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Hintergrund in Regenbogenfarben und darauf ein lila Textblock, in dem mit weißer Schrift #PrideNet steht

LGBTQIA+: Queerfeindlichkeit und Empowerment im Netz 

Der Chef ist schwul, die Drogerieverkäuferin eine trans Frau und Alex aus der IT fühlt sich keinem Geschlecht zugeordnet. Wir begegnen queeren Menschen überall. So gut, so normal. Doch manche Menschen finden das anscheinend gar nicht normal. Und welche Gefühle die menschliche Vielfalt auch immer in ihnen auslösen mag – einige reagieren mit Ablehnung bis hin zu Gewalt auf jene, die nicht in ihr Weltbild passen.

Queerfeindliche Gewalt hat viele Orte: Die Straßenkreuzung, ein Zugabteil, eine Praxis, das eigene Zuhause – und den digitalen Raum. 2020 wurden 510 queerfeindliche Angriffe beim schwulen Anti-Gewalt-Projekt Maneo gezählt. Im selben Jahr zeigte das Berliner Monitoring mit Fokus auf lesbenfeindliche Gewalt, dass 57 % der Befragten in den letzten fünf Jahren diese erlebt haben. Im Berliner Monitoring 2022 mit dem Schwerpunkt auf transphobe Gewalt gaben zwei Drittel der Befragten an, in den letzten fünf Jahren Gewalt erfahren zu haben. Zudem sei die Gewalt im digitalen Raum stark angestiegen. 61,7 % der Befragten haben auf sozialen Medien Angriffe erlebt

Traditionelle und enge Vorstellungen von Geschlecht, Sexualität und Liebe sind der Grund dafür, dass viele Personen der queeren Community ständig mit Angriffen rechnen müssen und verbalen, physischen oder psychischen Übergriffen ausgesetzt sind – sowohl analog als auch digital.  

Du bist noch nicht so vertraut mit den Begriffen rund um Queer und LGBTQIA+? Wir führen dich ein.

Die LGBTQIA+ Community in Deutschland

Diskriminierung, Verdrängung und Gewalt gegen queere Menschen reichen weit zurück in die Geschichte. Lange Zeit waren sie auch Teil des Gesetzes. So wie der Paragraf 175 StGB, der seine Wurzeln im Jahr 1871 des Deutschen Kaiserreichs hat. Dieser kriminalisierte den sexuellen Kontakt zwischen Männern. Erst 1994 wurde der Paragraf aus dem Strafgesetzbuch gestrichen. Lange galt Homosexualität als Straftat, aber auch als körperliche oder psychische Krankheit. Während des Nationalsozialismus wurde die Verfolgung von homosexuellen Männern verschärft. Über lesbische Frauen oder trans Personen ist aus dieser Zeit wenig bekannt.  

Mit den Stonewall Riots der LGBTQIA+ Community in den USA 1969 wurde auch die Bewegung in Deutschland ermutigt und so größer und lauter. Durch diese Demonstrationen in den USA entstanden damals die „Gay Pride” und der Christopher Street Day in verschiedenen Städten. In Deutschland fanden 1972 die ersten Umzüge statt und 1979 dann erste Christopher-Street-Day-Aktionen. Pride (aus dem Englischen = Stolz) steht in der queeren Community für Stolz, Toleranz und Selbstbewusstsein

Durch das beständige und unerbittliche Engagement der queeren Community und ihren Allys gibt es in Deutschland seit 2017 die Ehe für alle und seit 2018 können intergeschlechtliche Menschen beim Eintrag ins Personenstandsregister „divers“ als Option wählen. 

Trotz dieser positiven Entwicklungen, werden queere Personen auch 2023 in Deutschland noch angefeindet, ausgegrenzt und diskriminiert. 

Bild zeigt eine Demonstration mit der Pride-Flagge im Vordergrund.
Weltweit muss die queere Community immer wieder ihre Rechte einfordern. Foto: Scopio / Gerardo Barreto

Digitale Gewalt an queeren Menschen

Obwohl queerfeindliche Gewalt so weit zurück reicht, ist ihre Erfassung und Aufarbeitung noch sehr jung. So auch die Versuche, digitale Gewalt gegen queere Personen statistisch einzufangen. In vielen Studien zu Gewalt gegenüber der LGBTQIA+ Community werden die digitalen und analogen Angriffe nicht getrennt. Doch wo es geschieht, heißt es, dass gerade in den letzten Jahren das Netz immer häufiger Schauplatz dieser Gewalt wird. 

