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Auf der Fotografie berühren sich die Hand einer Schwarzen Person und die einer weißen Person vor einem weißen Hintergrund.

How to become an Ally: Die goldenen Regeln des Allyship

Solidarität ist einer der wichtigsten Bausteine einer demokratischen Gesellschaft. Sie bedeutet mitfühlen und sich für andere stark machen – auch ohne eigene Betroffenheit. Solidarität zeigen ist das, was Privilegierte für andere Menschen tun können, indem sie ihre Privilegien richtig einsetzen, sowohl im analogen als auch im digitalen Raum: Sie können z. B. auf Themen aufmerksam machen, die nicht alle Mitbürger*innen betreffen.  Eine Form von Allyship. 

Nach der rassistisch-motivierten Ermordung von neun Menschen in Hanau und dem Angriff auf eine Synagoge in Halle wurde Solidarität mit den Hinterbliebenen eingefordert. In der Öffentlichkeit wurden die Taten, genauso wie auch die NSU-Morde und die Brandanschläge in Solingen und Mölln als Einzelfälle bezeichnet. Aber es handelt sich nicht um Einzelfälle, wenn gezielt Menschen unserer Gesellschaft wegen ihres Glaubens oder ihrer Hautfarbe angegriffen werden. 

Auch queerfeindliche Einstellungen sind in unserer Gesellschaft weit verbreitet. Das Berliner Monitoring 2022 zeigt, dass zwei Drittel der Befragten bereits LGBTQIA+ feindliche Gewalt erfahren haben. Die Ermordung vom trans Mann Malte C. im August 2022 zeigt, wohin Diskriminierung und Hass führen können. Auch das ist kein Einzelfall, sondern ein gesellschaftliches Strukturproblem.  

Der Hass gegen marginalisierte Gruppen, wie BIPoC (Black Indigenious People of Color, also alle Menschen, die nicht „weiß“ sind oder sich nicht als „weiß“ bezeichnen), LGBTQIA+ Personen (Lesbian, Gay, Bisexual, Trans, Queer, Inter-, Asexuell oder Agender) oder Menschen mit Behinderung ist allgegenwärtig. Das betrifft die ganze Gesellschaft und wir alle müssen etwas gegen diese Ungerechtigkeit tun. 

Neben Aufklärung, Strafverfolgung und Prävention braucht es für die Betroffenen eben auch Solidarität. Und zwar nicht nur als Aufforderung nach schlimmen Taten, sondern dauerhaft. Wie? Indem Nicht-Betroffene versuchen, gute Allys – also Verbündete – von Betroffenen zu sein. Wir haben einige Ratschläge zusammengestellt, die dabei helfen, die eigene Position zu reflektieren und ein guter Ally für alle von Rassismus und Rechtsextremismus, von Sexismus, von Ableismus, Queerfeindlichkeit oder von anderen strukturellen Diskriminierungen Betroffenen zu werden: 

Eine schwarzweiß Fotografie von einer Black Lives Matter-Demonstration zeigt Demonstrierende von hinten mit verschiedenen Schildern. Im Vordergrund hält eine Person ein Schild mit dem Slogan: "Together we stand for Justice".
Nur gemeinsam, als Allies, können wir Gerechtigkeit für alle erreichen. Foto: Scopio/Krys Alex

1. Prüfe deine Privilegien

Privilegien sind Vorteile und Ressourcen innerhalb einer Gesellschaft, die in fast allen Fällen nicht durch die eigene Leistung erlangt wurden, sondern von Geburt an gegeben werden. Durch das „White Privilege“ werden etwa weiße Menschen unbegründet besser behandelt als BIPoC. Für gute Allies ist es wichtig, zu erkennen, dass sie Privilegien besitzen und deshalb in vielen Fällen eine einfachere Ausgangsposition haben als Nicht-Privilegierte. Das zeigen beispielsweise die Erfahrungen von BIPoC Personen:   

Aus dem Jahresbericht der Antidiskriminierungsstelle des Bundes geht hervor, dass jede dritte Person mit Migrationshintergrund schon einmal Diskriminierung bei der Wohnungssuche erlebt hat. Bewerber*innen mit einem deutschen Nachnamen oder einer deutsch gelesen Optik – also beispielsweise stereotypisch blonde und blauäugige Personen mit heller Haut – werden bevorzugt behandelt. Rassistische Vorurteile, die tief in unserer Gesellschaft verwurzelt sind, sind auch der Grund, weshalb BIPoC oft schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben. Ebenfalls beim Feierngehen sind es oft BIPoC, die nicht in den Club gelassen werden. Eine direkte Begründung gibt es von Seiten des*der Türsteher*in nur selten. All das sind Erfahrungen und Begegnungen, die ein Gefühl der Ausgrenzung mit sich bringen.   

