoph Richter sowie
Hass auf Knopfdruck. Rechtsextreme Trollfabriken und das Ökosystem koordinierter Hasskampagnen im Netz vom Insitute for Strategic Dialogue und #ichbinhier.

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Titelbild: Seng Kui Lim / Scopio

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