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Graffiti einer Corona-Maske

Hass im Netz in Zeiten von Corona: Bericht aus der Beratung

Nach über einem Jahr Leben mit Covid-19 nehmen wir bei HateAid wahr, wie viel schwerer es die Umstände der Corona-Pandemie für Betroffene machen, mit Hass im Netz zurechtzukommen. Dass die Zahl der Anfragen angestiegen sei, berichtet das ganze Beratungsteam. Ein Erklärungsansatz:

Menschen verbringen mehr Zeit online und hatten über weite Strecken einen Mangel an sozialen Kontakten im analogen Leben. Das Bedürfnis nach Auseinandersetzung ist jedoch genauso hoch wie immer oder – angesichts der Corona-Politik und anderer brisanter Themen – noch höher. Auch die Neigung, sich online abzureagieren oder gezielt Hass zu verbreiten, scheint unter erhöhter psychischer Belastung verstärkt. Hinzu kommt: „Wir werden bekannter. Menschen kommen vermehrt auf uns zu. Sie haben inzwischen das Bewusstsein, etwas tun zu können gegen Hass im Netz“, meint unser Berater Benno Falkenhausen. Auch das erhöhe die Zahl der Anfragen.

Der Hass wiegt schwerer während Corona

Auf Seite der Betroffenen ist auffallend, was es ausmacht, dass sich sämtliche Lebensbereiche vom analogen in den digitalen Bereich verlagert haben. Laut dem D21 Digital Index, einem jährlichen Lagebild zur digitalen Gesellschaft, hat sich zum Beispiel digitales Arbeiten im Corona-Jahr verdoppelt. Ein knappes Drittel aller Beschäftigten hat im Jahr 2020 zumindest zeitweise im Home Office gearbeitet, ein gutes Drittel davon zum ersten Mal. Benno Falkenhausen sieht es so: „Wenn man fast ausschließlich im Internet arbeitet, im Internet seine Freunde trifft, seine Abendbeschäftigung im Internet hat und im Internet an Informationen kommt, dann ist ein Angriff aus dem Internet omnipräsent und wiegt viel schwerer.“

Es fehle den meisten ein Ventil, es fehle an Möglichkeiten zum Auftanken positiv bestärkender Erlebnisse, um Hass im Netz auszuhalten. Auch die anderen Berater*innen bestätigen: In den Beratungsgesprächen ist oft ein hoher psychischer Leidensdruck herauszuhören. „Viele Menschen weinen am Telefon, und gerade in den letzten Monaten habe ich mehr von Menschen gehört, dass sie über Selbstmord nachdenken.“ Sie fühlen sich sehr stark unter Druck und wissen nicht, wie sie da rauskommen sollen, so Benno.

Nicht genügend Unterstützung in der Pandemie

Vielerorts sind Angebote weggebrochen, in denen die Menschen von Angesicht zu Angesicht Beistand und Beratung erhalten konnten. Beratungsstellen haben geschlossen oder sind nur sehr eingeschränkt verfügbar. Eine Auswertung von Versichertendaten der Bundespsychotherapeutenkammer hat gezeigt: Auch die Nachfrage an Therapieplätzen übersteigt das bestehende Angebot, das Defizit an Behandlungsplätzen ist durch die Pandemie verschärft worden. Die Wartezeiten sind lang.

Die Angst vor einer unsichtbaren Bedrohung

Beraterin Clara Taruba weist auf einen anderen Aspekt hin: Es gebe deutlich mehr sozial isolierte, psychisch labile oder ältere Menschen, die sich verfolgt und überwacht fühlen. Tatsächlich handele es sich dabei nicht immer um wirkliche Angriffe. In einigen Fällen habe sich gezeigt, dass aufgrund geringer Medienkompetenz gerade ältere Menschen etwa persönlich und bedrohlich formulierte Spam-Nachrichten oder personifizierte Werbung als Zeichen gewertet hätten, dass jemand sie überwache und es auf sie abgesehen habe. Die Betroffenen fühlten sich davon bedroht und massiv belastet, berichtet unsere Beraterin.

Womöglich seien Menschen, die unter psychischem Dauerstress stehen, auch empfänglicher für Verschwörungsmythen, in denen bedrohliche Überwachungsnarrative eine Rolle spielen. Clara Taruba sagt: „Menschen sind überfordert und fühlen sich allein. Sie suchen händeringend nach Erklärungen dafür, was passiert – sowohl übergeordnet Erklärungen für die Pandemie, als auch für Schicksalsschläge im persönlichen Bereich.“ In der digitalen Welt fänden sie einfache Antworten und simple, verständliche „Wahrheiten“ – und würden so auch leicht empfänglich für Verschwörungsmythen. Gerade in verschwörungsgeprägten Kanälen erführen sie Zugehörigkeit und könnten sich austauschen, gleichzeitig befördern diese auch Ängste vor der vermeintlich bösen Außenwelt.

Corona & häusliche Gewalt

Wie eine Studie der TU München schon im Juni 2020 belegte, hat häusliche Gewalt insbesondere gegenüber Frauen in Zeiten des Lockdowns deutlich zugenommen. Analoge und digitale Gewalt gehen häufig miteinander einher: Wer in einer Beziehung physische oder psychische Gewalt ausübt, erpresst, bedroht, erniedrigt oder überwacht seine*n Partner*in oft zusätzlich noch digital und umgekehrt. Teilweise werden (Ex-)Partner*innen auch öffentlich erniedrigt und bloßgestellt. Das zeigt sich auch in unserer Beratung: Immer mehr Frauen kontaktieren uns und berichten von Cyberstalking.

Fühlst du dich angesprochen?

Bist du selbst von digitaler Gewalt betroffen? Oder wurde dir eine andere Form von Gewalt im Netz angetan? Wende dich hier an unsWir helfen allen Menschen, ganz gleich welchen Geschlechts, Alters, Religionszugehörigkeit, Herkunft oder sexueller Orientierung, die selbst keinen Hass verbreiten.  Solltest du Hilfe bezüglich häuslicher oder anderer Formen von Gewalt benötigen, können wir dich gerne an andere qualifizierte Beratungsstellen verweisen. 

Wenn du uns dabei unterstützen möchtest, Betroffenen von digitaler Gewalt zur Seite zu stehen, dann kannst du das in Form einer kleinen Spende machen. Wir freuen uns über deine Hilfe! Hier geht es zu unserem Spendenformular

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