Viele BIPoC werden bereits in ihrer Schulzeit anders behandelt als ihre weißen Mitschüler*innen. Mehrere Studien belegen dabei, dass Kinder mit einem vermeintlichen Migrationshintergrund schlechter benotet werden und trotz guter Noten keine Gymnasialempfehlung bekommen. Überspitzt gesagt: Diese Kinder werden unfair behandelt, weil sie nicht Max, sondern Murat heißen.   

Zum Bewusstsein über die eigenen Privilegien gehört auch, sich über die Erfahrungen von marginalisierten Gruppen zu informieren, um im eigenen Alltag schneller zu erkennen, wenn jemand aufgrund des (vermeintlichen) Migrationshintergrundes, des (vermuteten) Geschlechts oder der (vermuteten) Religionsangehörigkeit diskriminiert und unfair behandelt wird.  

2. Erkenne Alltagsdiskriminierung und reagiere

Alltagsdiskriminierungen sind unterschwelligere Formen von Anders-Behandlung oder Herabwürdigung. Die diskriminierenden Einstellungen erlernen Menschen durch die Erziehung, durch mediale Vorbilder*innen oder andere Einflüsse. So ist vielen nicht bewusst, dass ihre Aussagen diskriminieren, ausgrenzen und verletzen.   

Beispielsweise ist Alltagsrassismus eine Form von Rassismus, bei der BIPoC weniger offen beleidigt oder angegriffen werden, sondern unterschwellig anders als ihre weißen Mitmenschen behandelt werden. Eine Beispielsituation in einer Bar zu Nicht-Corona-Zeiten:   

Amina, schwarze Haare und dunkle Haut, lernt Sebastian, blond und helle Haut, kennen. Beide kommen aus Berlin und studieren BWL, haben sich aber noch nie zuvor gesehen. Sebastian fragt Amina neugierig: „Wo kommst du her?“. „Aus Berlin.“, antwortet sie. „Nein, woher genau?“. „Aus Steglitz, aber mittweile wohne ich in Kreuzberg“, sagt Amina daraufhin. Sebastian lacht und schüttelt den Kopf: „Okay. Aber wo kommst du eigentlich her?“. „Ich bin in Berlin geboren …“, antwortet Amina. „Du bist Deutsche? Du siehst gar nicht so aus!“.   

Eine typische Form von Alltagsrassismus. Sebastian ist wahrscheinlich ein aufgeschlossener, netter Mensch, der Amina nichts Böses will. Aber darauf zu beharren zu erfahren, woher sie kommt, ihre Antworten zu hinterfragen, gar anzuzweifeln und zu sagen, sie sähe nicht deutsch aus, zeigt Amina vor allem eines: Sie ist in seinen Augen „anders“. Nicht Teil der „normalen“ Gesellschaft. Ihr wird suggeriert, dass sie aufgrund ihres Aussehens nicht deutsch sein kann, egal ob sie hier geboren ist oder nicht. Eine vermeintlich harmlose Frage ist in dieser Situation für BIPoC verletzend und ausgrenzend.   

Wer als weiße*r Deutsche*r diese Situation miterlebt, kann als Ally darauf hinweisen, dass diese Frage missverständlich und deplatziert ist. Niemand sollte sich in seinem*ihrem Heimat- und/oder Wahlland für das eigene Aussehen rechtfertigen müssen. Ganz wichtig ist es, solidarisch und empathisch zu sein: Achte darauf, was die betroffene Person wirklich braucht. Als Ally unterstützt du, du solltest nicht mehr Raum wegnehmen. Was das heißt liest du hier.   

3. Höre den Betroffenen zu und glaube ihnen

Wenn dir als Ally von einer Situation erzählt wird, in der eine Person eine Erfahrung mit Alltagsdiskriminierung machen musste, ist es wichtig, dem*der Betroffenen zunächst zuzuhören. Dadurch, dass du selbst nicht betroffen bist, kannst du dir die Situation möglicherweise schlecht vorstellen. Du solltest den Betroffenen aber glauben, ohne ihren Bericht zu hinterfragen.   

Wenn Betroffene öffentlich von Erfahrungen mit Diskriminierung berichten, ist besonders in sozialen Medien leider häufig das Gegenteil zu beobachten: Personen äußern in ihren Kommentaren Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Geschichte oder, noch viel schlimmer, behaupten, die Betroffenen wollen nur „das Opfer spielen“. Kommentare dieser Art sind zutiefst verletzend. Eine solche Erfahrung zu schildern, erfordert viel Kraft und Mut – gleichzeitig macht es die Betroffenen verletzbar und angreifbar.   

Gerade aus diesem Grund ist es wichtig, ihnen Raum zu geben, um ihre Erfahrungen zu teilen, wenn sie das denn möchten.

