Rassismus gegen Sinti*zze und Rom*nja: Ein Überblick
Empörung, Wut und Verständnislosigkeit – mit diesen drei Emotionen lassen sich die Reaktionen auf die WDR-Talkrunde „Die letzte Instanz“ wohl am besten zusammenfassen. In der Talkrunde im Februar saßen fünf weiße Menschen zusammen und warfen mit rassistischen Fremdbezeichnungen um sich. Die Menschen, über die sie so achtlos sprachen, kamen selbst nicht zu Wort.
Auch wir bei HateAid sind bisher eine weiße Redaktion. (Wir würden gerne diverser werden, checkt gerne regelmäßig unsere Stellenanzeigen!). Uns ist bewusst, dass wir also weder über das Wissen und die Expertise, noch über die Erfahrungen von Sinti*zze und Rom*nja verfügen. Kurz: Wir berichten als weiße Redaktion über eine Form von Rassismus, von der wir nicht betroffen sind. Trotz alledem wollen wir unsere Plattform dafür nutzen, um über Rassismus gegen Sinti*zze und Rom*nja zu berichten und berichten zu lassen. Denn dieser ist ein großes Problem in und für unsere Gesellschaft.
Im Laufe der kommenden Woche stellen sich uns einige Sinti*zze und Rom*nja vor. Sie werden uns von ihren Erfahrungen erzählen und einen kleinen Einblick in ihren Alltag geben. Ziel dieser HateAid-Themenwoche ist es, mehr über Sinti*zze und Rom*nja zu erfahren, rassistische Fremdbezeichnungen zu verbannen und aufzuzeigen, an wen sich die Betroffenen von rassistischer Gewalt wenden können.
Ein geschichtlicher Einblick
Sinti*zze und Rom*nja stellen mit 8 – 12 Millionen Menschen die größte ethnische Minderheit Europas dar – und gleichzeitig die, die am meisten diskriminiert wird.
Zunächst einige Fakten: Sinti*zze und Rom*nja sind voneinander zu unterscheiden. Rom*nja ist der (gegenderte) Überbegriff aller Romani-Untergruppen, die sich als Teil der Rom*nja bezeichnen. Sinti*zze hingegen sind eine eigene ethnische Minderheit, die vorwiegend in West- und Mitteleuropa lebt. Die gemeinsame Sprache beider Gruppen, das Romanes, hat zahlreiche unterschiedliche Dialekte. Es wird vor allem mündlich weitergegeben. Zudem sprechen viele Sinti*zze wie auch Rom*nja natürlich die Sprache ihres jeweiligen Heimatlandes. Seit dem 14. Jahrhundert sind Sinti*zze und Rom*nja in Europa beheimatet. In Deutschland sind sie neben den Dän*innen, Sorb*innen und Fries*innen als nationale Minderheit anerkannt.
Die Selbstbezeichnung der Sinti*zze und Rom*nja funktioniert folgendermaßen: Ein männliches Miglied der Sinti*zze wird als „Sinto” bezeichnet, ein weibliches als „Sintez(z)a” oder „Sintiz(z)a”. Ein männliches Mitglied der Rom*nja nennt sich „Rom”, eine weibliche Person wird „Romni” genannt. Nach diesem Schema setzt sich auch die gegenderte Bezeichnung „Sinti*zze und Rom*nja” zusammen.
Diskriminierungserfahrungen von Sinti*zze und Rom*nja
Diskriminierung gegen Minderheiten liegt oft die generalisierende Zuordnung von Individuen zu Gruppen zugrunde, die den Individuen ihre persönlichen Merkmale und Eigenschaften abspricht und sie stattdessen aufgrund von „kollektiven“ Eigenschaften (und Vorurteilen!) bewertet. Mehr dazu erfahrt ihr in unserem Diskriminierungsartikel. Auch Sinti*zze und Rom*nja sind häufig von dieser verallgemeinernden Zuordnung betroffen.
Zu den Diskriminierungserfahrungen, die viele Sinti*zze und Rom*nja machen, gehören auch rassistische Fremdbezeichnungen. Es handelt sich dabei um Bezeichnungen der Bevölkerungsgruppe(n), die sie sich zu keinem Zeitpunkt selbst gegeben haben. Vielmehr wurden (und werden) diese Bezeichnungen von gruppenfremden Personen genutzt, um Sinti*zze und Rom*nja zu degradieren. Während der Zeit des Nationalsozialismus wurden so zwischen 220.000 und 500.000 Sinti*zze und Rom*nja unter der rassistischen Fremdbezeichnung erfasst, verfolgt und ermordet.
Lange Zeit hat Deutschland den Völkermord an den Sinti*zze und Rom*nja nicht anerkannt. Bis 1963 war sogar ein Urteil des Bundesgerichtshofs in Kraft, welches die Deportation der Sinti*zze und Rom*nja nicht als Verbrechen, sondern als eine „präventive Verbrechensbekämpfung“ bezeichnete. Auch die rassistische Fremdbezeichnung wurde weiterhin genutzt. Erst seit 2012 erinnert das “Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas” in Berlin an die Opfer des Völkermordes.
Digitale Gewalt gegen Sinti*zze und Rom*nja
Rassismus gegen Sinti*zze und Rom*nja ist online ebenso präsent wie offline. Das Internet macht es Täter*innen vermeintlich leichter, anonym zu beleidigen, zu hetzen oder zu bedrohen. Aber Achtung: Das Internet ist kein rechtsfreier Raum! Bei strafrechtlich relevanten Inhalten kann die Identität der Täter*innen ermittelt werden und diese können ggf. auch verurteilt werden.
Auch als Nicht-Sinto/Sintizza und Rom/Romni kannst du dich gegen diese Form des Rassismus engagieren. Lies dazu unsere Tipps, wie du ein*e gute*r Ally – also Verbündete*r – werden kannst. Beachte dabei vor allem, dass du Betroffenen nicht ihre Erfahrungen absprichst und ihnen nicht die Bühne nimmst!
Solltest du als Sinto/Sintizza und/oder Rom/Romni im Internet angegriffen werden und digitale Gewalt erfahren oder auf volksverhetzende oder andere mutmaßlich illegale Inhalte stoßen, wende dich gerne an uns. Wir stehen dir mit Rat und Tat – und ggf. mit unserer kostenlosen Prozesskostenfinanzierung – zur Seite.
So geht’s weiter
Unsere Themenwoche zu Rassismus gegen Sinti*zze und Rom*nja steht gerade erst in den Startlöchern. In den nächsten Tagen lernst du auf unseren Social-Media-Plattformen einige spannende Menschen kennen, die dir mehr über ihre Erfahrungen als Sinti*zze und Rom*nja erzählen werden und uns außerdem davon berichten, in welchem Umfang Rassismus gegen Sinti*zze und Rom*nja leider weiterhin ein großes Problem ist.
Aufklärung und Information sind der erste Schritt, um gegen Rassismus und Diskriminierung zu wirken. Wir hoffen deshalb, dein Interesse geweckt zu haben und freuen uns auf eine spannende und informative Themenwoche!
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