Bei HateAid wurden 2022 53 transfeindliche Vorfälle, 26 homophobe Vorfälle und 19 Vorfälle aufgrund der sexuellen Identität der Betroffenen gemeldet. Das sind 1,9 queerfeindliche Fälle digitaler Gewalt pro Woche!

Nach dem tödlichen Angriff auf den trans Mann Malte C. beim Christopher-Street-Day in Münster im August 2022 wurde breit über den Anstieg queerfeindlicher Gewalttaten diskutiert, obwohl schon davor das Ausmaß queerfeindlicher Gewalt in Studien aufgezeigt wurde. In der öffentlichen Debatte zur Ermordung von Malte wurde auch immer wieder der Zusammenhang zwischen Queerfeindlichkeit auf Social-Media-Plattformen und dem Hass in analogen Räumen betont. Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) bestätigte damals, dass die antiqueeren Einstellungen in unserer Gesellschaft im digitalen Raum verstärkt und weiterverbreitet werden.  

Bereits im Jahr 2020 zählte der LSVD 782 Straftaten von Hasskriminalität gegen LGBTQIA+ Personen. Auch im aktuellen Berliner Monitoring zeigen sich dramatische Zahlen. Das liegt nur zum Teil an einer steigenden Anzeigebereitschaft von queeren Menschen. Denn Anti-Gewaltprojekte, bspw. für bisexuelle, lesbische und queere Frauen, tragen dazu bei, dass mehr Gewalttaten angezeigt werden und erhöhen die Sichtbarkeit von diesen Lebensrealitäten. 

Doch das Monitoring zeigt, dass nur 13 % der analogen und digitalen Vorfälle bei der Polizei gemeldet werden. Stattdessen werden die meisten Erfahrungen mit Freund*innen oder Partner*innen geteilt. Es gibt also ein großes Dunkelfeld bei antiqueerer Gewalt, Expert*innen schätzen es auf 90 %. Das liegt unter anderem daran, dass Queerfeindlichkeit in unserer Gesellschaft tief verankert ist und viele Betroffene sich somit nicht sicher fühlen. Das schlägt sich auch in einem weiteren Punkt nieder: Bei zwei Dritteln der Angriffe waren unbeteiligte Personen anwesend, doch nur 7 % der Befragten haben Unterstützung und Solidarität von diesen erfahren. 

Schatten einer Person, die telefoniert.
Die Dunkelziffer bei antiqueeren Gewalttaten ist laut Expert*innen sehr hoch. Foto: Scopio / Kazuhiko Nakao

Zusätzlich zu aktiven Angriffen, erlebt die queere Community andere Hürden. In einem Spiegel-Bericht von 2021 wird darauf hingewiesen, dass im digitalen Raum die Plattformen selbst für viele Menschen Barrieren aufbauen und so Queerfeindlichkeit oder Rassismus verstärken. Beispielsweise reagieren die Plattformen nicht auf Meldungen von queerfeindlicher Gewalt oder sie sperren bestimmte Begriffe, wodurch Aufklärungsarbeit erschwert wird. Vielen queeren Menschen wird das Handeln im digitalen Raum erschwert, aber sie tun es trotzdem und das ist sehr wichtig! 

„Der digitale Raum kann für die queere Community einen safer space bieten, in dem sie sich vernetzen und ihre Identität als queere Menschen ausleben können. Die räumliche Distanz und Anonymität im Internet bietet zum einen Schutz, zum anderen ermöglicht sie aber auch queerfeindlichen Menschen, Hass und Hetze ungefiltert zu verbreiten und rechtlichen Konsequenzen auszuweichen. Hatespeech muss im gesamtgesellschaftlichen Kontext verstanden und als Straftat konsequent verfolgt werden,” fordert Alexander Scheld, Geschäftsführer vom LSVD Berlin-Brandenburg e.V.

#PrideNet: So wichtig ist die Community

So gewaltvoll die Erfahrungen von queeren Personen im Netz auch sein mögen, sie überlassen den digitalen Raum nicht den Täter*innen. Denn er ist einer ihrer wichtigsten Orte: Die queere Community ist durch die Plattformen vernetzter, zugänglicher und sichtbarer. Informationen zu Identitäten, sexueller Orientierung oder Erfahrungen von anderen queeren Personen lassen sich mittlerweile durch einen einfachen Klick finden.  