4. Lasse Betroffenen genug Raum

Je mehr du dich mit Allyship, also dem Verbünden mit Betroffenen, beschäftigst, desto mehr willst du bestimmt auch einschreiten und selbst aktiv werden. Es ist allerdings wichtig, dass die Rolle der Allies eine unterstützende ist, ohne den Betroffenen die Bühne zu nehmen.   

Ein wichtiges Stichwort ist hier Tone Policing. Tone Policing bedeutet, dass Personen vorgegeben wird, wann sie über ein bestimmtes Thema sprechen sollen, wie sie das Thema ansprechen sollen oder auch, wann es genug ist. Wann und ob eine betroffene Person über ihre Diskriminierungserfahrungen sprechen möchte, sollten Allies nicht beeinflussen. Allies sollten auch Geschichten anderer nicht in deren Namen erzählen – es sei denn, sie werden explizit darum gebeten.  

Sollte sich jemand aus dem eigenen Umfeld zum Beispiel rassistisch äußern oder verhalten, ist es wiederum wichtig, einzuschreiten. Rassistisch handeln können alle – leider ist niemand davor gefeilt. Deshalb sollten Allies den Betroffenen ihre Erfahrungen auch nicht absprechen, selbst, wenn sie den*die Täter*innen kennen und diese nicht als rassistische Menschen einstufen würden. An dieser Stelle kann ein aufklärendes Gespräch helfen. Hier ist viel Fingerspitzengefühl gefragt: Es darf nicht zu einer Opfer-Täter*innen-Umkehr kommen, wo der*die Täter*in plötzlich das Opfer ist, da ihm*ihr rassistisches Handeln vorgeworfen wird. 

5. Bilde dich weiter und informiere dich 

Viele Menschen die Diskriminierung erfahren sind dazu bereit, nicht-marginalisierten Menschen in ihrer Rolle als Allies Fragen zu Diskriminierung und eigenen Erfahrungen zu beantworten. Allies sollten allerdings nicht davon ausgehen, dass jede betroffene Person mit ihnen darüber sprechen möchte. Viele der Geschichten sind mit schmerzhaften Erfahrungen verknüpft, die traumatische Erinnerungen wachrufen könnten.   

Es gibt jedoch noch viele weitere Wege, sich zu informieren und weiterzubilden. Filme, Serien und Bücher von und mit Menschen, die Diskriminierung erfahren, sind eine gute Möglichkeit, mehr über die Erfahrungen Betroffener zu lernen. Wir haben hier eine Liste mit Literaturempfehlungen zusammengestellt:  

  • Alice Hasters: Was weiße Deutsche nicht über Rassismus hören möchten – aber wissen sollten 
  • Tupoka Ogette: exit RACISM: rassismuskritisch denken lernen 
  • Fatma Aydemir, Hengameh Yaghoobifarah (Hrsg): Eure Heimat ist unser Albtraum 
  • Noah Sow: Deutschland Schwarz Weiß – Der alltägliche Rassismus 
  • Ferda Ataman: Ich bin von hier. Hört auf zu fragen! 
  • Lisa Jaspers, Naomi Ryland, Silvie Horch (Hrsg.): Unlearn Patriarchy 
  • Sandra Konrad: Das beherrschte Geschlecht 
  • Margarete Stokowski: Untenrum frei 
  • Ferda Ataman: Ich bin von hier. Hört auf zu fragen! 
  • Emilia Roig: Why me matter – Das Ende der Unterdrückung 
  • Linus Giese: Ich bin Linus 
  • Alok Vaid-Menon: Mehr als binär 
  • Raúl Aguayo-Krauthausen : Wer Inklusion will, findet einen Weg. Wer sie nicht will, findet ausreden. 
  • Anne Gersdorff und Karina Sturm: Stoppt Ableismus! Diskriminierung erkennen und abbauen 

6. Unterstütze Menschen, die Diskriminierung erfahren

Mithilfe der hier gesammelten Tipps kannst auch du Ally werden und Betroffenen aktiv zur Seite stehen. Es ist toll, dass du dich mit deinen Mitmenschen solidarisierst! Wenn du marginalisierte Gruppen auch in anderen Bereichen unterstützen möchtest, geht das ganz leicht: Indem du ihre Bücher liest, ihre Filme siehst, ihre Produkte konsumierst und ihre Artikel kaufst, förderst du sie gleichermaßen.   

Allys können außerdem ihre Organisationen unterstützen, ihnen Raum in den Medien geben und an ihren Demos teilnehmen – immer, solange sie den Menschen nicht die Bühne nehmen (siehe Punkt 4).   

Ein letzter Hinweis: Solltest du selbst von rassistischen, queerfeindlichen, ableistischen und anderen diskriminierenden Angriffen im Netz betroffen sein oder aufgrund deines Allyships angegriffen werden und Unterstützung brauchen, wende dich gerne an uns! 

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