Menschen sind nicht länger nur auf ihren analogen sozialen Umkreis angewiesen, wenn es um Identitätsfindung und die Gestaltung des eigenen Lebens geht. Auf Plattformen wie YouTube, TikTok oder Instagram geben aktivistische Influencer*innen sich und anderen aus der queeren Community eine Stimme. Gerade jüngere queere Personen setzen sich eigenmächtig und selbstbewusst auf diesen Plattformen für LGBTQIA+ Rechte und gegen Gewalt ein. Das machen sie häufig mit leichten und unterhaltsamen Inhalten. Denn queeres Leben bedeutet nicht nur schlechte und gewaltvolle Erfahrungen. Die Influencer*innen zeigen die positiven und freudvollen Erlebnisse, die ebenso zu ihrem Alltag gehören. Gerade auf TikTok kombinieren viele aktivistische Influencer*innen Aufklärung und Unterhaltung

Zitat von Jona Oremek: "„Unauffällig queer sein geht nur, weil Auffällige kämpfen. Durch die Vernetzung und Sichtbarmachung queeren Lebens überwiegt für mich das Gute im Netz. Alle, die sich durch mich ermutigt fühlen, zu sich selbst zu stehen, motivieren mich!”. Rechts im Bild, ein Foto von Jona mit einem Buch mit dem Titel "Gender" in der Hand.
Im Interview erzählt euch Jona, wie wichtig die Community ist und wie
Empowerment funktionieren kann. Foto: We Take Pictures / RWU

Sonderfall der Queerfeindlichkeit: TERFS

TERFs, trans-exclusionary radical feminists (trans-ausschließende radikale Feminist*innen), sind sehr präsent auf Social-Media-Plattformen. TERFs verstricken unterschiedlichste ideologische Argumente, die unter dem Deckmantel des Feminismus Hass und Hetze gegen trans Personen vermeintlich legitimieren. Die Personen hinter dieser Ideologie sprechen trans Personen nicht nur ihre Geschlechtlichkeit ab, sondern gehen davon aus, dass die Kategorie Frau durch die queere Community aufgelöst werden soll.

TERFs glauben an ein binäres Geschlechtermodell, das sich anhand der Genitalien ablesen lässt. Sie nehmen an, dass ein Mensch, der mit einem Penis geboren wird, von Geburt an patriarchale Unterdrückung in sich trägt. Deswegen sehen sie in jeder Person, die einen Penis hat oder mit einem geboren wurde, eine Gefahr für cis Frauen. TERFs bezeichnen sich selbst als „gender-kritisch”. Sie sprechen inter Personen einfach ihre Existenz ab. TERFs machen andere Lebenswege, Einstellungen, Identitäten und biologische Tatsachen, wie die, dass es mehr als zwei Geschlechter gibt, unsichtbar und lehnen sie kategorisch ab, um ihr ideologisiertes Weltbild abzusichern. 

Doch, und dafür steht Feminismus eigentlich, auf dem Weg für Gleichberechtigung und Antidiskriminierung geht es darum, strukturelle Barrieren aufzuzeigen und aufzubrechen. Das schließt alle marginalisierten Gruppen ein. Bei der Diskussion um Menschrechte, sowohl im Analogen als auch im Digitalen, geht es darum, wie wir gemeinsam für uns alle eine sichere und gerechte Welt schaffen können.

Das erkennen TERFS nicht und erschweren den Weg zu Gleichberechtigung, Toleranz und Selbstbestimmung. Alle Mitglieder der Gesellschaft müssen gemeinsam, in Allyship, dafür sorgen, dass der analoge sowie der digitale Raum keinen Platz für Rassismus, Sexismus, Queerfeindlichkeit, Ableismus und andere Formen von Diskriminierung bieten. 

Flagge zeigen 

Pride-Flag: Flagge in rot, orange, gelb, grün, blau und lila.

Regenbogenflagge: Die LGBT+ Pride Flag

Jede Farbe hat eine eigene Bedeutung: Rot steht für das Leben, Orange für Heilung, Gelb steht für die Sonne und erinnert an das Positive, Grün steht für die Natur und die Erde, auf der alle Menschen gemeinsam leben, Blau symbolisiert Harmonie und Gelassenheit und lila Spiritualität. 
Eine Erweiterung der Pride Flag schließt einen braunen und einen schwarzen Streifen mit ein. Dadurch werden queere Personen of Color stärker repräsentiert. 

Aktualisierte Pride-Flag: Flagge in schwarz, braun, rot, orange, gelb, grün, blau und lila.

Die aktualisierte LGBT+ Pride Flag 

Eine Erweiterung der Pride Flag schließt einen braunen und einen schwarzen Streifen mit ein. Dadurch werden queere Personen of Color stärker repräsentiert. 

Trans Pride Flag: Flagge in hellblau, rosa, weiß, rosa, helblau (von oben nach unten).

Trans Pride Flagge:

Die rosa Streifen stehen für Weiblichkeit, die blauen für Männlichkeit und der weiße Streifen für inter, trans und nichtbinäre Menschen. 

Inter Pride Flag: Flagge mit lila Kreis auf gelbem Hintergrund.

Inter Pride Flag

Lila und Gelb sind keine geschlechtsspezifischen Farben, wie Blau und Rosa. Der Kreis steht für das Ungebrochene und symbolisiert die Ganzheit von inter Personen. Damit wird ein Zeichen dafür gesetzt, dass inter Personen keine Erkrankungen zugeschrieben und sie nicht „geheilt” werden müssen.

Progress Flag: Flagge mit lila Kreis auf gelbem Hintergrund, weiß, rosa, hellblau, braun und schwarz in Pfeilform nach rechts zeigend, auf der rechten Seite dann Pride Flag

Progress-Flag (aktualisierte Form)

Die Flagge besteht aus der Trans-Pride-Flagge (links), mit der Aktualisierung der inter*Pride Flag, welche einen lila Kreis auf gelbem Hintergrund zeigt, den Farben Braun und Schwarz, zur Symbolisierung von Personen of Color sowie der LGBT+ Pride Flag (rechts). Die Keilform links steht dafür, dass noch viel gemacht und erreicht werden muss. Die Flagge kennzeichnet den gemeinsamen Weg der queeren Community. 

Es gibt noch viele weitere Flaggen, die sexuelle, romantische und geschlechtliche Identitäten und Vielfalt darstellen.

Ein kleines ABC: LGBTQIA+ und Queer

Das binäre Geschlechtsmodell

… geht davon aus, dass es nur zwei Geschlechter gibt: Mann und Frau. Diese Auffassung überwiegt in der westlichen Gesellschaft. Dieses zweiteilige System beruht auf religiösen und kulturellen Strukturen. Erwartungen und starre Geschlechterrollen sind Bestandteil dieses Modells. Wer diesen Normen nicht gerecht wird, also viele queeren Menschen, muss mit negativen Konsequenzen, wie Ausgrenzung, Diskriminierung und Gewalt rechnen. 

Cis / cisgeschlechtlich

… beschreibt Menschen, die sich dem Geschlecht zugehörig fühlen, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde. Ihr Körper und ihre Geschlechtsidentität stimmen häufig überein.

Heteronormativität

… meint, dass Strukturen und Normen in unserer Gesellschaft heterosexuell gedacht und konstruiert sind. Es wird also von Heterosexualität als Normalität ausgegangen. Das hat bspw. Auswirkung darauf, wie Gesetze gemacht werden, wie die sexuelle Aufklärungsarbeit abläuft und wie Menschen, die nicht hetero sind, in unserer Gesellschaft behandelt werden. Viele erleben Ausgrenzung, Anfeindungen und Gewalt.

LGBTQIA+

… ist eine Abkürzung für lesbian, gay, bisexual, trans, queer, inter-, asexuell oder agender und das Plus dient als Platzhalter für weitere Geschlechtsidentitäten oder Sexualitäten

Queer

… ist ein Sammelbegriff für Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans, asexuelle, agender und inter Personen. Darüber hinaus ist queer eine Selbstbezeichnung. Menschen bezeichnen sich als queer, wenn ihre Identität nicht cisgeschlechtlich, außerhalb des binären Geschlechtsmodells und/oder der heteronormativen Vorstellungen liegt.  

U. a. die Bundeszentrale für politische Bildung hat ein Lexikon zu Begriffen rund um Geschlecht, sexuelle Orientierung und Lebensrealitäten angefertigt.  

Wenn du queerfeindliche Gewalt im Netz erlebst oder mitbekommst, kannst du dich jederzeit an unsere Berater*innen wenden. Sie sind für dich da. Weitere Anlauf- und Beratungsstellen sind bspw. QueerLeben, Sonntagsclub oder LesMigraS

 

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